Fettsüchtige Neuwagen

Es ist beinahe ein ungeschriebenes Gesetz der Autohersteller, dass ihre neuen Modelle stets grösser und luxuriöser sein müssen. Das kollidiert natürlich mit dem Vorhaben, die Modelle auch stets verbrauchsärmer zu entwickeln, denn jedes Kilo ist Gift für den Verbrauchswert. Zwar wird immer mehr Leichtbauweise angewandt und aktuelle Modelle von VW, Audi, Mercedes-Benz, Peugeot und Range Rover haben es geschafft, abzuspecken. Doch es wäre mehr möglich, und so lange frisch und munter die extrem windschnittigen und federleichten SUVs gebaut werden, werden unsere Strassen nicht entlastet.

Das Durchschnittsgewicht aller neu zugelassenen Autos im Jahr 2010 lag bei 1453 Kilo. Der kommende Golf VII bringt 1200 Kilo auf die Waage, dank Leichtbauweise rund 100 Kilo weniger als sein direkter Vorgänger. Trotzdem, der allererste Golf war mit einem Gewicht von 800 Kilo ein wahres Fliegengewicht. Grund für diese Gewichtszunahme im Verlauf der letzten Jahre sind die gestiegenen Komfort – und Sicherheitsanforderungen.
Aber nicht nur das Durchschnittsgewicht ist steigend, auch die Abmessungen nehmen laufend zu, vor allem in der Länge und Breite. In den letzten Jahren sind die Autos unaufhaltsam gewachsen, wobei etwas wichtiges im Autoalltag seit langem gleich ist: Parkfelder. In so mancher engen Tiefgarage wird das Zirkeln zwischen Randsteinen, Pfeilern und fremden Kotflügeln zur schweisstreibenden Angelegenheit; das Aussteigen erfordert mühsame Verrenkungen. Daher wurde vor kurzer Zeit der Ruf nach grösseren Parkfeldern laut. Einige wenige Parkhausbetreiber haben bereits reagiert und bieten XXL-Parkplätze an.

Leichtbauweise hin oder her, mehr Auto bedeutet zwangsläufig auch mehr Gewicht. Anstatt nur Leichtbaumaterialien zu verwenden, wäre ein Abspecken der Dimensionen, wie es Peugeot mit dem 208 vormacht, ebenfalls einen Gedanken wert. Ein weiteres Problem sind die boomenden SUVs. Da sie baubedingt nicht die aerodynamischsten sind und einige Zusatzkilos mit sich mitschleppen, ist es dort besonders schwierig, tiefe Verbrauchswerte zu erzielen. SUVs bieten den Insassen ausserdem erhöhten Schutz (im wahrsten Sinne des Wortes) auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer. Letztendlich ist klar, dass der Umsatz, wie in allen anderen Branchen auch, das Wichtigste ist und dazu tragen die SUVs massgeblich bei. Wie Range Rover es kürzlich bewiesen hat (-420 Kilo beim neuen Modell), kann auch dort mit Leichtbauweise eine grosse Wirkung erzielt werden. Trotzdem lässt sich so langfristig das Problem nicht lösen.

Das Fahrzeuggewicht ist insbesondere hinsichtlich der Elektromobilität ein zentrales Kriterium, vor allem wegen der Reichweite. Denn aufgrund des ohnehin nötigen Mehrgewichts der Akkus sind grosse Fahrzeuge nicht für einen elektrischen Antrieb geeignet. Um sich für die Zukunft zu rüsten, muss also erstmal ein Umdenken erfolgen. Und zwar auf beiden Seiten – bei den Herstellern sowie bei den Kunden.

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