Ford Fiesta ST Black & White: Der krönende Abschluss

Steinalt ist er, der Ford Fiesta. Seit Ende 2008 kurvt er fast unverändert auf den Strassen herum, anfangs 2013 gab es ein leichtes Facelift, womit auch der ST eingeführt wurde. Jetzt hat Ford für die betagte Taschenrakete ein Tuningkit im Angebot, frei nach dem Motto “ein bisschen mehr geht immer”. Mittels eines optimierten Luftfilters und einem Chiptuning von Mountune steigen Leistung und Drehmoment um rund 18%, resp. 10%. Geblieben sind die direkte, schwergängige Lenkung und das brettharte Fahrwerk. Warum der Ford Fiesta ST auf Schweizer Strassen mehr Spass macht, als ein 400 kW Bolide, werde ich euch erklären.

Das exklusive Design-Paket der auf 103 Fahrzeuge limitierten Black & White Edition basiert auf einem weissen Fiesta ST. Die Aussenspiegel, die Front rund um den Kühler, das Dach und teilweise der Dachspoiler sowie die Seitenschweller sind schwarz foliert. Insbesondere der Aston Martin Kühlerschlund wirkt durch die schwarze Folierung wie ein grosses, gieriges schwarzes Loch, das alles einsaugt, was sich dem Fiesta ST Black & White in den Weg stellt. Ansonsten ist die Black & White Edition gleich aufgebaut wie andere Fiesta ST ebenfalls, ein extraböses Bodykit braucht es aufgrund der schwarzen Folierung auch gar nicht.

Ford Fiesta ST Black & White
Die schwarze Folierung verleiht dem Fiesta ST einen besonders bösen Touch.

Bis auf die billig wirkende Plakette, auf welcher jede Black & White Edition nummeriert ist (die totale Anzahl an limitieren Fahrzeugen fehlt jedoch…) hat sich im Innenraum nichts getan. Highlights im Fiesta ST sind die famosen Recaro Sitze, die rot beleuchteten Einstiegsleisten und die ebenfalls rote Ambientebeleuchtung. Ich würde gerne mehr Highlights aufzählen, aber dann müsste ich lügen. Leider ist das Interieur sehr einfach gehalten. Hochwertige und mässig hochwertige Kunststoffe wechseln sich ab, die Verarbeitung dürfte an gewissen Stellen besser und präzise sein. Das Sony Infotainmentsystem erfüllt zwar seinen Zweck, sieht aber grauenvoll aus und ist nicht minder grässlich zu bedienen.

Ford Fiesta ST Black & White
Die Rücklichter lassen ihn hinten jedoch zu brav wirken.

Eine Rückbank hat der Fiesta ST natürlich auch, mangels Kopf- und Beinfreiheit ist sie aber nur für kleinere Personen zumutbar. Wenn man die hohe Ladekante überwunden hat, kann man bis zu 296 Liter Gepäck in den Kofferraum schmeissen. Aber am besten geniesst man den Fiesta ST sowieso alleine, ohne unnötigen Ballast. Das spart nicht nur Sprit, es ermöglicht vor allem enorme Kurvengeschwindigkeiten, ohne dass Passagiere vor sich hin kreischen und das Gepäck durch den ganzen Kofferraum purzelt.

Ford Fiesta ST Black & White
Der nur als 3-Türer erhältliche Fiesta ST ist sehr schnittig geformt. Man sieht ihm sein eigentliches Alter nicht an.

Der Fiesta ST ist unbarmherzig. Man kann ihn eigentlich kaum ruhig und gesittet bewegen. «Kick mich!», scheint er ständig zu rufen, denn das Ansauggeräusch wird in den Innenraum geleitet, sodass er bereits ab 1500 Umdrehungen böse und gierig knurrt. Das hat dann zur Folge, dass man auch innerorts wie ein Irrer unterwegs ist, den ersten Gang bis knapp Tempo 50 nutzt und beim Hochschalten dem laut schnaubenden Turbolader lauscht. Herrlich, dass ein Kleinwagen so derbe Geräusche von sich geben darf!

Ford Fiesta ST Black & White
Die Recaro Sportsitze sind grandios. Ihr Seitenhalt: Wie ein Schraubstock.

Es ist das restliche Fünkchen Verstand und die Angst des Führerscheinverlustes, was einen hindert, in den zweiten Gang überzugehen und einfach weiter zu beschleunigen – denn das ist es eigentlich, was der scharfe Fiesta die ganze Zeit will und zu brauchen scheint. Der Prospekt verspricht einen Verbrauch von 5,9 l/100 km, was ich stillschweigend zur Kenntnis nehme. In der Realität werden es wohl eher 5,9 km pro Liter Verbrauch sein. Und selbst wenn der Verbrauch so überirdisch sein sollte, der immense Spass ist es wert.

Ford Fiesta ST Black & White
Der Tacho ist ziemlich klein, vor allem, weil man schnell zu schnell wird…

Wenn der böse Fiesta jenseits des Ortschildes so richtig durchgeprügelt wird, dass am Ende der Fahrer verschwitzt ist und das Auto so richtig verbraucht riecht, dann ist er artgerecht behandelt worden. Das Geile an diesem gepimpten Muskelzwerg ist, dass man das Pedal so richtig durchdrücken kann – und zwar ohne, dass man innert ein paar Wimpernschlägen in Geschwindigkeitsregionen unterwegs ist, wo man als Ausländer Gefahr läuft, ausgeschafft zu werden. Natürlich schiebt der Fiesta für einen Kleinwagen mit 320 Overboost Nm kräftig an, aber man kann die Beschleunigung doch für einen Moment geniessen. Leider ist der Audi S1 nach wie vor der einzige Kleinwagen mit Allradantrieb, weshalb der Fiesta ST mit seinem Frontantrieb beim starken Beschleunigen ziemlich an der Lenkung reisst. In Kurven hilft aber das Torque Vectoring, ihn förmlich in die Kurve hineinzuziehen.

Ford Fiesta ST Black & White
Soso, Nummer 73 also. Aber… von wie vielen eigentlich?

Sehr empfehlenswert ist es, dass ESP in den Sport Modus zu schalten oder gar ganz zu deaktivieren, damit der Ford so richtig rennen darf, ohne künstlich eingebremst zu werden. Sein Untersteuern ist eh einfach und unkompliziert zu handeln und im Normal-Modus greift das ESP zu früh ein, was vielleicht auch an den Winterreifen lag. Dank seinem gutmütigen Verhalten und seiner relativ “geringen” Leistung (im Vergleich zu richtigen Sportwagen) kann man den Fiesta am Limit fahren, ohne dass man automatisch mit einem Bein im Gefängnis ist. Und das ist es, was den Fiesta ST zu einem Suchtmittel macht. Man will immer mehr, immer schneller, man kann gar nicht hart genug vom trockenen Fahrwerk durchgerüttelt werden. Selbstverständlich hat der Fiesta ST keine Assistenzsysteme zu bieten und selbstverständlich ist im Test ordentlich Benzin in die Brennräume geflossen, nämlich 7,9 l/100 km, um genau zu sein. Ob das jetzt viel ist oder nicht, diese Meinung möchte ich euch überlassen. Ich finde lediglich, dass jeder Liter Benzin es wert gewesen ist, vom Fiesta ST Black & White verbrannt zu werden.

Ford Fiesta ST Black & White
Am Interieur erkennt man das Alter vom Fiesta ST schon eher.

Nicht nur das Fahrverhalten ist enorm heiss, der Preis ist es ebenso. 29’900 Franken verlangt Ford für den auf 103 Fahrzeuge limitierten Fiesta ST Black & White. Unverständlich ist für mich lediglich, warum eine Sonderedition ohne Komplettaustattung ausgeliefert wird. Wer Interesse hat, sollte unbedingt noch die Lichtautomatik und den Tempomat dazu ordern, so etwas gehört heute verdammt nochmal einfach in jedes Auto. Sind die 103 Fahrzeuge bereits vergriffen? Oder seid ihr im Besitz eines Fiesta ST von der Stange? Don’t worry. Für 1199 Franken lässt sich das Tuning (ohne die schwarze Folierung) bei jedem Ford Händler nachrüsten. Der Eingriff dauert nur 90 Minuten und die Werksgarantie bleibt erhalten. Ich kann es nur empfehlen. Insbesondere im mittleren Drehzahlbereich hat der gepimpte Fiesta ST deutlich mehr Bumms, was man bei jedem Überholmanöver (und es gibt viele Gründe, im Fiesta ST jemanden zu überholen… 😉 ) spürt und schätzt. Dass der Fiesta ST noch längst nicht zum Alteisen gehört, hat die Black & White Edition eindrücklich unter Beweis gestellt.

Ford Fiesta ST Black & White
Definitiv einer der schärfsten Kleinwagen, die es derzeit gibt.

Alltag 3.5 out of 5 stars

Zwar bereichert der Fiesta ST den Alltag des Besitzers, da jede Fahrt ein Genuss ist, sofern man mit dem enorm harten Fahrwerk leben kann. Geräumig ist er aber nicht und auch die Übersicht lässt zu wünschen übrig.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Es ist krass, welche Kräfte der rotzige Kleinwagen entwickelt. Die präzise, schwergängige Lenkung, das harte Fahrwerk, das Torque Vectoring und der mächtige Durchzug sorgen für eine Fahrdynamik allererster Güte im Segment der Hot Hatches. Der Fiesta ST ist konsequent auf Sportlichkeit ausgerichtet.

Umwelt 2.5 out of 5 stars

Einen gesunden Durst hat er. 7,9 l/100 km sind ein deutliches Argument für einen Kleinwagen. Von nichts kommt halt nichts… Zugegeben, meine im Test offensive Fahrweise ist nicht besonders repräsentativ für den Alltagsverbrauch – oder vielleicht schon? Wer kann dem Fiesta ST schon widerstehen…

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

Die schwarze Folierung, insbesondere die Front, erregt Aufsehen. Dafür, dass der Fiesta ST so konsequent auf Sportlichkeit ausgerichtet ist, sieht das Heck trotz massivem Spoiler und Doppelrohrauspuff aber zu brav aus.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Kräftiger und drehgeiler Motor
+ Schwergängige, präzise und direkte Lenkung
+ Knackiges Getriebe mit kurzen Schaltwegen
+ Torque Vectoring
+ Konsequent hartes Fahrwerk
+ Heisser Preis
+ Auffälliges Design
+ Bequeme Sportsitze mit enormem Seitenhalt
+ Dreistufiges ESP

– Veraltetes Infotainment System mit Knöpfchenflut
– Hoher Testverbrauch
– Teils lasche Verarbeitung und einfache Materialien
– Enger Fond
– Schlechte Übersicht
– Keine Komplettausstattung als Sondermodell

Steckbrief

Marke / ModellFord Fiesta ST Black & White
Preis Basis­modell / Testwagen29'900 CHF / 29'900 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1596 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung158 kW bei 5600 r/min
Max. Drehmoment320 Nm bei 2500 - 4000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,7 s
Vmax234 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5,9 l/100 km / 138 g/km / E
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz7,9 l/100 km / 185 g/km / +34%
Länge / Breite / Höhe3,98 m / 1,71 m / 1,50 m
Leergewicht1211 kg
Koffer­raum­volumen290 - 947 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

3 thoughts on “Ford Fiesta ST Black & White: Der krönende Abschluss”

  1. Dieses Auto gefällt mir und mit dieser Leistung: Wow. Betreffend hoher Verbrauch: Ich fahre einen Alfa Mito QV mit 170 PS und 1.4 l Turbo und der braucht bei “sportlichem Fahrstil” (zwischen 3000 und 5000 Umdrehungen) schnell einmal gegen 9 Liter und so wie der ST geprügelt wurde, gehen die 7.9 Liter völlig in Ordnung, denn Leistung braucht jetzt nun einmal auch Brennstoff, ob das nun ein Zwangsbeatmeter Turbo oder ein 6 Zylinder Sauger ist!
    Gruss Sandro

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