Kamoo Smile: Schweizer Elektroroadster

Kann Autofahren mit 50 km/h durch ein Dorf Spass machen? Nein? Bis vor kurzem war ich ebenfalls dieser Ansicht, doch ein besonders radikaler Elektrosportwagen, der es in Sachen Fahrvergnügen ohne weiteres mit dem Tesla Roadster aufnehmen kann, hat mich eines besseren belehrt. Und das Überraschende ist, dass er in der Schweiz entwickelt und konstruiert wurde. Vorhang auf für den Kamoo Smile Roadster!

…?
Viele dürften im ersten Moment, nachdem sie den Smile gesehen haben, sprachlos sein, das habe ich während der Testfahrt selber erlebt. Kein Wunder: mit dem, was man gemeinhin als Auto bezeichnet, hat der Smile nicht besonders viel gemeinsam. Das Design wirkt wie aus längst vergangenen Jahrzehnten, er ist sehr klein ( 250x140x110 cm) und man findet ihn entweder hässlich oder herzig. Parkplatzprobleme gehören mit diesen Massen auf jeden Fall der Vergangenheit an. Die Scherentüren sind wie beim Schmalspurmodell Renault Twizy Z.E. optional, das Dach kann man wegnehmen, da der Smile allerdings bloss einen Gepäckträger wie beim Velo und keinen Kofferraum bietet, muss das Dach zu Hause bleiben. Da man aber sowieso keine grossen Ausflüge unternehmen kann, sollte ein überraschender Wetterumschwung keine Sorge darstellen. An der Front leuchten ein paar unpassende, aber zeitgemässe LED Tagfahrlichter. Alles in allem wirkt der Smile wie ein Mini-Offroader ohne Dach, der zu tief geraten ist. Die gesamte Karosserie besteht aus recyclebaren Materialien.

Im Inneren dieses Wagens findet man wirklich nur das allernötigste: Ein Lenkrad ohne Airbag, zwei nicht verstellbare Sitze – dafür sind die Pedale längs verstellbar – zwei Sicherheitsgurte, die auf der anderen Seite sind, als man es sich gewohnt ist (in der Fahrzeugmitte anstatt an der B-Säule), ein Display, welches Reichweite, Geschwindigkeit etc. anzeigt und ein Gebläse. Fertig. Allerdings gibt es optional sogar noch eine Innenraumbeleuchtung. Das Auto wirkt so nackt, als ob es nicht fertiggestellt wäre.

Der Kamoo Smile wurde konzipiert, um Spass zu haben. Er ist weniger dafür geeignet, um von A nach B zu kommen und schon gar nicht für Transporte. Das Leergewicht beträgt phänomenale 450 Kilo und der 30 kW Elektromotor katapultiert den Smile mit seinen 124 Nm ohne Probleme nach vorne. Der Strom aus dem 8.4 kWh Akku reicht für bis zu 100 Kilometer, optional gibt es auch einen Akku, der für 200 Kilometer reicht.
Der Antritt ist extrem stark, erst ab etwa 60 km/h lässt der Schub spürbar nach. Dafür ist die Fahrt bereits innerorts mit bescheidenen 50 km/h äusserst aufregend. Durch die ungewöhnlich tiefe Sitzposition, sowie das Nichtvorhandensein von Türen und Dach fühlt man sich der Strasse sehr nahe, so dass einem 50 km/h auf einmal ziemlich schnell vorkommen. Ausserorts bei 80 km/h muss man sich ganz schön auf die Lenkung konzentrieren. Und als ich den Smile auf 100 km/h beschleunigt habe, hatte ich das Gefühl, als ob ich gleich abheben würde.
Der Smile unterstützt seinen Fahrer praktisch in keiner Weise. Er bietet keinen Bremskraftverstärker, kein ABS, kein ESP, keine Servolenkung und schon gar nicht irgendwelchen Luxus wie beispielsweise einen schnöden Regensensor. In diesem Auto fährt man wirklich noch selber, ohne irgendwelche Unterstützung. Das Bremspedal ist daher am Anfang ungewohnt hart, aber man gewöhnt sich schnell daran. Beim Bremsen wird automatisch rekuperiert, wie bei Elektrofahrzeugen üblich. Die Fahrt im Smile erlebt man als Go-Kart fahren auf offener Strasse, die Lenkung ist unglaublich direkt und das Fahrwerk so knochentrocken, dass bei regelmässiger Benutzung der Gang zum Orthopäden droht.
Was einem der Smile jedoch nicht geben kann, ist ein Gefühl von Sicherheit. Wenn mir jemand zu nah hinterher fuhr, dass ich seinen Motor regelrecht im Nacken hatte, fühlte ich mich schon ziemlich bedrängt. Ein Audi, der mir auf der geraden Strecke am Arsch klebte, habe ich dafür anschliessend auf einer engen, kurvenreichen Strasse mit Tempolimit 60 aus dem Rückspiegel verloren…

Was einem der Smile dafür beschert (ausser dem Smile im Gesicht natürlich ;-)), ist maximale Aufmerksamkeit. Fussgänger starren einem an, stellen Fragen. An der Ampel lassen andere Fahrer ihre Fenster runter, um ebenfalls ungläubig Fragen zu stellen. Wer nicht gerne auffällt, sollte also lieber die Finger von diesem sonderbaren Auto lassen.
Ansonsten ist der Smile wohl dazu da, um als Zweitwagen die Strassen unsicher zu machen. Der Preis beginnt bei 29’980 CHF zuzüglich 229.65 CHF Akkumiete pro Monat ohne Kilometerbeschränkung. Die Mindestvertragsdauer liegt bei 36 Monate, total würde der Spass also 38’247.40 CHF kosten. Man kann sich den Smile auch inkl. Akku ohne Vertrag für 39’980 CHF kaufen.
Der Preis mag für so ein kleines Auto sehr happig erscheinen, allerdings kriegt man für das auch ein unvergleichliches Fahrgefühl.

(Bilder: Koray Adigüzel)

3 thoughts on “Kamoo Smile: Schweizer Elektroroadster”

  1. Cooler Beitrag über unseren Smile – Merci! – aber ganz so alles selber machen muss FahrerIn nicht: Der Tempomat! – nicht nenutzt? Mit einem Finger den Scheibenwischer-Stock nach hinten gezogen, und der der Smile hält die aktuelle Geschwindigkeit bis zur nächsten Pedalberührun. UNd das Gebläse ist übrgens auch eine Heizung!
    Sonnige Grüsse, Martin

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    • Danke für das Lob – dass der Smile über einen Tempomat verfügt, habe ich in den Spezifikationen gelesen, leider habe ich ihn im Auto dann nicht gefunden.
      Aber ich habe ihn nicht vermisst, denn jede Bewegung im Smile macht Spass! 😉

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  2. Sehr treffende Beschreibung.
    Seit ich ihn habe (5 Jahre) hatte ich nur einmal ein Problem. Batterietemperatursensor – da ging dann praktisch nichts mehr. War aber schnell geflickt.
    In der halbfertigen Betriebsanleitung stand nichts von Tempomat. Vielleicht gibt es aber jetzt eine fertige …..

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