Die Zero Emission Lüge

Je tiefer der angegebene CO2-Ausstoss, desto umweltverträglicher ist das Fahrzeug, so die gängige Meinung. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn die lokalen, vom Fahrzeug ausgestossenen Emissionen (Tank-to-Wheel) berücksichtigen nicht die CO2-Emissionen der Kraftstofferzeugung. Erst mit der Berücksichtigung aller belastenden Emissionen (Well-to-Wheel) kann ein reales Bild von der Ökobilanz eines Autos gemacht werden. Schaut man sich die Well-to-Wheel Bilanzen an, stehen angeblich sehr ökologische Autos plötzlich nicht mehr ganz so grün da.

Die Autohersteller sind von Gesetzes wegen gezwungen, den Treibstoffverbrauch, den CO2-Ausstoss und die Energieeffizienzkategorie ihrer Modelle anzugeben, auch in Prospekten und in der Werbung. Bei reinen Elektrofahrzeugen machen sie das natürlich liebend gerne, denn sie gelten als Zero Emission Fahrzeuge mit 0 g CO2-Ausstoss und drücken somit die durchschnittlichen Emissionen ihrer gesamten Flotte, was angesichts der CO2-Steuer sehr nützlich ist. Doch das Zero Emission Label berücksichtigt bloss die lokalen Emissionen am Fahrzeug, fachsprachlich Tank-to-Wheel genannt. Auch ein Elektrofahrzeug benötigt aber Treibstoff, nämlich Strom und der ist bei weitem nicht so grasgrün, wie allgemein angenommen wird. Zwar müssen die Hersteller in der Schweiz die indirekten Emissionen durch Stromerzeugung auf der Energieetikette ausweisen, darauf wird aber nicht hingewiesen. Zero Emission hingegen wird ganz gross geschrieben.

Für jede verbrauchte kWh emittieren wir in der Schweiz indirekt rund 120 Gramm CO2, obwohl in der Schweiz 55% des produzierten Stroms auf die Wasserkraft zurückgeht. Der Grund für die hohen Emissionen ist der, dass ein Teil des sauberen Stroms gewinnbringend ins Ausland exportiert wird und wir dafür günstigeren, dreckigen Strom importieren. Und man höre und staune, auch die Elektroautos haben einen Verbrauch deklariert, nur eben nicht in l/100 km sondern in kWh/100 km. Ein Nissan Leaf beispielsweise verbraucht laut Werk 17.3 kWh auf 100 km, das macht also 0.173 kWh pro Kilometer, was einen CO2-Ausstoss von 21 g/km ergibt – ein hervorragender Wert, aber eben nicht null. Allerdings kommt bei den Elektroautos noch hinzu, dass beim Laden Verluste (die von den Herstellern verschwiegen werden) zwischen 10% und 20% auftreten, was beim Tanken nicht der Fall ist. Wenn man also von 15% Verlust ausgeht, stösst man mit einem Leaf nach Well-to-Wheel 24 g CO2/km aus.
Der Schweizer Strommix ist allerdings trotz der Importe sehr umweltverträglich. Bewegen wir uns ein bisschen gen Norden: In Deutschland werden pro verbrauchter kWh 494 g COfreigesetzt, mehr als das vierfache als bei uns. Mit einem Leaf werden dann pro Kilometer plötzlich 98 Gramm des Treibhausgases freigesetzt und mit dem stromfressenden Fisker Karma (32.8 kWh / 100 km) sind es 186 Gramm; die Verluste mit einberechnet. Hierbei von Zero Emission zu sprechen, ist irreführend und fast schon verlogen.

Um allerdings einen fairen Vergleich herzustellen, muss auch bei den konventionellen Autos mit Verbrennungsmotoren die Well-to-Wheel Analyse angewandt werden, schliesslich regnet es kein Benzin oder Diesel einfach so vom Himmel. Es ist allerdings Fakt, dass die Herstellung von fossilen Treibstoffen weitaus umweltfreundlicher ist als die Herstellung von Strom. Möchte man die CO2-Bilanz eines Verbrennungsmotors nach Well-to-Wheel berechnen, so muss man beim Benziner die Herstellerangabe mit 1.16 und beim Diesel mit 1.19 multiplizieren. Der neue Golf mit einem 1.4 Liter TSI und 140 PS stösst laut Werk 121 g CO2/km aus, über die gesamte Energiekette hinweg ergeben das allerdings 140 g CO2/km, womit auch die magische 130 g CO2/km-Grenze (ab 2015 sollen Neuwagen in der Schweiz im Durchschnitt höchstens 130 g CO2/km ausstossen) überschritten wird.
Mit der von Daimler zur Verfügung gestellten Online-Software Optiresource kann übrigens jedermann eine Well-to-Wheel Analyse mit unterschiedlichsten Antriebstechnologien und Treibstoffen durchführen. Die Faktoren, um die Well-to-Wheel CO2-Bilanz von Verbrennern zu ermitteln, sind allerdings umstritten und unterscheiden sich je nach Quelle.

Um die Elektroautos wieder ein bisschen ins rechte Licht zu rücken muss noch gesagt werden, dass die E-Motoren mit einem mehr als doppelt so hohen Wirkungsgrad als die Verbrennungsmotoren arbeiten. Dieser Umstand wird in der Well-to-Wheel Analyse nicht berücksichtigt. Ebenfalls weitgehend unbekannt ist, dass die Herstellung und das Recyceln der Lithium-Ionen Akkus recht umweltfreundlich ist und bei weitem das kleinere Übel als der Stromverbrauch während der Lebensdauer des E-Autos darstellen (weitere Details siehe bei Empa).
Was hingegen wieder ein irreführendes Jonglieren mit Zahlen ist, sind sogenannte Ökostrom-Verträge. Auch wenn jeder einen solchen abschliessen würde, würde sich nicht viel am allgemeinen Strommix ändern. Man bezahlt nur einen höheren Betrag, nämlich den, was reiner Ökostrom kosten würde. Mit dem höheren Beitrag hilft man zwar, die erneuerbaren Energien zu fördern, weshalb ein Ökostrom-Vertrag dennoch besser ist als nichts, man ist aber keineswegs CO2-neutral unterwegs. Am besten vergleichen lassen sich die Ökostrom-Verträge mit MyClimate, womit man beispielsweise den verursachten CO2-Ausstoss eines Fluges in die Ferien kompensieren kann.

Auch wenn es so manche Marketingabteilung nicht wahr haben möchte, eine CO2-neutrale Mobilität ist Wunschdenken. Es steht ausser Frage, dass die Elektroautos aus ökologischer Sicht besser wegkommen als ein ähnlich leistungsfähiger Verbrenner, zudem darf man davon ausgehen, dass Strom im Laufe der Zeit immer umweltfreundlicher hergestellt wird.
Aber man darf sich nicht von der Zero Emission Lüge blenden lassen, denn bei einem Elektroauto verlagert sich die CO2-Problematik einfach vom Auto zum Kraftwerk. Der umweltfreundlichste Weg von A nach B ist übrigens die Bahn, denn obschon auch sie nicht CO2-neutral ist, lässt sie in Sachen CO2 / km jedes Elektroauto stehen. 😉

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