Audi RS5: Eiskalter Spitzensportler

Wie gut, dass es Audi – natürlich gegen Aufpreis, nämlich 130 Franken, um genau zu sein – ermöglicht, die Ambientebeleuchtung individuell einzustellen. So kann der gesamte Innenraum in kühles, eisblaues Licht getaucht werden. Dieses gedämpfte Licht spiegelt den Charakter des RS5 Coupés perfekt wider. Audi schafft es, ein extrem tolles Auto mit nicht infrage zu stellenden Fähigkeiten zu bauen. Der RS5 ist unfassbar schnell, dazu unglaublich präzise… Doch mein Blut zum Kochen bringt er leider erst, wenn ich das Tempolimit, sagen wir mal, grosszügig interpretiere. Mein Versuch, mich mit dem Audi RS5 zu erwärmen, erzählt in fünf Akten.

Akt 1: Die Begegnung. Der Anfang ist so vielversprechend. Okay, das in meinen Augen öde Nardograu (oh Wunder, es kostet keinen Aufpreis) versuche ich zu ignorieren, aber das ist halt Geschmacksache. Abgesehen von der Farbe ist das Coupé ein Traum von einem Auto. Aggressiv und sehnig und dennoch mit einer eleganten Linie nach hinten.

2017 Audi RS5
Bis auf die Farbe kostet alles an diesem Auto extra.

Dazu kommt, dass die Optik durch die grossen 20-Zöller, dem Carbondach, üppigem Carbon-Zierrat rundum, sowie schwarz eingefärbtem Kühlergrill und schwarzen Endrohren und getönten Scheiben massiv aufgewertet wird. Wäre ich jedoch nicht Tester, sondern potenzieller Kunde, würde ich angesichts der Summe von rund 15’000 Franken eine Herzattacke bekommen! So viel kosten nämlich alleine die netten Optik-Upgrades inklusive Felgen und Carbondach…

2017 Audi RS5
Gegen ein kleines Vermögen installiert Audi an der Vorderachse extrem bissige Keramikbremsen.

Akt 2: Das Kennenlernen. Willkommen in der Audi-Welt. Carbon-Zierelemente und Alcantara soweit das Auge reicht, erstklassige Sitze, perfekte Ergonomie. Das Virtual Cockpit ist nach wie vor die schönste Umsetzung eines digitalen Cockpits. Die Qualität ist sicht- und spürbar, man klickt sich wortwörtlich gerne durch die Menüs durch. Hier fühlt man sich auf Anhieb wohl und man möchte nicht mehr aussteigen.

2017 Audi RS5
Fokussiertes Cockpit mit Spitzenqualität. Allerdings steckt auch das Interieur voller zahlungspflichtiger Extras.

Nur fürs Protokoll sei erwähnt, dass im Innenraum abermals über 9000 Franken an Sonderausstattung stecken. Anyway, Startknopf gedrückt, das Biturbo-Triebwerk grölt, erinnert sich aber umgehend, dass es in einem Audi-Motorraum steckt und schaltet auf leise um. Sei’s drum, ich möchte ohnehin erstmal nur cruisen.

2017 Audi RS5
Seine immense Kraft hört man dem V6-Biturbo-Aggregat nicht an. Und ja, die Carbon-Abdeckung kostet extra.

Im Auto-Modus kann man nichts falsch machen. Das Auto «horcht» in den Fahrer hinein und passt sich zügig dem Fahrstil an. Grundsätzlich ist die Lenkung erstmal leichtgängig, aber dennoch äusserst direkt. Die Dämpfer federn zwar ordentlich, sodass man von Schlägen verschont bleibt. Dennoch kann das Fahrwerk nicht verhindern, dass das ganze Auto permanent in Bewegung und leicht am Schaukeln ist. Nicht gerade Komfort auf höchstem Niveau, aber erträglich.

2017 Audi RS5
Damit man weiss, was man fährt.

Akt 3: Die Ernüchterung. Es gibt Sportwagen, die verraten ab der ersten Sekunde, was sie können. Sie sind die ganze Zeit angespannt und können den Marschbefehl kaum erwarten. Der RS5 ist das pure Gegenteil. Solange man normal fährt, unterscheidet sich das Auto kaum von einem normalen A5. Das Getriebe wählt so hohe Gänge, dass das Hochleistungstriebwerk im Bug sich mit knapp über 1000 Umdrehungen langweilt – und praktisch keinen Mucks vor sich gibt. Dafür wummern die Abrollgeräusche für diese Preisklasse zu deutlich in den Innenraum und selbst wenn der V6-Biturbo kaum gefordert wird, bringt man seinen Durst nur bergab mit Rückenwind unter die 9-Liter-Grenze.

2017 Audi RS5
Eindeutig böse und trotzdem elegant.

Auch mit einem forscheren Fahrstil kann man den RS5 kaum aus der Reserve locken. Selbst mit Motorsound auf Dynamic bleiben die Lautäusserungen des Coupés unter 4000 Umdrehungen dezent. Man ist zwar zügig unterwegs, das Ganze fühlt sich aber so unglaublich smooth und easy an, dass es fast schon wieder langweilig ist.

2017 Audi RS5
Das sehr schön gelöste Virtual Cockpit lässt sich beliebig konfigurieren.

Zwar ist das Auto sehr feinnervig und reagiert äusserst direkt auf Lenkbewegungen. Dazu kommt, dass das Biturbo-Aggregat ab 2000 Touren immensen Druck entwickelt und diesen progressiv steigert. Bei 6300 beginnt im Drehzahlmesser zwar der rote Bereich, man kann aber richtiggehend in die rote Zone hinein preschen, denn selbst bei über 6000 Umdrehungen fühlt sich der Motor richtig lebendig an – und trotzdem ist das ganze Fahrverhalten irgendwie steril, als würde das Auto mit mir fahren und nicht umgekehrt.

2017 Audi RS5
Das Lenkrad ist wunderbar ausgeformt. Die Plastik-Schaltpaddels sollten in dieser Preisliga aber nicht sein.

Akt 4: All in. Das «Problem» vom RS5 ist seine Übermacht. Wer es «nur mal kurz» etwas zügiger angehen lässt, fordert das Auto nicht im Geringsten, weshalb es unterkühlt wirkt. Es wird daher Zeit, dem Auto mal richtig auf den Zahn zu fühlen. Beste Einstellungen dafür: Individual-Modus mit Lenkung, Motorsound und Sperrdifferential auf Dynamic, Antrieb und Fahrwerk auf Auto sowie das ESP auf Sport.

2017 Audi RS5
Sei es als Befehlempfänger im manuellen Modus oder Kommandant im Automatik-Modus, das 8-Gang-Getriebe übt einen perfekten Job aus.

Abgesehen vom nichtaufhörenden Schub auf der Geraden sind es die Kurven, in denen der RS5 richtig punkten kann. Im Testwagen ist die Keramikbremse verbaut, heisst: Auf die Kurve zufliegen, im letzten Moment hart anbremsen, aufs Gas und noch vor der Kurvenmitte wieder voll rausbeschleunigen. Das Sperrdifferential an der Hinterachse arbeitet, man spürt, wie der Hintern förmlich in die Kurve gedrückt wird, während das Auto bereits wieder mit aller Kraft davonschiesst. Hin und wieder zuckt es sogar im Heck, doch ehe man richtig gegengelenkt hat, hat der Allradantrieb das Auto längst wieder geradegezogen.

2017 Audi RS5
Die Sportsitze können sogar massieren – gegen Aufpreis, versteht sich.

Und das ganze Spiel könnte man den ganzen, lieben Tag machen. Auch bergab bleibt die Keramikbremse nach etlichen harten Manövern standfest und wenn ich dachte, noch schneller kann man die Kurve gar nicht mehr durchfahren, kann man dennoch eine Schippe drauflegen. Im Sport-Modus unterstützt einem das ESP in der Raserei, anstatt das Auto auszubremsen. Ausserdem ist der Grip, den der RS5 aufzubauen vermag, schier endlos. Einen Grenzbereich gibt es auf öffentlichen Strassen nicht, selbst wenn man es richtig krachen lässt. Zu gut ist das Auto.

2017 Audi RS5
Das RS5 Coupé ist wirklich aus jeder Perspektive eine Augenweide.

Man bringt das Auto einfach nicht aus der Ruhe – so unerschütterlich die Stabilität ist, so gross ist das Vertrauen, dass einem der RS5 vermittelt. Das ist nicht nur Fahrspass, sondern auch Fahrwerkstechnik auf allerhöchstem Niveau. Ob die hiesige Polizei meinen just erlebten «Fahrspass» ebenso bezeichnen würde, sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Der Punkt ist: Wirklich intensiv und entfesselnd wird es mit dem RS5 erst, wenn man das Tempolimit nicht mehr einhaltet.

2017 Audi RS5
Das 4500 Franken teure Carbondach spart drei Kilo im Vergleich zum serienmässigen Alu-Dach. Da kauft man sich besser ein Fitness-Abo und speckt selber drei Kilo ab…

Akt 5: Wechselbad der Gefühle. Am Ende hat mich der RS5, entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen, doch noch ins Schwitzen gebracht. Er macht im Alltag eins auf Mauerblümchen, wirkt kühl und distanziert. Das ist nicht mein favorisierter Typ bei Sportwagen, doch Geschmäcker sind verschieden. Fakt ist, dass das Sportcoupé, wenn es darauf ankommt, eine meisterhafte Darbietung vorführt. Ein Biturbomotor, der am oberen Drehzahlende nochmals richtig Schmackes gibt, trifft auf ein unbeirrbares Handling, das an Präzision kaum zu toppen ist.

2017 Audi RS5
Nur zierliche Zeitgenossen fühlen sich im Fond nicht beengt.

Leider gibt der RS5 – zumindest mir – diese Zufriedenheit erst, wenn man nicht mehr ganz legal fährt. Bis in den mittleren Drehzahlbereich bleibt der Sound zu zurückhaltend. Zum hohen Testverbrauch von 11,2 l/100 km kommt noch der exorbitante Preis von 148’250 Franken. Dass für ein RS-Modell die Reifendruckkontrolle extra bezahlt werden muss, ein Dynamikpaket für 7600 Franken fällig ist (und die Sportabgasanlage nicht einmal darin enthalten ist!), das alles ist verdammt unverfroren. Nicht zuletzt deswegen wird mir der RS5 als «der kühle Spitzensportler mit der eisblauen Ambientebeleuchtung» in Erinnerung bleiben.

2017 Audi RS5
Ein Auto, eine Maschine. Doch der RS5 ist kein Ballermann, sondern agiert wie ein Auftragskiller: Taktisch und meisterhaft.

Alltag 3.5 out of 5 stars

Wie bereits mehrmals erwähnt, bleibt der Sportler im Normalbetrieb sehr cool, was im Alltag natürlich hilft. Überraschend geräumig ist der Kofferraum und wer nicht überdurchschnittlich gross ist, kann es sich auch im Fond bequem machen. Umständlich sind die schlechte Rundumsicht sowie die langen Türen in Parklücken. Die Reifengeräusche sind zudem deutlich zu vernehmen.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Brachialer Schub, Grip ohne Ende und ein Handling, als ob die Lenkung Gedanken lesen könnte. Der RS5 fährt auf extrem hohen Niveau und als Fahrer muss man sich nicht einmal besonders anstrengen, um dieses Niveau zu erreichen. Selbst im harten Einsatz bleibt der Motorsound jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Umwelt 2.5 out of 5 stars

Downsizing lässt grüssen. Wie die kleinen Turbomotoren mutiert der V6-Biturbo unter Last zum veritablen Säufer. Okay, soll man gelten lassen, schliesslich ist das Coupé ein Performance-Auto. Dass der Verbrauch jedoch auch bei einer Spazierfahrt nicht unter 9 Liter fällt, ist ärgerlich. Am Ende waren es 11,2 l/100 km.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Die Blicke verraten es, der Audi RS5 begeistert durch alle Altersgruppen hinweg. Jedoch wird man nur schon für optionale Optikpakete massiv zur Kasse gebeten.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Cooles, massentaugliches Design
+ Erstklassige Ergonomie, bequeme Sportsitze
+ Tadellose Verarbeitung, top Qualität
+ Hübsches Virtual Cockpit, grosses Head-up-Display
+ Ultra-direkte Lenkung
+ Brachialer, progressiver Schub
+ Perfekt abgestimmtes Getriebe
+ Grip ohne Ende
+ Unerschütterliche Stabilität
+ Sehr gutes Matrix-LED-Licht

– Hoher Grundpreis, teils unverschämte Aufpreise
– Hoher Verbrauch
– Steriler Motorsound
– Schlechte Rundumsicht
– Laute Abrollgeräusche

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellAudi RS5
Preis Basismodell / Testwagen 107 200 CHF / 148 250 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Biturbomotor
Hubraum / Zylinder2894 ccm / V6
Getriebe8-Gang Automatikgetriebe
Max. Leistung331 kW bei 5700 - 6700 r/min
Max. Drehmoment600 Nm bei 1900 - 5000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h3,9 s
Vmax280 km/h (optional, elektronisch abgeregelt)
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz8,7 l/100 km / 197 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz11,2 l/100 km / 254 g/km / +29%
Länge / Breite / Höhe 4,72 m / 1,86 m / 1,36 m
Leergewicht1808 kg
Kofferraumvolumen465 l

Bilder: Koray Adigüzel

3 thoughts on “Audi RS5: Eiskalter Spitzensportler”

  1. @Koray: Ein Fahrbericht über die noch letzte Gen. von RS5 B9.5 Sportback wäre wünschenswert, auch wenn sich das Facelift nicht gross verändert hat. Die Sportback Variante ist für mich als RS3 8V FL eine Alternative, wenn auch soundtechnisch (leider) gezwungenermassen ein Rückschritt… LG Joel

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    • Hoi Joel
      Danke für dein Feedback. Leider war das RS5 Facelift bei der AMAG nicht als Testwagen verfügbar. Was der Sound betrifft, so bezeugen aber diverse Videos, dass zumindest mit dem Competition Paket auch der Sound für ein Auto ab Werk ganz zufriedenstellend ist.
      Gruss

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