Ästhetischer Athlet: Der neue Mercedes-Benz SL

SL – Sportlich leicht, zwei magische Buchstaben, welche nunmehr seit 60 Jahren Autos prägen, von denen man sich in Acht nehmen sollte. Spätestens dann, wenn noch das Kürzel AMG dranhängt, sollte man Respekt vom schwäbischen Kultroadster haben.
Jetzt wurde die bereits seit zehn Jahren bestehende Generation in die verdiente Rente geschickt, während der neuste Spross ab sofort durch die Kurven jagt. Der neueste SL, der hierzulande für mindestens 124’800 CHF den Besitzer wechselt, glänzt durch viel Luxus und Assistenzsysteme.

Ob dieser Preis gerechtfertigt ist, darüber kann man sich endlos streiten. Fest steht, dass der jüngste SL ein technisches Meisterstück ist. Erstmals in seiner Geschichte erschafft Mercedes-Benz ein serienmässiges Auto mit einer kompletten Aluminiumkarosserie. Resultat? Bis zu 140 Kilo Gewichtseinsparung, je nach Motorisierung. Weniger Gewicht bedeutet erhöhte Dynamik, welche bei einem Sportwagen natürlich eine Kerneigenschaft darstellt. Diese wurde jetzt wieder mehr ins Zentrum gerückt, da der SL in den letzten Jahren wegen gesteigerten Komfort- und Sicherheitsansprüchen annähernd zwei Tonnen Leergewicht mit sich herumgeschleppt hat. Dennoch sind es jetzt mit 1685 Kilo in der leichtesten SL 350 Variante immer noch recht viel, zumindest verglichen mit den 1180 Kilos vom Toyota GT 86, der sich im Gegensatz zum Luxus des SL aufs nötigste beschränkt.
Den neuen Stern im Mercedes Angebot gibt es als SL 350 (V6, 306 PS, 6.8 Liter/100 km, ab 124’800 CHF), als SL 500 (V8, 435 PS, 9.1 Liter/100 km, ab 156’100 CHF), sowie als SL 63 AMG (V8, 537 PS, 9.9 Liter/100 km, ab 211’700 CHF). Alle Motorisierungen sind bei 250 km/h elektronisch abgeriegelt und ausschliesslich mit einer 7-Gang Automatik erhältlich, die AMG Version lässt sich gegen Aufpreis und nach einem selber zu bezahlenden Fahrtraining bei 300 km/h abriegeln. Die Preise sind natürlich mit Vorsicht zu geniessen, denn die optionalen Pakete und Optionen sind verführerisch schick und höllisch teuer. Doch dank der Gewichtseinsparungen sind die Verbrauchswerte gegenüber dem Vorgänger deutlich gesunken, was angesichts der aktuellen Zapfsäulenpreise doch kein schlechtes Verkaufsargument ist.

Optisch wurde der neue SL dem aktuellen Markendesign angepasst, was besonders an den Scheinwerfer bemerkbar ist. Seine Silhouette wirkt flach, breit und muskulös, wie eine Raubkatze, die zum Absprung bereit ist. Den sportlichen Auftritt unterstreichen die lange Motorhaube sowie die eleganten Kiemen an der Flanke. Darüber hinaus wurde der Luxusroadster sowohl in die Länge, als auch in die Breite gezogen und ist jetzt von Aussenspiegel zu Aussenspiegel über zwei Meter breit. Durch den Grössenzuwachs gibt es dafür viel Platz für die zwei Passagiere im Inneren, welches sich auf Wunsch auch in knalligen Farben wie beispielsweise rot (bis zu 10’000 CHF Aufpreis) ordern lässt. Unter den Sonderausstattungen finden sich “magische” Dinge, wie beispielsweise ein Keyless Go System (2355 CHF) mit einem Kofferraumdeckel, welcher von alleine öffnet und schliesst, wenn man unter dem Heck eine Fussbewegung macht. Des weiteren bietet Mercedes eine Magic Sky Control (3835 CHF) an, welche das Dach lichtundurchlässig oder in ein klares Panoramadach inkl. allen Stufen dazwischen (Dimming) verwandelt. Noch nicht magic genug? Kein Problem: Magic Vision Control (400 CHF) heisst das neueste Wunderkind in der Aufpreisliste von Mercedes und rüstet die Scheibenwaschanlage mit 84 Düsen in den beheizbaren Scheibenwischern aus, damit wirklich jeder Quadratmillimeter der Scheibe bei möglichst geringem Wasserverbrauch gewaschen wird. Mercedes-Benz sollte wirklich über einen Einstieg in die Reinigungsindustrie nachdenken… Einen Mercedes Staubsauger könnte ich mir wenigstens leisten (hoffentlich).

Bei soviel Opulenz um einen herum geht beinahe vergessen, dass man in einem Hightech Sportwagen mit potentem Triebwerk sitzt – aber das wird eigentlich schon fast zur Nebensache, denn auch während dem Fahren wird man auf Wunsch durch zahlreiche Assistenzsysteme wie Spurhalter, Toter-Winkel-Warner, etc. unterstützt. Sogar die Suche nach einer Parklücke inkl. darauf folgendem Einparken übernimmt der SL bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h selber (womit wir wieder beim Thema Autopilot sind). Schade, dass die Elektronik besser vermarktet wird als die eigentliche Daseinsberechtigung dieses Wagens, nämlich der Technik. Denn der SL ist gespickt mit Finessen wie beispielsweise der Direktlenkung, welche die Übersetzung der Geschwindigkeit anpasst, oder das ABC (Active Body Control) Fahrwerk (4190 CHF), welches Wankbewegungen fast vollständig eliminiert (analog dem PDCC vom Porsche 911). Nicht zu vergessen die effizienteren Motoren. Durch soviel Unterstützung des Autos ist das Handling eines Sportwagens wie dem SL gar nicht nennenswert anspruchsvoller als ein “normalsterbliches” Auto. Die hohe Stabilität verdankt der SL auch einer um 63 Millimeter verbreiterter Spur an der Hinterachse.

Der Mercedes SL zeigt klar einmal mehr, dass er sich mit keinem geringerem Titel als dem “König der Roadster” zufrieden geben möchte. Die eher kleinen Stückzahlen und damit hohen Preise ermöglicht es den Ingenieuren, am SL mit neuen Techniken zu experimentieren. Eine Vollaluminiumkarosserie wäre in den unteren Klassen noch zu teuer, aber durch Forschung an teueren Modellen lässt sich vielleicht eine Massenproduktion realisieren. Der aktuelle SL schafft also den Spagat zwischen sportlicher Dynamik und komfortablem Luxus. Das man für einige optionale Leckereien soviel bezahlt wie eine Occasion, spielt in dieser Klasse keine Rolle mehr. So wirkt der SL für viele wie ein richtiger Stern am Nachthimmel: Bezaubernd, aber unerreichbar.

(Bilder: Diverse Quellen)

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