Abarth 595 Competizione: Hardcore-Knutschkugel

Kein Zweifel: Der Abarth 595 Competizione, selbst wenn es seine Knutschkugel-Optik nicht vermuten lässt, gehört zur Kategorie Carporn. Und wer sich jetzt die Pornoseite seines Vertrauens vors geistige Auge holt (nur vorstellen, nicht aufrufen…), der weiss, dass Porn in diverse Unterkategorien gegliedert wird. Der Abarth würde in zwei Kategorien passen. Er wäre unter «Hardcore» und «Public Humilitation» (öffentliche Erniedrigung) zu finden. Doch Pornokonsum ist leider auch nervig. Immer diese Viagra-Werbungen wegzuklicken ist echt mühsam. Auch der Abarth kann mitunter wirklich nervtötend sein. Aber wer’s ihm voll gibt, stimuliert alle seine Sinne.

Während sich bei waschechten Autofreaks alleine beim Anblick reinrassiger Sportwagen (etwa beim 4C, auch der ist sehr geil) das Blut vom Gehirn sonstwohin verlagert, tritt dieser Effekt beim Abarth nicht auf. Die Optik ist einfach zu viel 500, was sich aber nicht vermeiden lässt. Trotzdem fallen dem Kenner die sportliche Frontschürze, die Sport-Abgasanlage sowie die Brembo-Bremsanlage auf. Für alle, die kein Auge für solche Details haben, ist sogar auf der Seite das Abarth-Logo zu sehen. Für jeden, der mehr Ahnung von Autos als die Hausfrau ohne Führerschein hat, sollte nun klar sein, dass dies definitiv kein braver Fiat 500 ist. Gar nicht. Überhaupt nicht. Denn unter dem Blech steckt Technik vom Feinsten.

Abarth 595 Competizione
Wie niedlich! Ein Cinquecento…?

Bevor die Befriedigung vor dem Bildschirm losgehen kann, müssen erst mal gefühlt 100 Pop-Ups geschlossen werden. Beim Abarth muss erst die perfekte Sitzposition gefunden werden, was sich bei 1,85 Meter Körpergrösse als Mission Impossible erweist. Die engen und straffen Sabelt Schalensitze sind leider nicht höhenverstellbar, was zur Folge hat, dass ich eher auf dem Abarth throne als in ihm sitze. Zu allem Übel ist das Lenkrad nicht in der Horizontalen verstellbar. Ganz ehrlich, ein Auto mit einer lausigeren Ergonomie ist mir noch nie untergekommen.

Abarth 595 Competizione
…Nein, der Abarth macht unmissverständlich klar, dass er mit seinem Plattformspender nicht viel gemeinsam hat.

Bevor die Lust aber ganz verdorben wird, versuche ich irgendeinen Kompromiss zu finden und bin froh, dass mir wenigstens mehr Platz zur Verfügung steht als auf der Rückbank, die bloss als Gepäckablage taugt. Ebenfalls verkneife ich es mir, die Oberflächen des 595 zu berühren, denn die Plastikwüste wirkt alleine beim Anblick ziemlich abturnend. Zufriedenheit sieht anders aus, aber ich bin ja noch meilenweit vom Höhepunkt entfernt. Der erste Schritt ist getan, indem ich den Motor starte.

Abarth 595 Competizione
Seht euch die Sitze an. Noch Fragen?

Die Gründe, warum der Abarth die autogeile Männerriege (und natürlich auch die autobegeistere Damenwelt) reihenweise Spitz macht, sind simpel: Viel Leistung und wenig Gewicht sowie viel Lärm und wenig Federung und zu guter Letzt eine grandiose Agilität. Das Wesen vom Abarth geht schon fast Richtung Domina. Er fügt dem Fahrer Schmerz so, aber in einer Dosis, die er gerade noch erträgt. Etwas Kompromissloseres findet man auf unter 3,70 Meter Länge garantiert nirgends. Schon beim Start brüllt der Abarth in die Umwelt heraus, als hätte er ein Revier zu verteidigen. Über den genialen Alu-Schaltknauf wird der erste Gang eingelegt und los geht’s. Da das Vorspiel übersprungen wird, werden der Sport Modus sowie die TTC (Traction Transfer Control) eingeschaltet. Ist die TTC an, verlagert der Abarth das Drehmoment auf jenes Rad, das mehr Traktion hat. Des Weiteren wird die Traktionskontrolle deaktiviert und die Leine vom ESP verlängert.

Abarth 595 Competizione
Man hört ihn, bevor man ihn sieht.

Soviel zur Theorie, jetzt wird aber gefahren, schliesslich studiert auch niemand die Masse seines Lieblings-Pornostars. Ausserdem möchte auch niemand wissen, wie sich die Akteure im Schmuddelfilm betont künstlich näher kommen, um plötzlich den Trieben freien Lauf lassen. Darum überspringe ich die aus Sicht des 595 Competizione eher suboptimalen Gebiete Stadt und Autobahn und stürze mich ins kurvige Geläuf. Der Abarth hat einen Turbomotor alter Schule. Unter knapp 3000 Umdrehungen hat die Knallbüchse trotz nur 1180 Kilo etwas Mühe, in Schwung zu kommen. Aber dann. Als hätte der Abarth Blut gerochen, stürmt er unter wütendem Gebrülle und Gefauche nach vorne und ehe man sich’s versieht, muss der nächste Gang eingelegt werden. Das Getriebe ist wunderbar exakt, die Gänge können rasend schnell gewechselt werden, damit die Beschleunigungs- und Soundorgie umgehend weitergehen kann.

Abarth 595 Competizione
Selbst wenn das fette Rohr zum Abarth gehören würde, er dürfte es zu Recht mit sich herum tragen.

Fast schon zu krass ist die hervorragende Brembo-Bremsanlage, welche extrem bissig verzögert. In den Kurven haben die armen Winterreifen quitschend um Gnade gewinselt, während der Abarth das kurvenäussere Rad unbeirrt mit Drehmoment versorgt hat, um dem Untersteuern entgegenzuwirken. Der giftige Abarth lenkt sehr direkt ein und die Neigungstendenz durch den kurzen Radstand eliminiert das brettharte Fahrwerk. Keine Frage, die Reifen als schwächstes Glied haben mich ausgebremst. Aber mit anständigen Sommerreifen vermag der Abarth 595 Competizione auf engen Passstrassen so manch grösserem und stärkerem Wagen auf der Nase herumzutanzen, womit wir bei der öffentlichen Erniedrigung sind. Das Geheimnis ist der Bremspunkt. Der Abarth verzögert dermassen aggressiv und lenkt so präzise ein, dass man sehr lange auf dem Gas bleiben kann und erst spät (und dafür umso härter) bremsen kann.

Abarth 595 Competizione
Gemeinsamkeit zum Panzer? Beide sind… sagen wir mal «unnahbar».

Da das Autofahren aber nicht bloss aus dem Erklimmen von Pässen besteht, verlangt der Abarth fortgeschrittene Nehmerqualitäten von seinem Besitzer. Das Fahrwerk ist so unerbittlich hart, dass der Abarth wie ein Gummiball auf der Strasse umher hüpft; Temposchwellen in der 30er Zone nimmt man zur eigenen Sicherheit lieber mit 20 km/h in Angriff. Jeder Gullydeckel wird ans Kreuz weitergegeben und über gewisse Bahnübergänge scheppert der Abarth so derb, dass man meint, man habe gerade jemanden überfahren. Wer denkt, in den Schalensitzen Schutz zu finden, irrt, den auch die sind so straff gepolstert, dass einem spätestens nach zwei Stunden aufgrund von Erschöpfung so langsam, aber sicher die Freude am Fahren vergeht.

Abarth 595 Competizione
Sitze, Schalthebel und das TFT-Instrument sind die einzigen Highlights in der unergonomischen Plastikwüste.

Während man beim Gipfelstürmen fast in Ekstase gerät und sich wünscht, dass der Moment niemals vorübergehe, wünscht man sich auf der Autobahn, dass die Fahrt so schnell wie möglich vorbei ist. Zusätzlich zum auf und ab Gehoppel wird der Abarth auf der Autobahn sehr laut. Zu allem Übel ist kein Tempomat erhältlich. Aber auch die Stadt, dem eigentlichen Revier des braven 500, passt nicht so recht zum Abarth. Der Wendekreis ist irrsinnig gross und durch das Turboloch will der giftige Abarth bei tiefem Tempo einfach nicht so Recht in die Gänge kommen. Da ist die Freude in etwa so gross, als ob beim echten Pornokonsum die Internetverbindung abreisst.

Abarth 595 Competizione
Aber das Fahrwerk und die Bremsen…

Das Gefühl, wenn man dann endlich seinen Höhepunkt erreicht hat, brauche ich euch wohl nicht zu beschreiben. Genauso fühle ich mich nämlich auch. Glücklich und befriedigt, dass ich den Abarth testen durfte, aber auch erschöpft von der Anstrengung. Einerseits finde ich es schade, dass er nun für immer weg ist. Der Sound, der Schub sobald der Turbo endlich Druck aufbaut und das gnadenlose Fahrwerk werde ich missen und in guter Erinnerung behalten. Die miese Sitzposition, das Gedröhne auf der Autobahn sowie der fehlende Tempomat hingegen können mir gestohlen bleiben.

Abarth 595 Competizione
Und natürlich der mächtig aufgeladene Turbomotor machen den Abarth zu etwas ganz Besonderem.

Schlussendlich steht wohl noch die Frage im Raum, ob der Abarth 595 Competizione sein Geld wert ist. Satte 36’000 Franken kostet der Testwagen, eine schöne Stange Geld für so einen Winzling. Lasst mich mein Urteil so fällen: Im Netz wimmelt es von Gratis-Pornografie, aber wer bei Full-HD Qualität Hand an sich anlegen möchte, muss bezahlen. Andere sportliche Kleinstwagen, wie der Opel Adam S, wären frei erhältlich, wenn sie ein Porno wären. Der Abarth hingegen fällt in die Kategorie «kostenpflichtig», aber dafür bekommt man auch qualitativ hochstehenden Carporn.

Abarth 595 Competizione
Was im Film das Gestöhne ist, ist im Abarth der Motorsound.

Alltag 2 out of 5 stars

Kaum Platz, schlechte Ergonomie für grosse Menschen, bretthart, laut, nicht handlich, kein Tempomat. Man muss schon auf Schmerz stehen, um sich einen Abarth 595 Competizione anzuschaffen.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Es gibt niemanden in seiner Klasse, der dem Competizione auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Unter der niedlichen Hülle des Cinquecento verbirgt sich ein echter Sportwagen im Vollformat.

Umwelt 3 out of 5 stars

Es gibt Dinge, die bei einem Auto dieses Kalibers einfach wichtiger sind, als der Verbrauch. Für den aufgepumpten 500 gehen 7,7 l/100 km noch in Ordnung, da er die meiste Zeit im Test ziemlich hart rangenommen wurde.

Ausstrahlung 4 out of 5 stars

Der Abarth lässt äusserlich ganz klar die Muskeln spielen. Schade, ist er innen so eine Plastikwüste.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Geiler, lauter Motorsound
+ Erstklassige Schalensitze
+ Kompromisslos hartes Fahrwerk
+ Präzises Getriebe
+ Tolles Handling
+ Irrer Schub
+ Sehr starkes Xenon-Licht
+ Akzeptabler Verbrauch

– Katastrophale Ergonomie
– Grosser Wendekreis
– Haufenweise billiges Plastik im Innenraum
– Kein Infotainmentsystem erhältlich
– Kein Tempomat erhältlich
– Hoher Preis
– Ausgeprägtes Turboloch

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellAbarth 595 Competizione
Preis Basismodell / Testwagen31 350 CHF / 36 468 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1368 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe5-Gang manuell
Max. Leistung132 kW bei 5500 r/min
Max. Drehmoment250 Nm bei 3000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,7 s
Vmax225 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz6,0 l/100 km / 139 g/km / E
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz7,7 l/100 km / 178 g/km / +28%
Länge / Breite / Höhe3,66 m / 1,63 m / 1,48 m
Leergewicht1181 kg
Kofferraumvolumen185 - 610 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

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