Abgefahren: Mit dem Nissan Juke Nismo RS auf Korsika

Manchmal im Leben läuft nicht alles so, wie man es sich vorgestellt oder geplant hat. Eigentlich sollte an dieser Stelle der geliftete GT-R präsentiert werden, den ich und mein Cousin als unser Verkehrsmittel für den Korsika-Trip auserkoren haben. Weil auf Korsika allerdings kein Nissan High Performance Center beheimatet ist, ist den Nissan Verantwortlichen ob meiner Idee erst mal der Kinnladen Richtung Boden gerutscht. Als Alternative wird mir stattdessen der Juke Nismo RS angeboten, der in seiner jetzigen Generation langsam, aber sicher das Ende seines Lebenszyklus erreicht. Klingt wie ein schlechter Witz, doch im Nachhinein hat sich rausgestellt, dass der Tausch von Leistung gegen ein paar Zentimeter mehr Bodenfreiheit und dafür weniger Zentimeter in Länge und Breite uns mehr als nur einmal Schweissausbrüche erspart hat!

Obwohl ich mich stets auf neue Testautos freue, sind auch Déjà-Vus etwas Angenehmes. Da steigst du in den Juke und alles ist vertraut, weil schon mal gesehen (hier geht’s zum ersten Fahrbericht). Den Nismo hatte ich als spritzigen Kurvenräuber mit Handschaltung und mechanischem Sperrdifferential in Erinnerung. Unser jetziges Exemplar ist mit CVT-Getriebe, dafür Allradantrieb ausgestattet. Wie alles im Leben wird sich zeigen, dass auch dies seine Vor- und Nachteile hat.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Obwohl der Juke Nismo RS anfangs nur eine Notlösung war, mochte ich ihn auf der Insel ganz gut.

Über den Juke allgemein möchte ich eigentlich keine grossen Worte mehr verlieren, da das Auto hinlänglich bekannt ist. Allerdings erkennt man also Autoblogger, der stets mit dem Neuesten vom Neuesten unterwegs ist, sofort das Alter vom Juke Nismo RS. Das Infodisplay wirkt extrem altbacken, das Infotainmentsystem klein und die Auflösung nicht mehr ganz zeitgemäss. Die Menge an Hartplastik würde Nissan heute wohl nicht mehr verbauen und auch die Verarbeitungsqualität wird beim Nachfolger garantiert hochwertiger sein.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Da strahlt nicht nur die Sonne: Auch mein Cousin freundete sich mit dem Nismo an.

Aber das soll uns alles nicht stören. Wir starteten unsere Reise kurz nach Mitternacht, da wir am nächsten Morgen die Fähre von Livorno nach Bastia gebucht haben. Was wir am Juke in jener Nacht am meisten schätzten, waren die bequeme Alcantara-Sitze sowie der Tot-Winkel-Warner. Das Sportfahrwerk bietet auch auf der Autobahn ausreichenden Komfort, der recht hohe Geräuschpegel im Innenraum jenseits von 120 km/h sorgt dafür, dass man nicht so schnell müde wird.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Und ja, das ist in Korsika. In den Bergen sieht es dort nämlich grösstenteils aus wie bei uns!

Da wir uns beim Fahren abwechseln konnten, schlugen wir uns die Nacht am Steuer ohne Streichhölzer zwischen den Augen um die Ohren – nicht zuletzt dank den 330 ml kaltem Espresso, den unsere Nonna abends zuvor fürsorglich für uns zubereitet hatte. Und ja, den erhöhten Blutdruck dank der rauen Menge an Koffein spürten wir insbesondere am Morgen durchaus…!

2016 Nissan Juke Nismo RS
Die schönsten Plätze auf der Insel bestehen aus Sand, Kies, oder Schotter. Kein Problem für den Juke!

Typisch für Italien legte die Fähre mit über einer Stunde Verspätung ab. Nicht nur die Autos auf der Fähre klebten fast aneinander, auch die Passagiere. Unsere Überfahrt war aufgrund der zunehmenden Müdigkeit furchtbar, zumal wir auf unserem Platz keine bequeme Sitzposition finden konnten. Der Gedanke, in Korsika nochmals fahren zu müssen, schien unerträglich! Glücklicherweise sorgte das stundenlage Dösen und Nichtstun dennoch für eine gewisse Erholung. Die strahlende Sonne, die uns auf Korsika erwartete, tat schliesslich ihr übriges, dass wir uns wieder relativ fit fühlten.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Der südliche Teil mit den weitläufigen Küsten ist schöner als der schroffere Norden. Hier: Der Golf von Ajaccio.

Auf Korsika angekommen, liessen wir die Hafenstadt Bastia hinter uns und fuhren der Küste entlang Richtung Süden, um unser Tagesziel, Porto Veccio zu erreichen. Mehr als ein paar Dörfer begegneten uns auf dieser Strecke nicht. Meistens erstreckten sich rechts Felder und links mehr oder weniger nah das Meer. Bei einer Einwohnerdichte von 37 Einwohner/km² auf Korsika (Schweiz: 203 Einwohner / km²) ist dies aber auch kein Wunder.

Korsika
Wälder und Berge ohne Ende: Die korsische Landschaft und Vegetation ähnelt der unseren.

Beim gemütlichen Cruisen weiss man das sanfte CVT-Getriebe zu schätzen, ausserdem muss bei einem Überholmanöver – viele fahren auf der Insel das Tempolimit von 90 km/h ausserorts bei weitem nicht aus – nicht lange der passende Gang gesucht werden. Da das Xtronic genannte Getriebe bei starker Beschleunigung und im Sport-Modus von seinen acht virtuellen Gängen Gebrauch macht, sind die Geräuschkulisse und der Gummiband-Effekt nicht so ausgeprägt. Dass der Juke Nismo als Handschalter dennoch spritziger ist, muss ich wohl kaum extra betonen.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Entlang der Strassen finden sich immer wieder herrliche Ausblicke auf das Meer. Teilweise erkennt man sogar Sardinien am Horizont!

Eine lange, 11-stündige Nachtruhe machte uns fit für den zweiten Tag. Die Kleinstadt Corte im Zentrum der Insel war unser Ziel. Dass wir dieses nicht auf dem direktesten Weg erreichen wollten, liegt wohl auf der Hand. 😉 Stattdessen suchten wir uns die schönste Route aus. Diese führte uns von Porte Veccio über Zonza und Albitreccia nach Westen, bevor wir kurz vor der Hauptstadt Ajaccio auf der Hauptstrasse nach Norden Richtung Corte fuhren.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Ein Teil der Insel ist schnell abgeklappert. Es empfiehlt sich, mobil zu sein und die ganze Insel zu erkundigen.

Doch was heisst hier schon «Hauptstrasse». Korsika besteht zu rund 70 % aus Hochgebirge, entsprechend kurvig sind die Strecken. Nicht weniger als vier Pässe fungieren im südlichen Teil der Insel als West-Ost Verbindung. Die Landschaft wirkt grösstenteils unberührt, die Luft ist frisch, klar und sauber. Sobald das Meer nicht mehr in Sicht ist, erinnert bloss noch die Architektur, dass wir uns nicht mehr in der Schweiz befinden. Die Strassen sind meist nicht sonderlich breit, jedoch grösstenteils in einem guten Zustand. Lediglich bei Baustellen wird gerne mal eine asphaltierte Spur vergessen und man fährt ein Stück über Kies und Schotter. Gewisse Aussichtspunkte verzichten ebenfalls auf eine asphaltierte Fläche, sodass Godzilla manche Aussicht verwehrt geblieben wäre.

Korsika
Mobil sein geht nicht nur auf der Überhol- sondern auch auf der Schmalspur. 😉 Ein 231 km langes Schmalspur-Schienennetz verbindet vor allem den Norden und den Süden über teils grandiose Brücken im gebirgigen Teil.

Mit seinen handlichen Abmessungen ist der Juke Nismo RS auf der Insel voll in seinem Element. Ja, wer ihn nicht mag, belächelt ihn als Frosch oder Krücke, aber als Nismo ist der Crossover nicht zu unterschätzen. Dank Allradantrieb und Torque Vectoring an der Hinterachse ist der Juke ein flinker Kurvenräuber mit stabilem und neutralem Handling, der erst sehr spät ins Untersteuern rutscht. Untypisch für einen Japaner lässt einem das ESP grosse Freiheiten und regelt erst, wenn der Juke sich kaum noch sonst zu helfen weiss.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Auf der Insel kann man sich richtig austoben, denn kaum ein Gebiet ist mit einem Fahrverbot versehen.

Die korsischen Bergstrassen sind äusserst kurvenreich und verwinkelt, längere Geraden finden sich selten. Daher kommt man mit den 157 kW vom Juke Nismo RS gut zu Recht. Wir hatten viel Fahrspass und vermissten den GT-R bloss, wenn es ums Überholen ging. Mehrmals wäre ein Überholmanöver mit Godzilla möglich gewesen, mit dem deutlich schwächeren Juke Nismo erwies es sich allerdings zu riskant.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Da waren wir oft: Nach intensiven Fahrten zeigte der Juke nach einer Tankfüllung kaum mehr als 300 km Reichweite an. Lass es dir ruhig schmecken!

Dafür hätte Godzilla auf der Insel, was das Benzin angeht, in den sauren Apfel beissen müssen. Anstelle des hochwertigen 100 Oktan Treibstoffs, den er gerne hätte, gibt es auf Korsika meist bloss normales 95er Benzin, selbst 98er ist höchst selten. So musste auch der Juke Nismo, der eigentlich gerne 98er Benzin hätte (warum auch immer), mit Normalbenzin vorlieb nehmen. Zur Strafe für die magere Kost gab er uns bei einer Tankfüllung nach ausgiebigen Passfahrten bloss 318 Kilometer Reichweite an. Von nichts kommt halt nichts!

Korsika
Doch traumhafte Strassen über fantastische Routen waren jeden Tropfen Benzin wert. Auf den höchsten Gipfeln der Insel liegt sogar Schnee.

Das Städtchen Corte entpuppte sich, wie viele Ortschaften auf der Insel, als nichts besonderes. Die grössten Trümpfe von Korsika sind ganz klar die Landschaft sowie die zahlreichen Tier- und Pflanzenarten, die ausschliesslich auf der Insel vorkommen. Wanderer sowie Bergsteiger (und natürlich Petrolheads) kommen hier voll auf ihre Kosten, klassisches Sightseeing empfiehlt sich lediglich in Ajaccio, unserer dritten Destination am nachfolgenden Tag.

Korsika
Die Hauptstadt Ajaccio ist mit ihrer langen Promenade und der hübschen Altstadt definitiv einen Besuch wert.

Die korsische Hauptstadt verfügt über eine historische Burg, einen schönen Hafen sowie eine traumhafte Promenade der Küste entlang, schönem Sandstrand inklusive. Besonders sympathisch finde ich, dass an bester Lage am Meer kein Hotelkomplex, sondern ein Skaterpark sowie ein Spielplatz stehen. Die Kids freut’s bestimmt! Ein Casino sowie zahlreiche Bars und Restaurants hat die mit rund 69’000 Einwohner mit Abstand grösste Stadt der Insel ebenfalls zu bieten. Ajaccio ist ausserdem Geburtsort von Napoleon Bonaparte.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Per Fähre kommt von Ajaccio auch gleich nach Sardinien, falls man den Insel-Trip mit dem Auto fortsetzen möchte.

Am vierten und letzten Tag auf der Insel machten wir uns wieder auf Richtung Bastia, wo spätabends unsere Fähre ablegte. Um uns tagsüber die Zeit zu vertreiben, machten wir einen Ausflug zum nördlichen Zipfel der Insel, vorbei an Tomino und Morsiglia. Die rechte Seite des Zipfels, dessen Strasse an der Küste verlauft, kann man sich schenken. Es gibt weder schöne Strassen, noch Orte oder Strände. Ein echter Geheimtipp ist dafür die linke Seite. Die Aussicht aufs Meer und die Berge in der Ferne ist grandios, die extrem kurvenreiche Strasse ohne Verkehr ein Traum!

Korsika
Im Norden sind die Strände weniger schön und die Gegend wirkt teils kahler. Doch die kurvenreichen, schmalen Strassen sind eine echte fahrerische Herausforderung.

Es folgt eine enge Kurve der anderen, es gibt kaum eine Gerade, die länger als geschätzt 150 Meter ist. Dem Juke Nismo RS wird ganz am Schluss alles abverlangt, doch er lässt die Tortur ohne Weiteres über sich ergehen. Für einen Crossover ist sein Handling über jeden Zweifel erhaben. Trotz Torque Vectoring sei leidenschaftlichen Fahrer das manuelle Getriebe mit mechanischem Sperrdifferential ans Herz gelegt. Insbesondere bergauf fühlt man sich vom CVT-Getriebe nämlich ausgebremst. Obwohl die grossen, feststehenden Schaltpaddels förmlich dazu einladen, die Kontrolle selber zu übernehmen, kommt aufgrund der virtuellen Übersitzungen einfach kein echtes Schaltfeeling auf. Am schnellsten ist man daher, wenn man das Getriebe im Sport-Modus sich selber überlässt.

2016 Nissan Juke Nismo RS
Nebst dem Meer finden sich auf der Insel eine Handvoll Seen mit herrlich klarem Wasser.

Die Rückreise auf der bei weitem nicht ausgebuchten Nachtfähre gestaltet sich wesentlich angenehmer als die Hinreise. Jedenfalls wurde der Juke auf dem Garagendeck nicht eingepfercht und hatte wahrscheinlich mehr «Bewegungsfreiheit» als wir in der winzigen Kabine. Doch nicht nur wir, auch der Juke hat es sich während der Reise gut gehen lassen, schliesslich genehmigte er sich schamlos 10,5 l/100 km. Allerdings musste der arme Kerl schwer schuften, denn er wurde überhaupt nicht geschont. Im übrigen fühlte sich unser Testwagen auf der Insel bestimm pudelwohl: Korsika ist nämlich die reinste Juke-Hochburg, wie wir festgestellt haben. Man findet den Juke dort reihenweise in allen Farben in freier Wildbahn. Offenbar trifft sein schräges Design den korsischen Geschmack…

2016 Nissan Juke Nismo RS
Tarnmodus: Dank der üppigen Juke-Population auf der Insel sind wir mit unserem Auto nirgends aufgefallen. 😉

Ich kann jedem leidenschaftlichen Fahrer nur wärmstens empfehlen, mal nach Korsika zu fahren. Die Strassen sind das reinste Paradies, ausserdem sind alle Radarkästen ausgeschildert. Ja, mit dem GT-R wäre die Fahrt aufregender gewesen, obwohl wir bei jeder Parkplatzsuche froh drum waren, keinen Godzilla in die engen Parklücken bugsieren zu müssen. Aber wie heisst es so schön? Aufgeschoben ist nicht aufgehoben… Godzilla is coming soon! ?

Steckbrief

Marke / ModellNissan Juke Nismo RS
Preis Basismodell / Testwagen33 415 CHF / 37 915 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder1618 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
GetriebeStufenloses Automatikgetriebe
Max. Leistung157 kW bei 6000 r/min
Max. Drehmoment250 Nm bei 2400 - 6000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h8,0 s
Vmax200 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz7,3 l/100 km / 172 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz10,5 l/100 km / 247 g/km / +44%
Länge / Breite / Höhe4,17 m / 1,77 m / 1,57 m
Leergewicht1510 kg
Koffer­raum­volumen207 - 506 l

Bilder: Koray Adigüzel / Kevin Pascali

1 thought on “Abgefahren: Mit dem Nissan Juke Nismo RS auf Korsika”

Deine Meinung hinterlassen