Nissan Leaf: Der Popstar unter den Elektroautos

Bereits, als mein Blog noch in den Kinderschuhen steckte, hatte ich eine Gelegenheit, den ersten Leaf zu testen. Mittlerweile hat Nissan dem weltweit erfolgreichsten Stromer geliftet, so dass er jetzt schlicht New Nissan Leaf heisst. Grund genug für mich, den Leaf erneut unter die Lupe zu nehmen. Über 65’000 Leaf kurven weltweit herum, jeweils 25’000 davon in Japan und den USA, was symbolisch zeigt, dass man dem Elektroauto ausserhalb Europa (mit Ausnahme von Norwegen) aufgeschlossener ist. Dank zahlreichen Verbesserungen am Auto – auch auf Anregung jetziger Leaf Besitzer – und einer völlig neuen Preisstruktur, möchte Nissan mit dem Leaf auf Erfolgskurs bleiben.

Das Karosseriedesign ist immer noch dasselbe, zumindest kann ich keinen Unterschied feststellen. Der Leaf sieht schon ein bisschen komisch auf, unauffällig ist anders. Allerdings ist er durch die spezielle Form mit einem cw-Wert von 0.28 sehr aerodynamisch. Dass er mit 4.45 Meter Länge die meisten Kompaktwagen überragt, sieht man ihm gar nicht an. Die auffällig gewölbten Scheinwerferabdeckungen sind nicht nur Show, sondern sie leiten den Fahrtwind um die Aussenspiegel herum, um störenden Windgeräuschen vorzubeugen. Die LED Scheinwerfer (nur in der höchsten Ausstattungslinie Tekna) funkeln wie blaue Kristalle, ein sehr schönes Lichtdesign. Auch die Heckleuchten besitzen einen blauen Touch, zusätzlich dürfen blaue Nissan Logos und Zero Emission Schriftzüge natürlich nicht fehlen. Optional gibt es sogar ein kleines (ebenfalls blaues) Solarpanel auf dem Dachspoiler, allerdings frage ich mich, wieviel zusätzlichen Strom sich damit während den eher kurzen Fahrten gewinnen lässt…
Auch innen sind das Nissan Logo und die Nähte blau. Top ausgestattet, wie der Testwagen es ist, muss sich der Leaf nicht vor der Konkurrenz verstecken. Mit Lederausstattung, Bose Soundsystem, Surround View System und ausgereiftem Navi ist der Leaf sehr hochwertig eingerichtet. Zudem kommt den Passagieren seine Länge zugute, denn auch auf den hinteren Plätzen reist es sich sehr angenehm. Vorne dagegen stimmt die Ergonomie nicht ganz. Das Lenkrad ist nur in der Höhe verstellbar und die Sitzposition auch in der niedrigsten Einstellung etwas zu hoch, was wahrscheinlich mit den Akkus um Unterboden zusammenhängt. Üble Mängel leistet sich der Leaf keine, es dauert nur ein bisschen länger, die richtige Sitzposition zu finden. Der Kofferraum ist mit 355 Liter Volumen im Verhältnis zur Aussengrösse leider etwas klein geraten.

Beim Start spielt der Leaf eine freundliche Melodie vor und ein grünes Symbol signalisiert Fahrbereitschaft, da man beim Start eines Elektrofahrzeuges schlichtweg nichts hört. Um Fussgänger auf den lautlosen Leaf aufmerksam zu machen, gibt er bis ca. 25 km/h spacige Piepsgeräusche von sich, die man allerdings auch ausschalten kann. Ich finde den Ton nervig und bin darum froh, dass man ihn deaktivieren kann, denn ich vertrete die Ansicht, Fussgänger sollten nicht kopflos durch die Gegend huschen, sondern einfach immer den Sehsinn verwenden, auch wenn nichts zu hören ist. Anyway, bei höheren Geschwindigkeiten wird aufgrund der Abrollgeräusche dann auch der Leaf akustisch wahrnehmbar.
Für den Antrieb ist ein 80 kW leistender Elektromotor zuständig, der 254 Nm Drehmoment aus dem Stand zur Verfügung stellt, was für ordentlich Schwung sorgt. Ein direkteres Ansprechverhalten als bei einem Elektroauto gibt es nicht, denn Verzögerungen wie Gangwahl, Ladedruck, etc. fallen weg. Das heisst, genau in jenem Augenblick, in dem das Gaspedal gedrückt wird, ist auch eine Beschleunigung spürbar und zwar schön linear, ohne Unterbrechung. Vom E-Motor ist dabei nur ein leises Surren zu vernehmen, was für eine herrliche Ruhe an Bord sorgt, da auch Wind- und Reifengeräusche gut gedämmt werden. Ruhe im Auto, sorgt automatisch für einen ruhigeren Fahrstil und dieser wiederum ist wichtig, wenn man mit dem Leaf möglichst weit kommen möchte. Nissan gibt zwar eine Reichweite von 199 km an, welche aber meines Erachtens nur mit einem permanentem Gefälle erreichbar ist. 150 – 160 km sind eine realistischere Grösse, aber auch nur dann, wenn man vorsichtig mit dem Gaspedal umgeht. Überhaupt muss der Fahrstil in einem Elektroauto angepasst werden, ansonsten ist die Restreichweite schnell mal geringer, als der Weg zur nächsten Lademöglichkeit lang ist (dann ist die Ruhe im Auto definitiv vorbei). Vorausschauendes und möglichst gleichmässiges Fahren ist darum enorm wichtig, zudem sollte jede Möglichkeit der Rekuperation genutzt werden. Man kann ohne Probleme zügig beschleunigen, sofern die Gleichmässigkeit beibehalten wird. Um den Fahrer dabei zu unterstützen, wachsen bei ökologischem Fahrstil virtuelle Bäumchen neben dem Tacho. Es gibt auch noch einen Eco-Modus, der die Motorleistung und die Klimaanlage drosselt, aber dann geht es wirklich nur noch sehr zäh vorwärts. Gift für den Energiehaushalt sind Nebenverbraucher wie Sitzheizung und Klimaanlage, sowie Steigungen und Autobahnfahrten. Da der Luftwiderstand mit steigendem Tempo exponentiell zunimmt, würde man mit einer konstanten Geschwindigkeit von 125 km/h wahrscheinlich nur noch ca. 80 Kilometer weit kommen. Aus diesem Grund kann der Bordcomputer angeben, wie viele Mehrkilometer ohne Nebenverbraucher möglich wären, während das Navi in der Lage ist, eine möglichst energieschonende Route zu berechnen. Als Höchstgeschwindigkeit gibt Nissan 144 km/h an und ich konnte es einfach nicht lassen, das auf der Autobahn auszuprobieren. Dabei hat der Leaf ohne Mühe laut Tacho 160 km/h erreicht und es war spürbar, dass da der elektronische Riegel eingesprungen ist, denn es würde mehr drin liegen. (Ich weiss, dass ich jetzt nach Via Sicura ein Raser / Schwerverbrecher bin und nein, mit einem GT-R hätte ich das Spitzentempo nicht ausprobiert…) Als Quittung für diese unvernünftige Aktion hat der Bordcomputer kurzerhand die Reichweite auf einen Schlag um 15 km reduziert und einen hart erarbeiteten Baum neben dem Tacho gekillt. Das zeigt sehr exemplarisch, wie empfindlich ein Elektroauto auf einen schweren Gasfuss reagiert.
Trotz der ganzen Predigt von wegen ökologischem Fahren ist der Leaf keine Spassbremse, denn im Vergleich zum Vorgänger wurden Lenkung und Fahrwerk deutlich geschärft, so dass sich der Leaf jetzt viel zackiger und ohne Geschaukel um die Kurve fahren lässt. Spielt die Reichweite mal keine Rolle, kann man es auch richtig krachen lassen und sich darüber freuen, wie der Elektromotor seine Muskeln spielen lässt.

Beim Preis hat ein grosses Umdenken stattgefunden. Während der Vorgänger inkl. Akku knapp 50’000 CHF kostete, gibt es nun drei Ausstattungslinien plus die Möglichkeit der Batteriemiete, was aufgrund der Garantie und eventuellem Halterwechsel die intelligentere Variante eines Kaufes ist. Eine Miete für drei Jahre bis max. 12’500 km / Jahr (für ein Elektroauto schon recht viel) kostet 95 CHF pro Monat, für eine geringere Laufzeit oder mehr Kilometer wird es teurer. Bei der Akkumiete bewegen sich die Preise zwischen 27’990 CHF und 35’490 CHF. Beim Kauf mit Akku liegen die Preise zwischen 35’690 CHF und 43’190 CHF. Der Leaf ist also (so oder so), besser, hochwertiger und vor allem günstiger geworden. Er ist natürlich nach wie vor kein Schnäppchen, aber der Preis ist für die Kritiker von Elektroautos langsam, aber sicher, kein Argument mehr.

Alltag ★★☆☆☆

Mit einem reinen Elektroauto muss eine gewisse Organisation vorhanden sein. Einfach mal ins Blaue fahren geht nicht, Strecke und Lademöglichkeiten müssen geplant sein. Schnelladesäulen (80% innert 30 Minuten laden) sind leider nach wie vor eine Rarität, aber da ist was im Gange. Volladen an einer Heim-Ladestation dauert ca. 8 Stunden, an einer gewöhnlichen Steckdose ca. 12 Stunden. Abgesehen von diesem (bekannten) Aspekt ist der Leaf ein vollwertiges Auto ohne Abstriche.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Ein fahrdynamisches Ass ist der Leaf nicht, aber das will und muss er auch nicht sein. Das Ansprechverhalten und der Durchzug des E-Motors sind top, Lenkung und Fahrwerk machen insgesamt einen befriedigenden Job, lediglich das Bremsgefühl ist aufgrund der Rekuperation durch den E-Motor etwas ungewohnt.

Umwelt ★★★★★

Der elektrische Antrieb sagt hier eigentlich schon alles. Dass der Leaf mit einem Durchschnittsverbrauch von 15.3 kWh/100 km die Werksangabe von 15 kWh/100 km nur leicht übertrifft, ist sozusagen das Tüpfchen auf dem i.

Ausstrahlung ★★★★★

Der Leaf schreit förmlich Zero Emission und Go Electric! Das sind zwei durchaus aussagekräftige Statements.

Fazit ★★★★☆

+ Perfektes Ansprechverhalten
+ Sehr tiefes Geräuschniveau im Innenraum
+ Grosszügige Platzverhältnisse für die Passagiere
+ Tiefer Stromverbrauch
+ Hochwertige Ausstattung

– Reichweite nach wie vor knapp bemessen
– Keine Assistenzsysteme
– Ergonomie nicht perfekt
– Kofferraum eher klein

(Bilder: Koray Adigüzel)

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