Ford Focus RS: Bad Boy is back

Sie haben es getan. Und wie sie es getan haben. Ford lässt den RS wieder auferstehen. In unserer schönen, neuen Welt, in der scheinbar CO2-Bilanzen die Autowelt regieren, befürchtete ich schon, der Focus ST ist und bleibt das Höchste der Gefühle. Aber Ford gibt Gas. Anscheinend soll uns sogar ein Fiesta RS beglücken, sofern die Gerüchte stimmen, die zur Zeit im Netz die Runde machen. Und obwohl für die Allermeisten ein unerschwinglicher Traum, wird der Ford GT das ultimative Aushängeschild der Marke werden. Für die Entscheidung, diese Sportler zu bauen, bekommt Ford von mir ein dickes Like. Und wisst ihr, wofür Ford noch einen Like bekommt? Dafür dass der Focus RS ein wilder, ungehobelter Kerl ist, der einen Golf R vernaschen würde, wie ich ein Luxemburgerli.

Ich gehe sogar so weit und wage zu behaupten, dass der RS auch einen Mustang zerreissen würde. Es wäre zwar je nach Strecke eine zähe Angelegenheit, aber die vielen Kilos, die das Pony mit sich herumschleppt, würden ihm den Kopf kosten. Ich rede hier übrigens vom V8-Mustang und nicht vom kastrierten Ecoboost. Mit dem könnte der Focus RS spielen, wie eine Katze mit der Maus – und das, obwohl beide denselben Motor unter der Haube haben.

Ford Focus RS
Die Front ist optisch besonders gelungen. Jede Öffnung erfüllt ihren Zweck, nichts ist bloss Show.

Wobei das mit dem Motor nur bedingt stimmt. Im Focus RS wurde er nochmals an diversen Punkten nachgeschärft, unter anderem wurde intensiv am Sound gearbeitet. Kenner wissen, dass der Fünfzylinder im Vorgänger einen herrlichen Klang produzierte. Doch ich kann Entwarnung geben. Auch der neue klingt gut, sogar richtig gut, aber dazu später mehr. Grundsätzlich sind meine Erwartungen sowieso hoch, denn ich erwarte von Ford, dass sie kein Softie auf die Räder stellen (diese Rolle übernimmt bereit der Golf R), sondern ein echtes Männerauto. Ich habe zwar anfangs leicht an ihm gezweifelt, aber am Ende hätte ich den RS am liebsten direkt von Spanien mit nach Hause genommen.

Ford Focus RS
Hinten wirkt er vor allem durch die Lichter eher brav, obwohl der Diffusor zeigt, was man vor sich hat.

Ford wollte mit dem Focus RS einerseits ein uneingeschränkt alltagstaugliches Auto, andererseits einen der heissesten Hot Hatches überhaupt erschaffen. Alltagstauglich deswegen, weil die angepeilte Zielgruppe den Focus RS als einziges Auto und nicht nur als Wochenend-Auto bewegt. Da ich den RS erstmal als Beifahrer erlebe, achte ich sehr auf Federung, Geräuschpegel und Raumgefühl. Ich bin wirklich erstaunt, wie sanftmütig er sich fahren lässt. Er ist zwar straff, aber auf eine angenehme Art und Weise. Ausserdem ist er bei konstanter Fahrt sehr leise. Beim starken Beschleunigen röhrt er zwar, aber bei Weitem nicht übertrieben. Das ist es, worauf Ford eben auch stolz ist: Dass er sich im Normal-Modus fährt wie ein, nun ja, «normales» Auto. Dabei wirkt er aber keineswegs zugeschnürt. Wenn es sein muss, kann er auch im Normal-Modus ordentlich zur Sache gehen, doch dafür sind andere Fahrmodi viel besser geeignet. Da ich diese aber noch nicht ausprobiert habe, keimt in mir schon ein wenig die Befürchtung auf, der jüngste RS-Spross müsse sich zurückhalten, um der breiten Masse zu gefallen. Immerhin wird er in 42 Ländern angeboten und nicht alle sind solche Freaks wie ich.

Ford Focus RS
Der massive Spoiler ist Serie.

Meine Stimmung wird nicht gerade besser, als ich den Innenraum unter die Lupe nehme. Mal abgesehen von den tollen Sportsitzen mit der leider zu hohen Sitzposition und dem griffigen Lenkrad, unterscheidet sich der RS nicht vom braven Focus. Etwas mehr Liebe zum Detail wäre schön gewesen. Ausserdem ist der RS eine ziemliche Plastikwüste. Vor allem zwischen den Sitzen, um die Mittelkonsole und an der A-Säule sollte man besser nicht dagegen klopfen. Beim Stichwort alltagstauglich meint Ford vor allem die fünf Türen. Die ändern aber nichts daran, dass der Focus kein Raumwunder ist. Hinten wird es eng, wenn vorne jemand sitzt, der überdurchschnittlich gross ist. Ausserdem erwähnt Ford mit keiner Silbe, dass der Allradantrieb Kofferraumvolumen kostet und zwar nicht zu knapp. Ich bin sicher, das stört die wenigsten, aber es sollte gesagt sein. Spätestens beim zweiten Kind führt wohl kein Weg mehr am ST Kombi vorbei.

Ford Focus RS
Einen Schönheitspreis gewinnt das Interieur bestimmt nicht. Auch die Haptik überzeugt nicht überall.

Glücklicherweise sind bei mir Kinder noch ganz weit weg und ich darf nun selber ans Steuer. Mir ist die Zeit zu schade, um mich mit dem Normal-Modus aufzuhalten, deshalb bloche ich gleich im Sport-Modus los. Und siehe da, der Focus RS wird plötzlich so giftig, wie seine exklusive Nitrous Blue Lackierung. Das Auto gibt mir sehr schnell sehr viel Vertrauen, sodass ich kaum Angewöhnungszeit benötige. Ab geht die Post. Schön linear dreht der Motor hoch und klingt dabei rau und kernig. Eine grün leuchtende RS-Anzeige im Drehzahlmesser zeigt mir wie in guten, alten Need for Speed Zeiten den perfekten Schaltpunkt an (ca. bei 6000 Umdrehungen). Beim Hochschalten oder schnellem Gaswegnehmen kann ich dem RS ein paar wohldosierte Auspuffknaller entlocken. Das macht Laune!

Ford Focus RS
Die Schalensitze sind optional. Leider lassen sie sich nicht in der Höhe anpassen.

Wie damals beim Mustang Test in der Schweiz steigere ich das Tempo, da mir das Auto perfekte Rückmeldung gibt und sich extrem direkt und hochpräzise fahren lässt. Lang gezogene Kurven, enge Kurven, ineinander verwinkelte Kurven – der RS frisst sie alle, er klebt förmlich auf der Strasse. Mittlerweile rase ich in einem Tempo den Berg hoch, bei dem der Mustang jegliche Traktion verloren hätte und das Heck massiv ausbrechen würde. Ermöglicht werden die immensen Kurventempi durch den perfekten Allradantrieb vom RS, der nicht nur bis zu 70% Drehmoment nach hinten schickt, sondern die Kraft an der Hinterachse stufenlos zwischen den Rädern verteilen kann (Torque Vectoring), sodass er wie von selbst in die Kurve gedrückt wird. So fährt er sich ein bisschen wie ein Auto mit Heckantrieb, aber mit gnadenloser Traktion. Erst an dem Punkt, an dem ich selber vor meinem Tempo Angst kriege, beginnt auch beim RS das Heck leicht mitzuschwenken. Er lässt sich aber leicht wieder einfangen, denn er übersteuert bei weitem nicht so giftig, wie der Mustang.

Ford Focus RS
Zum Glück gibt es auch einen digitalen Tacho, denn der Analoge ist recht unübersichtlich.

Eigentlich bin dem Focus RS bereits verfallen und schwer süchtig nach ihm – dabei bin ich erst beim Zweiten der vier Fahrmodi angelangt. Weiter geht’s mit dem Track-Modus auf der Rennstrecke. Wirklich schärfer als im Sport-Modus ist er allerdings nicht, lediglich das ESP wird lockerer. Jedoch greift es selbst wenn es voll aktiv bloss sehr dezent und erst spät ein. Auf der Rennstrecke lässt es dann grössere Heckschwenker zu und ich staune erneut, wie der RS sich am Asphalt festkrallt. Er ist extrem giftig und gutmütig in einem weil: Er ist brutal schnell und agil aber gleichzeitig sehr einfach zu fahren. Ich bin wirklich begeistert. Ich glaube, ich habe am Anfang des Texts diverse Punkte des Interieurs kritisiert. Aber was hatte ich eigentlich schon wieder kritisiert? Ach, egal. Ich mag mich nicht mit solchen Belanglosigkeiten aufhalten, sondern möchte dem ganzen Spass im vierten Fahrmodus die Krone aufsetzen.

Ford Focus RS
Die blauen Bremssättel sind wie die geschmiedeten Felgen optional. Zu diesen Felgen bietet Ford auch Semi-Slicks Reifen an.

Bereits bei der Burnout-Funktion vom Mustang fragte ich mich, was zum Teufel den Entwicklern dabei durch den Kopf gegangen ist. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass die Ford Ingenieure nach Feierabend irgendwelche fragwürdigen Substanzen zu sich nehmen, die den intellektuellen Horizont massiv erweitern müssen. Liebes Ford-Team, falls ihr herausfinden solltet, was eure Leute rauchen, lasst es mich bitte wissen. So einen Trip möchte ich auch mal haben. Denn wenn man auf einem solchen Trip auf die Idee kommt, einen Drift-Modus zu entwickeln, dann muss sich das ziemlich toll anfühlen. Im Drift-Modus sind das Allradsystem und das ESP darauf ausgerichtet, kontrolliertes Übersteuern zu ermöglichen. Aber was soll ich euch das lang erklären, schaut es doch einfach an.

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Ford hat mich mit dem Focus RS so sehr überzeugt, dass ich fragen musste, wie es eigentlich mit Studentenrabatt aussieht. Dummerweise seien solche Rabatte nicht möglich, sagte man mir. Wirklich doof, ich dachte eigentlich, so 80-90% lassen sich bestimmt rausholen… Es ist krass, was für eine Maschine Ford auf die Räder gestellt hat. Leise und komfortabel, wenn man es gemütlich haben will, oder schnell und krawallig, wenn man Fahrspass möchte. Vergesst meine Kritik über das Interieur und die zu hohe Sitzposition, denn sobald man mit dem RS um ein paar Kurven gebrettert ist, ist es sowas von egal, wie sich die Kunststoffe anfühlen. Sonstige Kritik gibt es nicht. Der Preis ist ab 48’900 Franken genauso heiss wie das Auto und sein Geilheitsfaktor ist so gross wie mein Haben-Will Faktor. Glücklicherweise werde ich im Sommer nochmals eine Woche das Vergnügen haben, um unter anderem den Klausenpass zum Glühen zu bringen. Die Geschichte ist an diesem Punkt noch nicht zu Ende.

Ford Focus RS
In seiner Preisklasse kann dem Focus RS fahrdynamisch keiner das Wasser reichen.

Steckbrief

Marke / ModellFord Focus RS
Preis ab48 900 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder2300 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung257 kW bei 6000 r/min
Max. Drehmoment440 Nm bei 2000 - 4500 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,7 s
Vmax266 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz7,7 l/100 km / 175 g/km / G
Länge / Breite / Höhe4,39 m / 1,82 m / 1,47 m
Leergewicht1599 kg
Koffer­raum­volumen260 - 1045 l

(Bilder: Ford)

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