Mazda 6: Der Schönling aus Fernost

Schönheit muss leiden – normalerweise, jedoch nicht beim Mazda 6, der unter seinem verführerischen Blechkleid viel Platz für Passagiere und Gepäck bietet und somit einen bemerkenswerten Spagat schafft. Ebenfalls bemerkenswert ist der Weg, den Mazda geht, um den Spritverbrauch zu senken. Entgegen des herrschenden Downsizing-Trends geht der Japaner mit einem 2,2-Liter Diesel an den Start, der aber über eine niedrige Verdichtung verfügt. Natürlich verfügt der Mazda 6 über typische, japanische Tugenden, unter anderem nämlich clevere Details im Innenraum oder eine zweiseitige Preisliste, was bedeutet, dass das Meiste als Serienausstattung inklusive ist. Der Mazda ist eine fahrende Kampfansage an die deutschen Hersteller, die sich für gewöhnlich jede noch so kleine Annehmlichkeit extra bezahlen lassen.

KODO – Soul of Motion, so nennt Mazda seine aktuelle Designsprache, welche die Dynamik von wilden Tieren symbolisieren soll. Von vorne wirkt der Mazda 6 geduckt und angriffslustig, hinten betonen die Heckleuchten die Breite. Sogar von hinten hat der Mazda 6 einen bösen Blick! Die Seitenlinie gefällt durch die abfallende Fensterlinie und der markanten Sicke, die sich vom vorderen Kotflügel in die Vordertür zieht und wie ein angespannter Muskel aussieht. Design ist zwar grundsätzlich Geschmackssache, aber meiner Meinung nach deklassiert der Mazda 6 Sports Wagon die anderen Kombis aus Japan, wie etwa den Toyota Auris oder den Honda Civic, deutlich.
Die schöne Form geht aber keineswegs zu Lasten des Platzangebotes im Interieur. Sowohl vorne, wie auch hinten reist es sich angenehm luftig. Im Fond hat der Dachhimmel sogar eine Wölbung für mehr Kopffreiheit. Diese Wölbung ist von aussen selbstverständlich nicht zu sehen. Die straff gepolsterten Vordersitze bieten guten Seitenhalt bei gleichzeitig hohem Komfort. Schade finde ich, dass der Beifahrersitz keine Höhenverstellung hat. Sogar richtig nervig ist die verschiebbare Armlehne in der Mitte, die bereits bei kleinen Ellbogenbewegungen wieder zurück rutscht. Ein stärkerer Einrastpunkt wäre wünschenswert. Die Instrumente sind übersichtlich und gut abzulesen, allerdings wirkt das kleine Monochrom-Infodisplay rechts neben den Instrumenten aus der Zeit gefallen. Es verfügt über keine Gliederung und kann nicht mehrere Informationen gleichzeitig anzeigen, ausserdem ist die Auflösung schlecht. Auch der Touchscreen in der Mitte ist zu klein und nicht sehr hoch aufgelöst, zudem wirkt die Kartendarstellung etwas altbacken. Dafür ist die Bedienung einfach, auch, weil Mazda zwei Bedienungsmöglichkeiten offeriert: Via Touchscreen oder Dreh-Drück-Regler in der Mittelkonsole.
Der Kofferraum sieht zwar subjektiv gesehen gross aus, aber sein Volumen von 522 Liter wird teilweise sogar von Kompaktkombis übertroffen. Die 60:40 teilbare Rückbank lässt sich mit einem Handgriff umlegen, wodurch eine beinahe ebene Ladefläche entsteht, wodurch 1648 Liter rein passen, dies wiederum ist ein guter Wert. Schienen oder ähnliches zur Fixierung von Gepäckstücken bietet der Mazda allerdings nicht, dafür zwei praktische Rollos. Eines, um den Gepäckraum abzudecken, das sich ausserdem in der Heckklappe fixieren lässt, so dass es sich beim Öffnen automatisch mithebt. Das andere lässt sich hinter der Rückbank hochziehen und am Dach fixieren. Alles ist mit wenigen Handgriffen einsatzbereit.

Unter der Haube vom Mazda werkelt ein verhältnismässig grosser 2,2-Liter Diesel. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend geht Mazda nicht dem Downsizing nach, sondern lässt den Diesel mit einer niedrigen Verdichtung von 14:1 arbeiten. Dadurch steigert sich die Effizienz der Dieselverbrennung, so entstehen massiv weniger Stickoxide sowie andere ungesunde und umweltgefährdende Gase, was bedeutet, dass der Diesel die Euro-6-Abgasnorm erfüllt und in Verbindung mit dem 6-Stufen Automatikgetriebe 4,9 l/100 km verbrauchen soll. Das ist für ein Auto dieser Grösse wirklich wenig und der Diesel ist überhaupt kein Kind von Traurigkeit, wuchtet er doch beachtliche 420 Nm auf die Kurbelwelle und dreht bis knapp 5000 Umdrehungen pro Minute.
Papier und Strasse sind manchmal allerdings zwei weit entfernte Welten, daher wird es Zeit, dies für den Mazda 6 zu überprüfen und den Skyactiv-Diesel zu starten, der erstmal ordentlich Krach macht. Über 1500 Umdrehungen beträgt die Leerlaufdrehzahl unmittelbar nach dem Start, die allerdings sehr schnell abfällt. Trotzdem gibt sich der Motor anfangs überhaupt keine Mühe, sein Verbrennungsgeräusch zu unterdrücken. Nach nur kurzer Zeit kehrt dafür angenehme Ruhe ein, denn sobald sich der Selbstzünder aufgewärmt hat, ist er sehr leise. Es ist ein Genuss, das hohe Drehmoment auszukosten, denn der Motor beschleunigt nicht nur zügig, er klingt für einen Diesel sogar ziemlich kernig. Das Automatikgetriebe steht trotz fehlendem Sportmodus einer sportlichen Ausfahrt nicht im Weg, es wechselt seine Gänge zwar nicht ganz so schnell wie ein DSG, aber es ist flink genug. Wer will, kann sich mit den Paddels auch selber durch die Gänge zappen, das Ansprechverhalten des Getriebes ist allerdings dasselbe, wie im Automatikbetrieb. Einen kleinen Dämpfer erfährt die Fahrfreude aufgrund der weichen Lenkung, die nicht gerade ein Ausbund an Präzision und Rückmeldungsintesität ist. Das ist doppelt schade, denn das Lenkrad ist angenehm klein und handlich, ausserdem ist das Fahrwerk ist leicht sportlich ausgelegt und hält den nur 1551 Kilo schweren Kombi auch in schnellen, lang gezogenen Kurven schön gerade und stabil in der Spur. Mazda hat beim Fahrwerk überhaupt einen guten Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort getroffen. Eine Sänfte ist der Mazda beim Abrollkomfort nicht – alleine schon wegen den 19-Zöllern. Ich würde eher von einer gesunden Härte sprechen, die den Abrollkomfort auf der Autobahn auch auf längeren Strecken auf einem erträglichen Niveau haltet. Auf der Autobahn punktet der Mazda des Weiteren mit Spurhaltessistent, Tot-Winkel-Warner und Abstandstempomat. Dabei ist mir positiv aufgefallen, dass die Systeme auch bei starkem Regen einwandfrei und zuverlässig funktionieren. Um Sprit zu sparen, hat Mazda das Bremsenergierückgewinnungssystem (was für ein Wort…) i-ELOOP entwickelt. i-ELOOP speichert die beim Bremsen gewonnene Energie in einem Kondensator, da dieser effektiver lädt als eine herkömmliche Batterie. Der Strom wird anschliessend verwendet, um die elektrischen Nebenverbraucher zu betreiben und die Batterie zu schonen, was letztendlich Kraftstoff spart. Dieses System senkt den Verbrauch hauptsächlich im städtischen Verkehr oder allgemein bei hohem Verkehrsaufkommen mit unregelmässigem Tempo. Bei freier Fahrt auf der Autobahn ist es mangels Bremsmanövern wirkungslos. Der Testverbrauch inkl. der einen oder anderen sportlichen Ausfahrt lag zwar mit 6,8 l/100 km deutlich über der optimistischen Werksangabe von 4,9 l/100 km, aber ein erreichter Wert von 5,8 Liter zeigt, wozu der Mazda fähig sein kann.

Die Preise für Mazdas Flaggschiff beginnen bei 31’600 CHF, der vollausgestattete Testwagen kostet 51’451 CHF, was auf den ersten Blick nach viel aussieht, sich aber angesichts der Fahrzeuggrösse und der gebotenen Ausstattung schnell wieder relativiert. Der Mazda positioniert sich nämlich gegen die deutschen Platzhirsche BMW 3er, Audi A4 und Mercedes C-Klasse, und die lässt er preislich alle links liegen. Zwar bieten die Deutschen erweiterte Optionen zur Individualisierung und gegen teils happige Aufpreise noch umfangreichere Ausstattung als der Mazda 6 an. Das Verhältnis von Ausstattung und Technik zum verlangten Preis stimmt bei Mazda aber voll und ganz. Er könnte zwar bei gewissen Details noch etwas Feinschliff vertragen, aber er bietet sich trotzdem als äusserst attraktive Alternative in der Mittelklasse an – und zwar nicht nur optisch.

Alltag ★★★★★

Ein guter Mix aus Komfort und Sportlichkeit, viel Platz und Assistenzsysteme machen den Mazda zum perfekten Begleiter für alle, die nicht extreme Sportlichkeit oder extremes Kofferraumvolumen suchen. Ausserdem überzeugt er im Innenraum durch Übersichtlichkeit und einfacher Bedienung.

Fahrdynamik ★★★★☆

Der 2,2-Liter Diesel bietet ordentlich Dampf und das Fahrwerk unterstützt eine sportliche Fahrweise ohne Murren. Lediglich die weiche, etwas indirekte Lenkung schmälert bei kurvenreichen Strecken die Fahrfreude. Das Automatikgetriebe schaltet fix, dürfte im manuellen  Modus aber noch einen Tick mehr Aggressivität an den Tag legen, wo sich die Schaltwippen doch schon so hochwertig anfühlen und zum Bedienen einladen.

 Umwelt ★★★★★

Ohne aufwändige Abgasnachbearbeitung erreicht Mazda durch das niedrige Verdichtungsverhältnis, dass der Diesel die Euro-6-Abgasnorm erfüllt. Der Testverbrauch liegt zwar weit von der Werksangabe entfernt, ist aber für ein Auto dieser Grösse immer noch akzeptabel. Bei ruhiger Fahrt sind weniger als sechs Liter Verbrauch möglich, was klar für das Sparpotential vom Mazda 6 spricht.

Ausstrahlung ★★★★★

Der Titel spricht Bände. Mazdas Kombi ist wirklich eine Augenweide, der sein grosses Platzangebot äusserst attraktiv verpackt. Der Japaner hat eine sehr schöne, spannende Linienführung.

Fazit ★★★★★

+ Bremsenergierückgewinnungssystem i-ELOOP
+ Hohe Verarbeitungsqualität
+ Grosszügige Ausstattung
+ Sehr bequeme und gut stützende Sitze
+ Einwandfreie Ergonomie
+ Ausgewogenes Fahrwerk
+ Assistenzsysteme im Angebot
+ Sparsamer, sauberer und kräftiger Dieselmotor
+ Sehr attraktives Design

– Kofferraumvolumen bei aufrecht stehender Rückbank unterdurchschnittlich
– Pixeliges Infodisyplay
– Kleines, ebenfalls nicht sehr scharfes Navidisplay
– Weichte, etwas indirekte Lenkung
– Instabile Mittelarmlehne

Steckbrief

Marke / ModellMazda 6 Skyactiv-D 175
Preis Basis­modell / Testwagen31'600 CHF / 51'451 CHF
AntriebDiesel, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder2191 ccm / R4
Getriebe6-Gang-Automatik
Max. Leistung129 KW bei 4500 r/min
Max. Drehmoment420 Nm bei 2000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h8,6 s
Vmax215 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz4,9 l/100 km / 129 g/km / B
Verbrauch Test / CO2 Emissionen6,8 l/100 km / 179 g/km
Länge / Breite / Höhe4,80 m / 1,84 m / 1,48 m
Leergewicht1551 kg
Koffer­raum­volumen522 - 1648 l

(Bilder: Mazda)

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