Lexus NX 300h F Sport: Das Hybrid Biest

Der Lexus NX erinnert mich an die Story vom Range Rover Evoque, der im Jahr 2010 als Range Rover LRX Concept präsentiert wurde. Ein absolut hinreissendes SUV, aber leider nur eine Studie, dachte ich. Ein Jahr später kommt das Teil tatsächlich als Serienauto – und sieht wirklich so aus, wie das Concept Car. Lexus zeigte 2013 das Concept Car LF-NX, ein SUV, so brachial und kantig wie ich noch nie zuvor ein SUV gesehen habe.

Lexus LF-NX
Die Basis vom NX: Das Concept Car LF-NX. (Bild: Lexus)

Ich dachte, der kommt bestimmt niemals so auf die Strasse. Aber Lexus hat das Monstrum eiskalt gebaut und bietet ihn jetzt als Premium-SUV NX 300h an – natürlich mit Hybridantrieb. Aber passt der brave Antrieb mit der martialischen Optik zusammen?

Mein Testwagen fährt glücklicherweise als F Sport vor, denn nur in der Sportvariante erinnert das Design sehr stark an die LF-NX Studie. Der dreidimensionale Diabolo Kühlergrill verfügt über solch ausufernde Dimensionen, dass man meinen könnte, Kleinstwagen könnten ihm zum Opfer fallen.

Lexus NX 300h F Sport
Kantig, zerklüftet und äusserst aggressiv wirkt der NX aus dieser Perspektive.

Dann der Blick. Den bösen Blick können ja mittlerweile fast alle, aber der Lexus blickt nicht bloss böse in die Welt. Wenn er nachts auf einen zurollt, scheint es, als sei ein Untergrund-Monster unterwegs. Kleine Kinder würden von diesem scharfen Blick und dem Monsterschlund wahrscheinlich traumatisiert. Der brachiale Look lässt hinter der A-Säule zwar etwas nach, aber trotzdem ist das Design vom NX mit seiner coupé-artigen Fensterlinie, den markanten Sicken in der Seitenlinie und den intensiven Rücklichter, die selbst im ausgeschaltenen Zustand Rot zu leuchten scheinen, sehr auffällig. Ich persönlich finde es jedenfalls toll und auch mutig von Lexus, dass sie dieses Design so durchgezogen haben. Ohne das F Sport Package sieht insbesondere die Front weniger diabolisch aus, aber auch als «braver» SUV hat er immer noch eine eigenwillige und ausdrucksstarke Optik.

Lexus NX 300h F Sport
Das Heck wirkt weniger brachial. Die Rücklichter sind sehr auffällig.

Der Innenraum ist schon deutlich weniger experimentell als das Aussendesign. Zwar ist das Cockpit auf den ersten Blick verwirrend, weil es viele Knöpfe gibt, aber das ist typisch für Lexus. Nach kurzer Zeit findet man sich zurecht und erfreut sich am hoch oben positionierten Display, der ebenfalls weit oben positionierten Klimasteuerung und – jetzt kommt’s – dem neuen Touchpad zur Bedienung des Infotainmentsystems. Das Touchpad funktioniert haargenau gleich wie bei einem Laptop (Rechtsklick fehlt), ist intuitiv und ermöglicht die blinde Bedienung von Navi, Musik und Sonstigem. Ebenfalls speziell ist die induktive Ladefläche, die auch Jeep im Cherokee anbietet. Noch ist die Auswahl an kompatiblen Smartphones allerdings sehr dürftig.

Lexus NX 300h F Sport
Die induktive Ladefläche ist zukunftsweisend.

An das Ambiente im NX kann man sich gut gewöhnen. Alles ist liebevoll verarbeitet und wirkt sehr hochwertig, da stehen die Japaner den Deutschen in nichts nach. Im NX F Sport sitzt man in exzellent ausgeformten Sportsitzen, die Langstreckentauglichkeit und prima Halt vereinbaren – gar nicht typisch für ein SUV. Auch im Fond steht den Passagieren genügend Raum zur Verfügung, trotz Panoramadach und Akku. Der Kofferraum geizt ebenfalls nicht und stellt ein Volumen von 555 – 1600 Liter zur Verfügung.

Lexus NX 300h F Sport
Edel verarbeitetes Cockpit mit vielen Knöpfen.

Während Lexus beim Aussendesign und dem Bedienungskonzept neue, erfreuliche Wege geht, sitzt unter der Haube bewährte Kost. Der Hybridantrieb, bestehend aus einem 2,5-Liter Benziner und zwei E-Motoren (einer an der Vorderachse, einer an der Hinterachse), ist praktisch derselbe wie aus der Limousine IS, nur dass dort die gesamte Kraft an die Hinterachse gelangt. Der NX ist somit ein Allradler (Lexus nennt den Allradantrieb E-Four), wobei sein Allradantrieb nur für schwierige Strassenverhältnisse und allenfalls Feldwege konzipiert ist, der NX versteht sich kein bisschen als Offroader.

Lexus NX 300h F Sport
Ein portabler Spiegel ist im Lexus NX ebenfalls dabei. Frauen werden dieses Accessoire sicher zu schätzen wissen!

Beim Getriebe setzt Lexus ebenfalls nach wie vor auf das stufenlose Getriebe. Der Antrieb wirkt sehr harmonisch, solange man gelassen unterwegs ist. Das Fahrwerk mit variabler Aufhängung verwöhnt mit einem sehr hohen Federungskomfort und geringer Seitenneigung, die Lenkung setzt Lenkimpulse präzise und direkt um. Solange man das Gaspedal respektvoll behandelt, ist man mit dem NX ausgesprochen leise unterwegs, vor allem auf der Autobahn fällt der niedrige Geräuschpegel an Bord positiv auf. Der entspannte Gleiter schlechthin, der im Eco-Modus sogar noch souveräner wirkt, weil das Getriebe mit Ausnahme des Kickdowns keine starke Beschleunigung zulässt.

Lexus NX 300h F Sport
Das Powermeter verwandelt sich im Sport Modus in einen Drehzahlmesser.

Dass der NX das F Sport Label spazieren fährt, ist nämlich pure Augenwischerei – wenn auch eine gelungene, wenn ich an die Optik denke. Das einzig sportliche am NX sind die Sitze und allenfalls noch die Lenkung. Das Geheule aufgrund des Getriebes bei einer sportlichen Ausfahrt am Berg ist einfach mühsam, zumal der Schub angesichts einer Systemleistung von 145 kW doch zu wünschen übrig lässt. Im NX findet sich auch ein Sound Symposer, welcher einem sportlichen Motorensound vorgaukelt. Das einzig Gute an diesem Teil ist, dass es sich abschalten lässt. Was einem da via Lautsprecher um die Ohren gehauen wird, grenzt an Folter, da ist das Geheule vom Motor bei Vollgas eine wahre Wohltat dagegen.

Lexus NX 300h F Sport
Das Touchpad ist bisher einzigartig. Es ermöglicht eine Laptop-ähnliche Bedienung des Infotainmentsystem. Unten links: Die Schlaufe, um den portablen Spiegel herauszuziehen.

Zwar hängt der Wagen im Sport S Modus gut am Gas, aber das Auto wirkt gequält, die Kraft kommt nicht so wie gewünscht auf die Strasse. Lexus bietet zwar auch Schaltpaddels an, womit man selber durch sechs virtuelle Gangstufen switchen kann, aber das ändert praktisch nichts am zähen Beschleunigungsverhalten, den manuellen Modus kann man sich daher schenken. Als F Sport steht gar noch ein Sport S+ Modus zur Wahl, aber auch der bringt’s nicht, da kaum ein Unterschied zum normalen Sport S Modus auszumachen ist. Schlimmer, ja fast schon bedenklich, finde ich die grobe Tendenz zum Untersteuern beim starken Beschleunigen aus der Kurve. Auch bei harten Bremsungen mit ABS-Einsatz verhält sich der NX nicht besonders stabil, das ESP muss eingreifen. Das führt dazu, dass mir der XN trotz feinfühliger und präziser Lenkung sowie einem im Sport Modus recht strammen Fahrwerk nicht sonderlich vertrauenserweckend vorkommt, wenn ich mit einem gewissen Tempo auf kurvenreichen Strecken unterwegs bin.

Lexus NX 300h F Sport
Der Diabolo-Grill ist Bestandteil der F Sport Ausstattungslinie.

Einverstanden, man kann mir nun vorwerfen, dass ich ein Hybrid-SUV mit knapp zwei Tonnen Leergewicht als Rennmaschine missbraucht habe. Mag sein, aber ich wollte wissen, wie viel F Sport wirklich im NX drin steckt. Die Antwort: So gut wie gar nichts. Aber immerhin ist der Verbrauch nicht ausufernd. Zwar sind 7,5 l/100 km deutlich über dem Norm-Wert von 5,3 l/100km, aber dafür, dass der NX getreten wurde und viel auf der Autobahn unterwegs war, ist dies ein akzeptabler Wert. Ab Frühling ist der NX auch als 200t mit einem 2,0-Liter Turbobenziner (175 kW, Aufpreis zum Hybrid: 2400 CHF)  erhältlich. Möglicherweise fährt sich dieser dank konventionellem Automatikgetriebe spritziger. Es bleibt aber die Frage, wie es um die Kurvendynamik steht. Viel leichter ist nämlich auch der reine Benziner nicht. Vielleicht gibt es zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten Test mit dem Benziner…

Lexus NX 300h F Sport
Die Fensterlinie ist recht schmal und stark abfallend.

Wer also nicht zwingend darauf aus ist, mit dem Diabolo-Kühlergrill Kleinkinder in Angst und Schrecken zu versetzen, sollte auf die F Sport Line verzichten und stattdessen die Top-Variante Excellence wählen. Annehmlichkeiten, wie die Surround View, Tot-Winkel-Warner und Mark Levinson Soundsystem, bleiben nämlich der höchsten Ausstattungslinie vorbehalten. Da sich der NX nicht als Sportler versteht, erscheint es mir sinnvoll, auf Sportsitze und sportlichen Look zu verzichten und dafür das volle Komfortprogramm zu ordern. Schliesslich macht der NX auch ohne die F Sport Optik eine äusserst attraktive Figur, er wirkt lediglich ein wenig zahmer.

Lexus NX 300h F Sport
Der Hybrid-Antrieb ist nichts Neues. Ein Plug-in Hybrid wäre eigentlich angebracht…

Der Testwagen inkl. Sonderausstattung kostet 83’200 Franken, die Luxus-Variante Excellence ist ab 82’100 Franken erhältlich, die Basisversion mit Frontantrieb (die eh niemand will und einfach den Basispreis drücken soll) gibt’s ab 52’800 Franken. Aufgrund meines Fokus auf die F Sport Ausstattungslinie ist der NX teils hart kritisiert worden. Trotzdem möchte ich klar stellen, dass der NX 300h ein erstklassiges SUV ist – und preislich erst noch attraktiver als die Deutsche Konkurrenz. Wer sich mit dem Hybridantrieb und vor allem dem stufenlosen Getriebe anfreunden kann, sollte den NX als gelungene Alternative in Betracht ziehen. Auch wenn er als F Sport teuflisch böse aussieht: eigentlich ist er mit seinem Hybridantrieb ein ganz braver Bursche.

Lexus NX 300h F Sport
Coole Optik dank F Sport, aber sportlich ist das SUV bei weitem nicht.

Alltag 5 out of 5 stars

Der Lexus NX bietet viel Raum, ohne für die City zu gross zu sein. Ohnehin fährt es sich mit dem Hybridantrieb in der Stadt sehr angenehm. Die Übersicht ist mässig, aber die Rückfahrkamera schafft Abhilfe. Mühsam ist die elektrische Heckklappe, die sehr langsam öffnet und schliesst. Dafür lässt sich ein maximaler Öffnungswinkel abspeichern.

Fahrdynamik 3 out of 5 stars

Die aggressive Optik schürt Erwartungen, die das SUV bei weitem nicht erfüllen kann. Lenkung und Gasannahme sind direkt, auch das Fahrwerk ist fein ausbalanciert. Jedoch trübt das stufenlose Getriebe die Sportlichkeit. Bedenklich finde ich die starke Tendenz zum Untersteuern und das unruhige Verhalten bei harten Bremsmanövern.

Umwelt 4 out of 5 stars

Ein Verbrauch von 7,5 l/100 km ist jetzt nicht das Gelbe vom Ei für einen Hybrid, aber es war kalt und der NX wurde teilweise recht durch die Strassen gescheucht, daher ist mein Testverbrauch ein akzeptabler Wert, der sicherlich Potential nach unten hat.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Schön, dass Lexus sich getraut hat, ein extrovertiertes SUV auf die Strasse zu bringen. Für mich wirkt der NX mit seiner teils zerklüfteten Optik wie eine Skulptur, ein Kunstwerk.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Sehr gute Geräuschdämmung
+ Harmonischer Antrieb
+ Grosszügige Platzverhältnisse
+ Innovative und intuitive Bedienung via Touchpad
+ Feinfühliges Fahrwerk
+ Direkte und präzise Lenkung
+ Einzigartiges, mutiges Design
+ Edle Materialien, hochwertige Verarbeitung
+ Akzeptabler Verbrauch
+ Fairer Preis

– Grobe Tendenz zum Untersteuern
– Unruhiges Verhalten bei harten Bremsungen
– Gewisse Ausstattungen nur in der höchsten Ausstattungslinie erhältlich
– Katastrophaler Sound Symposer (abschaltbar)
– Stufenloses Automatikgetriebe sorgt für zähe Beschleunigung

Steckbrief

Marke / ModellLexus NX 300h F Sport
Preis Basis­modell / Testwagen52'800 CHF / 83'200 CHF
AntriebBenzin-Hybrid, Allrad
Hubraum / Zylinder2494 ccm / R4
GetriebeStufenloses Automa­tik­ge­triebe (E-CVT)
Max. Leistung (Hybridsystem)145 kW
Max. Drehmoment270 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h9,3 s
Vmax180 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5,3 l/100 km / 123 g/km / B
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz7,5 l/100 km / 174 g/km / +42%
Länge / Breite / Höhe4,63 m / 1,85 m / 1,65 m
Leergewicht1935 kg
Kofferraumvolumen555 - 1600 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

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