Jaguar F-Type R Coupé: Hölle auf Strassen

Als stets aufmerksamer Schüler weiss ich noch, was ich im Physik Unterricht gelernt habe. Mein Lehrer pflegte immer zu sagen, dass Energie nie verloren gehen kann, sie wird lediglich umgewandelt. Sinn und Zweck des Verbrennungsmotors ist es seit jeher, dass der Energiegehalt des Treibstoffes in kinetische Energie umgewandelt wird. Das ist grundsätzlich auch beim 5,0-Liter V8 mit Kompressoraufladung im Jaguar F-Type R Coupé nicht anders, doch der F-Type ist so stimmgewaltig, dass man meinen könnte, es wird mehr in akustische, als in kinetische Energie umgewandelt. Ein echter Benzin-zu-Lärm-Konverter, wie er kein zweites mal existiert. Das Jaguar F-Type R Coupé sieht so hinreissend aus, aber es ist böse. Verdammt böse. Teuflisch böse. Es ist die Hölle auf Strassen.

Der F-Type Roadster ist ja bereits eine Augenweide, aber das F-Type Coupé ist einfach nur noch: wow. Eine Aluminium gewordene Schönheit. Wie eine Skulptur, wie aus einem Guss. Ein Traum auf vier Rädern. Der Katzenblick vorne und die lange, geschwungene Haube sind mit dem Roadster identisch. Besonders schön und elegant ist beim Coupé die Dachlinie, die sich nahtlos bis ins Heck zieht. Dass der Knackarsch vom Jaguar F-Type sowieso das zur Zeit heisseste Hinterteil der Automobilwelt ist, liegt nicht nur an seinem infernalischen Sound. Die Proportionen sind schlicht perfekt. Einen Dämpfer erfährt das perfekte Design allerdings mit hochgefahrenem Heckspoiler (automatisch ab ca. 100 km/h), da er auf dem schönen Heck wie eine unpassende Beule wirkt. Ansonsten möchte man das Jaguar F-Type Coupé immer wieder anschauen, es bewundern, es streicheln.

Jaguar F-Type R Coupé
Das Coupé wirkt in weiss fast schon sanft. Eine wahre Schönheit. Mit einer unglaublichen Stimme.

Das Interieur ist natürlich weitgehend mit demjenigen des Roadsters identisch. Allerdings ist sofort ersichtlich, wo eigentlich der Knopf fürs Öffnen des Daches hingehören würde. Der wurde nämlich ersatzlos entfernt, obwohl er über einer kleinen “Ausbuchtung” liegen würde. Dort ist jetzt nichts und der Platz ist so klein, dass nicht mal der Autoschlüssel hineinpasst. Das hätte man eindeutig eleganter lösen können. Zudem ist das Coupé innen überraschend eng; ich empfehle wärmstens, das Panoramadach zu wählen, um das Raumgefühl zu verbessern. Fahrer und Beifahrer werden von der Katze nämlich vollumfänglich umschlungen. Die Performance Sitze sind absolut perfekt, die Verarbeitung dürfte an gewissen Stellen hingegen noch etwas sorgfältiger und liebevoller sein. Der Kofferraum verdient im Coupé mit immerhin 407 Liter Volumen (Roadster: 196 Liter) die Bezeichnung “Kofferraum”, wobei ich eine elektrische Heckklappe in einem Sportwagen absolut überflüssig finde. Das Infotainmentsystem ist nicht immer ganz intuitiv zu bedienen, ausserdem verweigert es die gleichzeitige Verbindung vom Smartphone via USB und Bluetooth. Aber genug gemotzt! Der Startknopf pulsiert schon ungeduldig vor sich hin, die Katze verlangt endlich nach Auslauf. Den soll sie bekommen…

Jaguar F-Type R Coupé
Exzellente Sitze für die beiden Insassen.

Wie die Katze beim Start brüllt und faucht! Das ist sicher eine Drohung an mich, weil ich das Interieur kritisiert habe. Wenn irgendwo ein F-Type gestartet wird, hört man das sofort, der Jaguar macht allen unmissverständlich klar, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ab jetzt bitte nach seiner Pfeife tanzen mögen. Sind die Auspuffklappen manuell geöffnet, würde jede echte Raubkatze voller Ehrfurcht vor dem F-Type niederknien. So schön und, in Polaris White gar ein bisschen – sanft, verletzlich? – der F-Type auch aussehen mag, so teuflisch böse und rau ist seine Stimme. Dass Jaguar für den F-Type die Zulassung erwirken konnte, grenzt für mich nach wie vor an ein Wunder. Das Biest röhrt, brüllt, poltert und faucht so dermassen angriffslustig, dass Ohre und Wände wackeln. Es ist unglaublich laut! Der F-Type ist zwar ein Sportwagen – aber kein anderes Auto bietet innerorts mehr Spass, als es der F-Type bieten kann. Enge Gassen, 30er Zonen? Jederzeit willkommen. Einfach kurz Gas geben und dann im Schubbetrieb dahin rollen lassen, damit der F-Type seinen – man kann es nicht anders nennen – Flüchen freien Lauf lässt. Es kracht und knallt aus den Endrohren, dass man nie mehr 1. August-Feuerwerk kaufen muss. Es scheint, als protestiere das Auto heftigst und mit allen Mitteln dagegen, dass der Dompteur vom Gas gegangen ist.

Jaguar F-Type R Coupé
Der Jaguar F-Type macht sowohl in der Stadt, wie auch auf Landstrassen enorm Spass.

Jenseits des Ortsschildes darf die Katze dann endlich mal nach Herzenslust frei herumbrüllen. Gierig dreht der V8 hoch und schreit dabei aus den Endrohren, als sei der automobile Weltuntergang auf dem Vormarsch. Beim Hochschalten unter Vollast gibts noch eine gepfefferte Fanfare obendrauf, dann geht das fröhliche Gebrüll wieder von vorne los. Aber Vorsicht: Bereits der 2. Gang endet erst bei über 100 km/h. Das ist bei uns auf Landstrassen bereits ein gefährliches Tempo, ausserdem hat man ständig das Gefühl, mit dem infernalischen Gebrüll alle Polizisten im Umkreis von zehn Kilometern anzulocken. Es empfiehlt sich deshalb, den Standort regelmässig zu wechseln oder gleich einen Pass hochzubrettern, wo sich erfahrungsgemäss viele Kühe, aber keine Bullen aufhalten. Wer es sich richtig geben will, stellt den Fahrmodus auf Dynamic und das ESP in den Trac-Modus, wodurch das ganze Auto aggressiver und direkter wird und das Heck gerne mal gröber mitschwenkt. Kein Wunder: Mit 680 Nm auf der Hinterachse liegt jederzeit genügend Kraft zu Grunde, um das Heck zu einem Tänzlein zu bewegen. Das ESP greift jetzt nur noch in kritischen Situationen ein, so dass eine schnelle Reaktion des Dompteurs gefragt ist, wenn die Raubkatze mal wieder ein starkes Eigenleben entwickelt. Selbstredend kann das ESP auch komplett deaktiviert werden. Ich gebe aber offen und ehrlich zu, dass mir persönlich die Katze dann zu gefährlich wäre.

Jaguar F-Type R Coupé
Genau an solchen Momenten ist das Gebrüll furchteinflössend.

Aber der F-Type ist nur auf Knopfdruck und wenn man es provoziert eine Krawallmaschine. Er kann auch sehr sanft und geschmeidig dahinrollen. Der Federungskomfort ist nämlich hoch und das Geräuschniveau tief. Assistenzsysteme für die gemütliche Fahrt gibt es bis auf Tot-Winkel-Warner und Fernlichtassistent allerdings nicht. Man könnte meinen, Jaguar wolle Gewicht sparen – aber mit über 1850 Kilo ist der F-Type sowieso ein echt schwerer Brocken, auch wenn man ihm das vom Fahrverhalten her nicht abkauft. Bei wirklich sanfter und gleichmässiger Fahrt erreicht man gar Verbrauchswerte von unter 10 Liter, was deutlich unterhalb des Normverbrauchs von 11,1 l/100 km liegt. Aber ganz ehrlich, das ganze Auto ist eine fahrende Versuchung höchsten Grades und wer dieser Versuchung widerstehen kann, gehört nicht in einen F-Type. Punkt. Ab und an eine artgerechte Ausfahrt muss einfach sein, damit das Kätzchen zufrieden seine 13,1 l/100 km – soviel waren es bei mir im Test – schlürfen kann. Gefühlt dieselbe Menge Adrenalin und Serotonin fliesst dann allerdings auch durch den Körper, denn F-Type fahren ist ein Erlebnis für alle Sinne: Die Strasse sehen, die Kurven fühlen, das Gebrüll hören. Nach der Fahrt den F-Type riechen und kurz streicheln. Und für den Geschmack gibts die Zigarette danach.

Jaguar F-Type R Coupé
Die Linienführung ist schlicht perfekt.

Das Jaguar F-Type R Coupé ist zwar ein Fest für die Sinne, aber eigentlich schiesst es übers Ziel hinaus. Denn für deutlich weniger Geld bekommt man auch das V6 S Coupé, das annähernd dieselben Fahrleistungen erbringt, die insbesondere in der Schweiz immer noch weit mehr als ausreichend sind. Die R Version ist sozusagen der Dampfhammer: Endlos geil, aber nicht nötig, zumal in den unteren Gängen selbst auf trockener Strasse teilweise erst Traktion gesucht werden und das ESP helfend eingreifen muss. Der nahezu vollständig ausgestattete Testwagen scheint mit 158’530 Franken zwar teuer zu sein, verglichen mit den Preisen von Porsche ist er aber eine sehr attraktive Alternative.
Zwar ist der F-Type nicht ganz so piekfein verarbeitet und er ist nicht ganz so präzise, wie andere Sportwagen. Aber er ist extrem emotional und lässt Gesichter strahlen, wie es kaum ein anderer Wettbewerber kann. So schön und doch so teuflisch laut und böse. Ein Video folgt bald! Das Video findet sich hier.

Alltag ★★☆☆☆

Auch wenn das Jaguar F-Type R Coupé für zwei Personen genügend Stauraum bietet (im Gegensatz zum Roadster), so ist man damit doch recht beschränkt. Ausserdem braucht es bei schlechten Strassenverhältnissen wohl auch bei aktivem Snow Modus einen feinen Gasfuss, wenn so ein gewaltiges Drehmoment auf die Hinterachse einwirkt.

Fahrdynamik ★★★★★

Die Kraft kommt am Kurvenausgang zwar nicht immer zu 100% auf die Strasse, nichsdestotrotz ist der Fahrspass enorm, vor allem, weil mit dem Heck gespielt werden kann. Lenkung, adaptives Fahrwerk und Bremsanlage sind top eingestellt, da alles sehr präzise und feinfühlig reagiert.

Umwelt ★★☆☆☆

13,1 l/100 km verlangte der F-Type im Test, es würde allerdings auch mit weniger gehen. Aber er verleitet den Fahrer einfach, dem wunderbaren Soundspektakel zu lauschen und dafür bedarf es einer nicht ganz so ökologischen Fahrweise. Die Start-Stopp-Automatik arbeitet dafür sehr flink.

Ausstrahlung ★★★★★

Das Jaguar F-Type R Coupé verdreht allen den Kopf. Es gehört zweifelsohne zu den schönsten Autos, die derzeit erhältlich sind. Ein absoluter Traumwagen.

Fazit ★★★★★

+ Lineare Kraftentfaltung dank Kompressor
+ Unglaublich hohe Fahrdynamik, schiebt an, als gäbe es kein Ende
+ Start-Stopp-Automatik reagiert sehr flink
+ Infernalischer Motorsound
+ Klangstarke Meridian Hi-Fi Anlage
+ Atemberaubend schönes Design
+ Geschmeidiges und doch straffes Fahrwerk
+ Präzise und direkte Lenkung
+ Perfekte 8-Gang-Automatik

– Zu hohes Leergewicht
– Umständlich zu bedienendes Mediasystem mit ein paar Schwächen
– Verarbeitung dürfte im Detail hochwertiger sein
– Recht enge Platzverhältnisse
– Kraft kommt nicht immer zu 100% auf die Strasse

Steckbrief

Marke / ModellJaguar F-Type R Coupé
Preis Basis­modell / Testwagen87'900 CHF / 158'530 CHF
AntriebBenzin, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder5000 ccm/ V8
Getriebe 8-Gang-Automatik
Max. Leistung405 kW bei 6500 r/min
Max. Drehmoment680 Nm bei 2500 - 5500 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,2 s
Vmax300 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz11,1 l/100 km / 259 g/km / G
Verbrauch Test / CO2 Emissionen / Differenz13,1 l/100 km / 305 g/km / +18 %
Länge / Breite / Höhe4,47 m / 1,92 m / 1,31 m
Leergewicht1887 kg
Koffer­raum­volumen407 l

(Titelbild: Koray Adigüzel)
(Bilder: Jaguar)

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