Nissan 370Z Nismo: Aussterbende Rasse

Wenn man den Nissan 370Z Nismo am aktuellen Stand der Technik messen möchte, dann kommt man unweigerlich zum Schluss, dass der Z ein fahrendes Fossil ist. Alles, was derzeit als modern bezeichnet wird – also Spritspartechnik, LED-Licht, Assistenzsysteme, hypermoderne Infotainmentsysteme, Automatikgetriebe mit bis zu zehn Gängen und was weiss ich – ist dem 370Z vollkommen fremd. Und dann gibt es ja noch den grassierenden Trend vom Downsizing und Aufladung durch Turbolader. Bitte was? Der 370Z Nismo versteht nichts von diesem Fachchinesisch und es interessiert ihn auch nicht. Die einzigen beiden Dinge, die den Z interessieren, sind ein mit 98er-Benzin gefüllter Tank und ein Fahrer, der sein hartes, aber endgeiles 6-Gang Getriebe bedienen kann. Let’s Go!

Also los, einsteigen, Motor starten und losbrausen! …Wenn es denn so einfach wäre. Mein Gott, Nissan! Das Lenkrad im 370Z lässt sich leider, leider nur in der Höhe verstellen. Da ich vom Körperbau nicht unbedingt der Durchschnittstyp bin, bedarf es längerem hin und her mit dem Sitz, damit Pedale und Lenkrad einigermassen bequem zu erreichen sind. Nach einer gefühlten halben Stunde habe ich es schliesslich geschafft, meine Position zu finden.

Nissan 370Z Nismo
Bitte Platz nehmen! Der 370Z Nismo bietet First Class Gestühl: Recaro Schalensitze.

So, und wenn ich schon so viel Zeit mit der Sitzverstellung verbraten habe, kommt es auch nicht mehr drauf an, wenn ich erst mal das Interieur genauer untersuche. Wobei, vielleicht sollte man dem Interieur vom 370Z Nismo gar nicht so viel Beachtung schenken, weil – Schön ist definitiv anders. Mässig hochwertiger Kunststoff soweit das Auge reicht, lediglich die Türe hat etwas Alcantara abbekommen. Insbesondere die Mittelkonsole sieht aus wie in einem zehnjährigen Auto, aber immerhin entspricht der Touchscreen heutigen Standards. Ganz grosse Klasse sind aber die Recaro Schalensitze: Sie schmiegen sich förmlich um den Körper, so dass man mit dem Auto zu verschmelzen scheint. Auch das Leder-Alcantara Lenkrad mit Nullpunkt-Markierung und grossem Z in der Mitte macht Lust auf mehr. Und genau diese Lust auf mehr gilt es nun zu befriedigen.

Nissan 370Z Nismo
Der Rest vom Interieur ist… Naja, sagen wir mal, zweckmässig.

Mit einem metallisch-heiseren Klang meldet sich der 3,7-Liter V6 Brocken zum Dienst. Nix Turbolader, nix Kompressor, der Sechszylinder atmet völlig selbstständig. Das ist guter, alter Maschinenbau, wie man ihn immer seltener findet und darum immer mehr schätzt. Der 370Z Nismo ist wirklich kein Auto, dass ich einem Fahranfänger anvertrauen würde. Ich bin ja auch nicht Gott hinter dem Steuer, aber der Nismo ist ein wildes Tier, das mit harter Hand geführt werden will. Die Kupplung schnappt grob zu und die Gänge wollen mit Nachdruck eingelegt werden. Wer lieber weichgespülte Sportwagen hat, sollte einen grossen Bogen um den 370Z Nismo machen, denn die japanischen Ingenieure haben ihn extrem kompromisslos abgestimmt. Dieses Auto ist ein richtiges Tracktool, denn der Verzicht auf technischen Krimskrams ermöglicht ein Gewicht von nur 1490 Kilo.

Nissan 370Z Nismo
Das V6 Kraftpacket giert nach Drehzahlen. Immer brav ausdrehen! Wo kann man heute schon noch über 7000 Umdrehungen geniessen…

Nach kurzer Eingewöhnungszeit bin ich bereit, dem Nismo die Sporen zu geben und muss mir selber zugestehen, dass ich vom omnipräsenten Turbowahn fast schon Opfer einer Gehirnwäsche wurde. Da Turbomotoren schon früh ihr volles Drehmoment zur Verfügung stellen, braucht es nicht immer den tiefstmöglichsten Gang. Im Z aber schon! Im dritten Gang um eine enge Kurve fahren? Möglich ist es schon, aber bis der Z da wieder auf Touren kommt, würde ein 1,4-Liter Gölfchen an ihm vorbeidüsen. Nein, in diesem Auto müssen alle Register gezogen werden. Nur wer auf gut Deutsch wie ein Wahnsinniger fährt, bekommt die volle Nismo-Power zu spüren, denn es sind vor allem zwei Dinge, die der V6 beherrscht: Ansprechverhalten und Drehfreude.

Nissan 370Z Nismo
Scharfer Blick.

Beim kleinsten Tipp aufs Gaspedal schnappt der Motor zu und wenn man darauf achtet, dass ausschliesslich der Drehzahlbereich zwischen 4000 und 7500 Umdrehungen genutzt wird, dann ist der Z verdammt schnell unterwegs. Es ist fast schon ein Rauschgefühl, den Motor bis auf über 7000 Umdrehungen zu jagen, denn der Klang ist wild und rau und vor allem ehrlich. Kein Symposer und sonstige Spielereien, sondern der waschechte V6-Klang. Herrlich! Ich bin ja eigentlich eher der Automatik-Typ, aber das harte, hochpräzise 6-Gang Getriebe im Z hat mich völlig in seinen Bann gezogen.

Nissan 370Z Nismo
Ein Sportwagen, wie aus dem Bilderbuch: Optisch und technisch.

Besonderes Highlight: Die automatische Zwischengasfunktion. Das klingt nicht nur gut, sondern unterstützt das schnelle Schalten zusätzlich. Weil die Drehzahl auf den bevorstehenden Gang angepasst wird, kann man die Kupplung praktisch spicken lassen, ohne dass ein gewaltiger Ruck durchs Auto geht. Das Kurvenhandling ist auf extrem hohen Niveau. Die messerscharfe Lenkung gibt ein hervorragendes Gefühl und könnte glatt aus einem Porsche stammen. Das harte Fahrwerk lässt den Z auf der Strasse kleben, so dass lang gezogene Kurven in einem Affenzahn durcheilt werden können. Wahrscheinlich würde das Fahrwerk auch mit noch mehr Leistung klar kommen.

Nissan 370Z Nismo
Der hintere Scheibenwischer versaut die perfekte Linie. Weg damit!

Bei so viel Kompromisslosigkeit verstehe ich einzig nicht, warum das ESP so rabiat regelt. Anstatt das Auto feinfühlig wieder auf Kurs zu bringen und sofort wieder die volle Power bereit zu stellen, wird der Z übelst eingebremst, sobald das Heck droht, sich selbstständig zu machen. Da zudem kein Sport-Modus fürs ESP zur Verfügung steht, gibt es nur eine Lösung: ESP aus. Dann sind zwar beim starkem Beschleunigen aus engen Kurven wache Reflexe gefordert, dafür gibt es nun definitiv nichts mehr, was den Fahrspass dieser einzigartigen Fahrmaschine trüben kann.

Nissan 370Z Nismo
Vor dem Facelift fuhr der 370Z Nismo noch stolz einen mächtigen Heckspoiler spazieren. Jetzt gibt’s nur noch eine Abrisskante…

Ja, der 370Z Nismo hat mich wirklich in einen Rauschzustand versetzt. Er fährt sich nicht nur wie ein reiner Sportwagen, er sieht auch atemberaubend schön und schnittig aus. Böse, aber doch nicht zu aggressiv, mit roten Akzenten an den richtigen Stellen, scharfen Scheinwerfern und einer wunderschönen Linie hat er mein Herz ab dem ersten Augenblick zum Schmelzen gebracht. Das Facelift hat den 370Z Nismo zwar vorne massiv verschönert, aber leider, leider musste der dicke Heckspoiler einer Abrisskante weichen. Schade…  Hmm, es wird jetzt gegen Ende doch langsam Zeit, die rosa Brille mal abzusetzen. Das Fahrverhalten habe ich in höchsten Tönen gelobt, aber abgesehen vom immensen Fahrspass, den das Auto bietet, gibt es einiges zu kritisieren.

Nissan 370Z Nismo
Alles, was stört, in einem Bild vereint: Kein Heckspoiler, störender Heckscheibenwischer und viel zu grosser Tankdeckel.

Eine hervorragende Ergonomie ist ein MUSS in einem Sportwagen. Ist im Z leider nicht der Fall. Ein Interieur, das wie ein Koreaner aus längst vergangenen Zeiten aussieht, ist auch nicht unbedingt das, was man für 65’500 Franken erwartet. Und dass der V6 ein verdammter Benzinvernichter ist, muss wohl kaum erwähnt werden. Der Preis ist fix, es gibt kein einziges Extra. Der Nismo-Zuschlag zum zivilen Z beträgt ausstattungsbereinigt 6970 Franken, was in Ordnung geht. Der Endpreis, nun ja… Gegenüber deutschen Sportwagen, von denen sowieso nur die allerwenigsten so ein raues und intensives Fahrerlebnis bieten, ist der Z ein Schnäppchen. Gegenüber den amerikanischen Muscle Cars, namentlich dem kommenden Mustang, ist der Z aber teuer. Aber bei einem Sportwagen ist der Preis sowieso nebensächlich, denn wer bitte schön, der sich einen 370Z Nismo kaufen will, handelt rational und kalkuliert? Alleine der Anblick vom 370Z Nismo lässt einen ganz warm ums Herz werden…

Nissan 370Z Nismo
Perfekt ist der 370Z Nismo bei weitem nicht. Aber dieses Auto gehört definitiv zur Kategorie #CarPorn! (Nein, das kann man nicht essen)

Alltag 2 out of 5 stars

Wäre mein Budget etwas grosszügiger bemessen, um den immensen Durst vom Z befriedigen zu können, er wäre mein perfekter Alltagsbegleiter. Aber für viele andere ist er wahrscheinlich kaum alltagstauglich: Hart gefedert, rau im austeilen, nur zwei Plätze, unpraktisch geformter Kofferraum und natürlich: der Verbrauch.

Fahrdynamik 5 out of 5 stars

Ein Handling, so traumhaft im ein GT-R – so gut es mit reinem Heckantrieb eben geht. Der Motor dreht freudig hoch, das Getriebe ist so knackig und präzise, wie ein manuelles Getriebe nur sein kann. Das ist Fahrfreude in seiner reinsten Form! Lediglich das ESP dürfte feinfühliger agieren. Ein Sport-Modus zwischen ein und komplett aus wäre ebenfalls wünschenswert.

Umwelt 2.5 out of 5 stars

Die Tankanzeige vom Z ist ganz schön witzig: Sie ist nämlich in 16(!) winzige LED-Pünktchen unterteilt. Wann sich eineinzelnes Pünktchen verabschiedet hat,  merkt man gar nicht, da die Punkte viel zu klein und zu nah beieinander sind. Man stellt einfach fest: Die Punkte verschwinden rasend schnell. Trotz 70 Liter Tank kommt man bei Z-mässiger Fahrweise allerhöchstens 500 Kilometer weit. Ergebnis? 11,8 l/100 km. Das ist für einen Sportwagen ohne überbordende Leistung zu viel.
(Psst… Es ist auch möglich, mit einer ruhigen Fahrweise den Normverbrauch von 10,6 l/100 km zu unterbieten. Bis zu einem Liter! Aber Sonntagsfahrer haben in einem Z nichts verloren…)

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Nebst der schnittigen Linie und dem scharfen Design ist es vor allem auch sein Seltenheitswert, der den 370Z Nismo zum Eyecatcher macht. Optisch ein wahres Traumauto. Könnte glatt ein Italiener sein! 😉

Fazit 4 out of 5 stars

+ Scharfe, sehr schöne Karosserieform
+ Kräftiger, drehgeiler Motor
+ Rauer, ehrlicher Sound
+ Sehr knackiges Getriebe mit harter Kupplung
+ Extrem direkte und präzise Lenkung
+ Sehr agiles Handling
+ Hartes, aber perfekt abgestimmtes Fahrwerk
+ Erstklassige Recaro Schalensitze
+ Mechanisches Sperrdifferential
+ All inclusive, kein einziges Extra erhältlich

– Hoher Verbrauch
– Sehr unpraktisch geformter Kofferraum
– Ergonomie nicht einwandfrei
– Unbrauchbarer Regensensor
– Nüchternes Interieur
– Rigoroses ESP, kein Sportmodus, “nur” komplett deaktivierbar

Steckbrief

Marke / ModellNissan 370Z Nismo
Preis Basis­modell / Testwagen65'500 CHF / 65'500 CHF
AntriebBenzin, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder3696 ccm / V6
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Saugmotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung253 kW bei 7000 r/min
Max. Drehmoment371 Nm bei 5200 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h5,2 s
Vmax250 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz10,6 l/100 km / 248 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz11,8 l/100 km / 276 g/km / +11%
Länge / Breite / Höhe4,41 m / 1,87 m / 1,31 m
Leergewicht1496 kg
Koffer­raum­volumen235 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

3 thoughts on “Nissan 370Z Nismo: Aussterbende Rasse”

Deine Meinung hinterlassen