Fifty Shades of Mercedes

Ganz schön machomässig steht er da, der Mercedes CLA Shooting Brake. Wie die Kultfigur Christian Grey aus der Roman-Trilogie Fifty Shades of Grey, geizt auch die grösste A-Klasse nicht mit ihren Reizen. Doch wie viel Sexappeal steckt wirklich in der Design-Flunder?

Wurdet ihr auch von jemandem aus eurem Umfeld überredet, den Film Fifty Shades of Grey im Kino anzuschauen? Ich hatte das «Vergnügen» und konnte an der Leinwand miterleben, wie der millionenschwere Unternehmer Christian Grey die Literaturstudentin Anastasia Steele um den Finger wickelt. Der Klassiker, dachte ich mir, er der reiche Macho und sie das naive Mauerblümchen, das an ihm hochschaut. Neben der klischeebedingten Rollenverteilung, die die Emanzipation der Frau sowas von untergräbt und dem «Blümchen-Sadomasosex», kommt das Gefühl auf, als würde man sich in einer grossen Audiwerbung befinden. Christian Grey ist ein bekennender Audiliebhaber. Dieser Fakt widerspiegelt den Geistesreichtum der «Starautorin» E. L. James, die wahrscheinlich keine andere Automarke kennt. Wäre ihr Horizont grösser gewesen, hätte sie bestimmt einen Wagen gewählt, der besser zum Charakter ihrer Hauptfigur passt. Und da kommt der Mercedes CLA Shooting Brake ins Spiel. Mit seiner dark grey Lackierung passt er zu Christian wie die Faust aufs Auge. Arrogant und elegant steht er da. Jeder Millimeter ist durchdesignt, was den Shooting Brake zu einem Kunstwerk auf vier Rädern macht. Die schnittigen Vor- und Rückleuchten lassen ihn wie eine Raubkatze erscheinen, die nur darauf wartet loszupreschen. In der Dunkelheit funkeln die Scheinwerfer, wie die Augen eines Panthers. Die ausgeklügelte Lichttechnologie sorgt für den perfekten Durchblick und verleiht einem eine Sicht wie am Tag.

Mercedes CLA Shooting Brake

Das Sprichwort, bei Dunkelheit sind alle Katzen grau, trifft auf den CLA nicht zu. Kein Fahrzeug sieht bei Nacht so mystisch aus, wie der Mercedes. Das Testfahrzeug ist mit dem AMG-Paket ausgerüstet, dank diesem sieht es noch böser aus. Lüftungsschlitze am Heck und verchromte Endrohre peppen die Optik auf. Vorne funkelt der Kühlgrill, der bei Lichteinfall wie ein Sternenmeer leuchtet. Aussen ist das Bad-Boy-Image perfekt, doch wie sieht es im Innern aus? Christan Grey hätte seine helle Freude! Edelste Materialien sorgen für Luxuriösität. Die massiven Türen, die für ältere Personen zu schwer sind, ermöglichen Totenstille im Innenraum. Grey könnte also ohne weiteres ein Schäferstündchen mit seiner Anastasia abhalten, ohne dass die Aussenwelt etwas mitbekommt. Durch die stark getönten Scheiben hätten sie optimalen Sichtschutz. Die dezente orange Ambientebeleuchtung sorgt für passende Romantik.

Mercedes CLA Shooting Brake

Die braunen Ledersitze sind bequem und bieten bei rasanter Kurvenfahrt guten Halt. Sie sind elektronisch verstellbar und bis zu drei Personen können auf dem Fahrer- und Beifahrersitz ihre Sitzposition speichern. Das Armaturenbrett und die Mittelkonsole umrahmen die Fahrer und sind ebenfalls mit braunem Leder eingekleidet. Der Shooting Brake fühlt sich wie ein Massanzug an, edelste Materialien stehen zur Auswahl und umschmeicheln einem. Die Konfektionsgrösse reicht allerdings nur von S bis L. Personen, die XL und grösser tragen, fühlen sich eingeengt und vermelden besonders im Beinbereich auf dem Beifahrersitz Platzmangel. Da ich aber L trage, habe ich vorne, wie auch im Fond genug Platz. Besonders die Rückbank löst Erstaunen aus, obwohl die Dachlinie aussen ziemlich stark nach unten gezogen ist, hat man eine einwandfreie Kopf- und Beinfreiheit.

Mercedes CLA Shooting Brake

Aus dem Aluminium-Armaturenbrett ragen fünf auffällige Lüftungsdüsen, die an ein Flugzeugtriebwerk erinnern. Sie unterstreichen das sportliche Outfit des CLAs. Das Steuerrad liegt angenehm in der Hand und ist unten abgeflacht. Mit seiner straffen und direkten Lenkung lädt es zu einer rasanten Kurvenfahrt ein. Trotz den vielen Design-Elementen wurde der praktische Nutzen nicht vergessen. Es gibt genügend Ablagefläche mit Fächern, die sich teilweise mit Klappen geschmeidig öffnen lassen.

Mercedes CLA Shooting Brake

Jeder, der hin und wieder einen Anzug trägt, weiss aber, dass es noch die gemütliche Jogging-Hose zuhause gibt, die den Smoking unter Kritik stellt. Leider hat auch die grosse A-Klasse ihre Tücken. Eine besonders grosse Enttäuschung ist das Multimediasystem, das in der Mitte des Armaturenbrettes thront. Grossartig imitiert es ein iPad und sofort meldet sich die Freude, darauf herum zu touchen. Doch die Ernüchterung folgt postwendend, indem sich nichts tut. Der Bildschirm muss nämlich durch ein Rädchen in der Mittelkonsole bedient werden. Dabei dreht man sprichwörtlich am Rad! Eine Adresse im Navi einzugeben wird zu einer Belastungsprobe für die Nerven. Das Handgelenk meldet ebenfalls keine Freude, da für die Bedienung des Joysticks eine unnatürliche Bewegung gemacht werden muss. Da das System ansonsten zügig reagiert, funktioniert alles einwandfei. Ein weiterer Kritikpunkt befindet sich ein paar Zentimeter weiter unten. Die Knöpfchenflut rund um das CD-Laufwerk versetzt einem einen Stich ins Auge. Getäuscht wähnte man sich in einer Designer-Karre aufgehoben und dann pfuscht Mercedes bei den letzten Millimetern. Die Knopfansammlung sieht aus, als hätte eine alte Stereoanlage ihr Leben hergeben müssen, damit deren Bedienungselemente anschliessend lieblos in den CLA hineingepresst wurden. Ich hoffe inständig, dass Mercedes diesen Makel beim Facelift des Shooting Brakes behebt, denn sowas sollte bei einem Auto mit Jahrgang 2015 nicht mehr passieren! Wer, bitte schön, braucht heute noch die Knöpfe Null bis Zehn auf dem Armaturenbrett???

Mercedes CLA Shooting Brake

Apropos Zahlen! Der Tacho, der eine wesentliche Rolle spielt, wurde vom Designer überzeichnet. Die Zahlen wurden auf engsten Raum zusammengepfercht und grau angestrichen. Der silbrige Hintergrund bringt sie beinahe zum Verschwinden. Fährt man mit offenem Sonnenschutz beim Panoramadach, vermischt sich das Zifferblatt zu einer grauen Sauce. Kurzerhand muss also der digitale Tacho im Display hinter dem Steuerrad einspringen. Leider können dann keine anderen Informationen mehr angezeigt werden. Der Fahrer muss sich Angaben, wie zum Beispiel die erlaubte Geschwindigkeit, auf dem Pad der Mittelkonsole abholen, was zur Ablenkung vom Strassenverkehr führt. Ein ebenfalls zu langer Blickwechsel birgt die Klimaanlage. Diese Knöpfe dürfen ruhig nach oben wandern. Am besten ersetzen sie direkt die Knöpchenflut um das CD-Laufwerk.

Mercedes CLA Shooting Brake

Diese Bagatellen werden Christian Grey ohnehin nicht interessieren. Viel wichtiger ist doch, dass er schnell zu seiner Angebeteten kommt und dort einen spektakulären Auftritt hinlegen kann. Beides wird der Mercedes mit Bravour erfüllen. Auf dem Hinweg sorgt das Sportfahrwerk für eine komfortable, aber zackige Fahrt wie auf Schienen. Die 211 PS lassen den CLA zügig hervorschnellen und am Ziel macht Christian eine gute Figur mit viel Sexappeal und Selbstsicherheit. Genügend Stauraum für Peitschen und Handschellen bietet der Shooting Brake auch. Möchte Christian mit seinem Herzblatt verreisen, müssten sich die beiden gut überlegen, was sie mitnehmen möchten, da die schräge Hecktklappe viel Platz raubt. Klappt man den Kofferaumdeckel hoch, entsteht eine nach unten enger werdende Öffnung. Diese erfordert Köpfchen beim Packen von sperrigen Dingen. Der Wochenendeinkauf und ein bisschen mehr finden jedoch ohne weiteres Unterschlupf.

Mercedes CLA Shooting Brake

Da Anastasia auf böse Jungs steht, wird sie bestimmt Gefallen am Mercedes CLA Shooting Brake finden. Folgende Skills sollte Christian unbedingt beachten, bevor er mit seiner Angebeteten auf eine Spritztour loslegt. Bei einer rassigen Passfahrt muss er die Musik etwas lauter drehen, weil sonst würde sein Schatz hören, wie sich der 2.0 Liter Benzinmotor seines Autos den Berg hochkämpft. Dieser tönt wie ein Muttersöhnchen, das kurz vor dem Erschöpfungstod steht. Diesen unschönen Effekt kann man dank der guten Soundanlage vertuschen. Das Siebengang-DSG-Getriebe benötigt bei sportlicher Fahrweise auch Unterstützung. Die Schaltvorgänge müssen durch Paddels am Steuerrad verkürzt werden. Vor Überholmanövern darf die verzögerte Schaltweise nicht vergessen werden. Drückt man das Gas durch, tut sich in den ersten Sekunden nichts, doch sobald die Kraft auf die vier Räder verteilt wird, geht es zackig vorwärts.

Mercedes CLA Shooting Brake

Grundsätzlich will ein Designobjekt nicht für seine praktische Seite gelobt werden, sondern für seine Anmut und Eleganz. Diese Disziplinen erfüllt der Mercedes CLA Shooting Brake wie kein anderer. Mit seiner eigenwilligen Karosserie lässt er sich nicht schubladisieren. Er ist weder Kombi, noch Kompaktwagen, noch Limousine. Er ist einzigartig und weiss zu polarisieren. Darum passt er gut zu Personen, wie Christian Grey, die selbstbewusst sind und einen Charakter mit Ecken und Kanten aufweisen. Mit seinen zahlreichen Assistenzsystemen (automatisches Fernlicht, Totwinkelassistent, Sensoren und Rückwärtskamera etc.) und dem aussergewöhnlichen Design, ist er der perfekte Begleiter. Ob er sich zum Verkaufsschlager mausern wird, steht noch in den Sternen, da kurz nach Markteinführung bereits ein Facelift angekündigt wurde. Die Kauflust der Interessenten hält sich dadurch sicherlich in Grenzen und sie warten, bis die Überarbeitung angeboten wird. Eines muss man sich im Klaren sein, wenn man Design möchte, muss tief in den Geldbeutel gegriffen werden. Mit 81’436 Franken ist der Mercedes CLA Shooting Brake alles andere als günstig. Doch diejenigen (inklusive mir), die sich gerne von einer scharfen Optik blenden lassen, wird es kaum von einem Kauf abhalten. Und dann gibt es noch die Leute wie Grey, die sich ein solches Auto ohne mit der Wimper zu zucken leisten können.

Mercedes CLA Shooting Brake

Alltag 3 out of 5 stars

Der Mercedes CLA Shooting Brake sieht zwar aus wie ein Kombi, kann aber die obligaten Platzverhältnisse nicht bieten. Für den Wocheneinkauf reicht der Raum allemal aus, für Ferien sollte man sich aber gut überlegen, was wirklich benötigt wird.

Fahrdynamik 3.5 out of 5 stars

Noch selten habe ich ein Auto gefahren, das sich dermassen an den Asphalt krallt. Unglaublich, wie stabil und komfortabel der Mercedes durch die Kurven jagt. Einziger Wermutstropfen sind die teilweise träge Schaltung und das Motorgejammer bei rassiger Fahrt.

Umwelt 4 out of 5 stars

Der Verbrauch mit 8,5 Litern sieht zwar nicht ökologisch aus, sollte aber nicht als Richtlinie genommen werden. Der Shooting Brake wurde im Test rege genutzt und musste einige Passstrassen erklimmen. Bei normalem Gebrauch sind 6,8 bis 7,5 Liter realistisch und durchaus vertretbar.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Von fünf möglichen Sternen würde ich am liebsten zehn vergeben! Kaum ein anderes Fahrzeug ist so schnittig und gleichzeitig elegant gezeichnet. Ich konnte mich nicht sattsehen!!!

Fazit

+ hammer Design!!!
+ schnittige Vor- und Rücklichter mit perfekter Ausleuchtung
+ gute Verarbeitung
+ edle Materialien (Leder- und Aluminiumverkleidungen)
+ gemütliche Ambientebeleuchtung
+ geräuschlose Dämmung
+ klangvolle Soundanlage
+ komfortable Sitze mit Positionsspeicherung
+ direkte Lenkung
+ genügend Ablagefläche
+ geniales Fahrwerk
+ viele perfekt funktionierende Assistenzsysteme

– schwere Türen
– grosse Personen leiden unter Platzmangel
– bedienungsunfreundliches Multimediasystem
– Knöpfchenflut rund um das CD-Laufwerk – pfui!
– Bedienelemente der Klimaanlage zu weit unten platziert
– unleserlicher Tacho
– nach unten schmaler werdende Kofferraumöffnung ist ein Hindernis für sperrige Dinge
– unerträgliches Gejaule des Motors bei rassigem Fahren
– träges DSG bei sportlicher Aktion
– überrissener Preis (81’436 Franken!)

Marke / ModellMercedes-Benz CLA Shooting Brake
Preis Basismodell / Testwagen41'200 CHF / 81'436 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder1991 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe7-Gang Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung155 kW bei 5500 r/min
Max. Drehmoment350 Nm bei 1200 - 4000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,7 s
Vmax240 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz6,8 l/100 km / 156 g/km / F
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz8,5 l/100 km / 195 g/km / +25%
Länge / Breite / Höhe4,63 m / 1,78 m / 1,43 m
Leergewicht1555 kg
Koffer­raum­volumen495 - 1354 l

(Bilder: Koray Adigüzel & André Sprüngli)

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