Peugeot 308: Weniger ist mehr

Das Schweizer Auto des Jahres 2014 hat den Weg zu mir gefunden: Der Peugeot 308. Entgegen der üblichen Namenskonvention der Franzosen heisst der Neue genauso wie der Alte – eben 308, anstatt 309. Ansonsten ist der kompakte Löwe von Grund auf neu konstruiert worden, denn auch PSA hat eine neue Plattform namens EMP2 – analog zu Volkswagens MQB – entwickelt. Der Franzose überrascht mit einem durchdachten, hochwertigen Cockpit und viel Hightech. Aber auch als des Schweizer Lieblings 2014 muss er sich meine Kritik gefallen lassen.

Das Design hat sich gegenüber dem Vorgänger stark verändert. Die Froschlippe ist passé, dafür fährt der neue 308 jetzt mit einem schelmischen Grinsen durch die Gegend. Nachts fällt der fesselnde Katzenblick auf, welcher von den Voll-LED Scheinwerfern perfekt in Szene gesetzt wird. Seitlich und von hinten zeigt sich der 308 von seiner ruhigeren Seite. Auffällig ist, dass Peugeot auf die modische, ansteigende Fensterlinie verzichtet. Ebenfalls verzichtet Peugeot auf das grassierende Wachstum, denn der neue 308 ist sogar minim kleiner als sein Vorgänger, soll aber trotzdem eine bessere Raumausnutzung bieten. Gegen Aufpreis fährt der 308 auf schick gestylten 18″ Felgen mit dem schmeichelnden Namen Saphir vor.
Das Interieur ist eine kleine Revolution und nennt sich i-Cockpit. Es ist aufs Wesentliche reduziert, d.h., es finden sich praktisch keine Knöpfe mehr. Das sieht nicht nur sehr übersichtlich, sondern auch sehr hochwertig aus. Die Bedienung erfolgt über das Multifunktionslenkrad und über den zentralen Touchscreen. Das ist aber noch nicht alles, denn das i-Cockpit Lenkrad ist sehr klein und tief positioniert, wie in einem Autoscooter. In Kombination mit dem höher platzierten Kombiinstrument führt das dazu, dass man über das Lenkrad auf die Instrumente schaut und sie somit immer im Blickfeld des Fahrers sind, fast wie bei einem Head-Up Display. Ein nettes Detail ist der im Gegenuhrzeigersinn verlaufende Drehzahlmesser. Wenn man gross gewachsen ist, muss man zwar ein bisschen “pröbeln”, bis man die passende Sitzposition gefunden hat, aber das Konzept geht auf.
In den höheren Ausstattungslinien sind sportlich geschnittene Vordersitze inkl. Massagefunktion serienmässig, die allerdings im Schulterbereich kaum Halt bieten. Zudem ist das Platzangebot hinten ziemlich eng, mit meiner Körpergrösse von 1.85 m drückt es an den Knien, dem Ellbogen und am Kopf. Vielleicht wären ein paar Zentimeter mehr Länge, resp. Radstand, doch nicht schlecht gewesen. Richtig geräumig ist dafür der Kofferraum, der mit einem Volumen von 470 – 1309 Liter punktet.

Die treibende Kraft in meinem 308 Testwagen, ein 1.6 Liter Turbobenziner mit 115 kW und 240 Nm, ist im Hause PSA ein alter Bekannter, der unter anderem auch Citroëns DS3 antreibt. Während der Motor in der DS3 mit starkem Durchzug und knurrigem Sound gefallen hat, hinterliess das Aggregat im nur 80 Kilo schwereren 308 einen flauen und drehfaulen Eindruck. Wahrscheinlich ist das lang übersetzte Getriebe Schuld am eher zähen Beschleunigungsverhalten. Einverstanden, es muss nicht immer alles auf Sportlichkeit getrimmt sein, auch wenn das kleine Lenkrad förmlich dazu einlädt. Deshalb sei Peugeot diese Entscheidung verziehen – allerdings nur dann, wenn das in Genf gezeigte 308 R Concept tatsächlich in Serie geht.
Der 308 ist ein Auto wie eine Waage: schön ausbalanciert. Ohne elektronische Hilfen wie ein Sport Modus oder adaptive Dämpfer sucht er die Ausgeglichenheit, was ihm gut gelingt. Vor allem das Fahrwerk überzeugte durch hohen und angenehmen Federungskomfort, ohne in höheren Kurvengeschwindigkeiten durch Schaukeln aufzufallen. Man könnte das Fahrverhalten auch als unaufgeregt bezeichnen, was durch die ruhige Geräuschkulisse an Bord verstärkt wird. Sowohl Motor – als auch Windgeräusche werden effektiv gedämmt. Ebenfalls recht gut gedämmt ist der Durst des Motors: anstelle der versprochenen 5.6 l/100 km flossen 6.8 l/100 km. Ab dem Sommer ist ein neuer 1.2 Liter Dreizylinder inkl. Start-Stopp-Automatik und optional auch mit Automatikgetriebe verfügbar, der nur noch 4.8 l/100 km verbrauchen soll.
Dass sich Peugeot mit dem 308 höher positionieren möchte, ist neben dem hochwertigen Interieur auch an der Technikausstattung erkennbar, denn unter anderem bietet Peugeot LED-Scheinwerfer, Tot-Winkel-Warner und einen Abstandstempomat an. Letzterer ist allerdings nur halb gar, denn er kann ausschliesslich mit der Motorbremse verlangsamen und reagiert ziemlich träge auf das Geschehen vor ihm. Somit ist er zwar gut gemeint, im Alltag jedoch eher nervig als nützlich. Auch im Citroën C4 Picasso verrichtet der halbautomatische Abstandstempomat seinen Dienst. Ich bin kein Fan von halben Sachen, daher sollte PSA sich beeilen und baldmöglichst ein System à la Distronic Plus von Mercedes-Benz, welches auch richtig in die Eisen steigen kann, zur Verfügung stellen. Wenn man schliesslich eine Klasse aufsteigen möchte, dann sollte dies auch konsequent durchgezogen werden. Aber Peugeot ist mit dem neuen 308 sicher auf einem sehr guten Weg.

Preislich beginnt das Vergnügen bereits ab 20’900 CHF, man sollte sich dann aber nicht irgendwelchen Illusionen hingeben, dass man ein Auto erhält, wie es in diesem Test beschrieben ist. Dafür sind nämlich schon 39’670 CHF notwendig, also knapp das Doppelte. Das ist angesichts der gebotenen Ausstattung und des innovativen, wie hochwertigen Interieurs immer noch weniger als bei der deutschen Premiumkonkurrenz, aber als besonders günstig geht der 308 auch nicht mehr durch, womit wir wieder bei der Höherpositionierung wären. Als Erweiterung der Modellpalette folgt schon sehr bald der elegante Kombi 308 SW, (Fahrbericht folgt). Ich hoffe, dass auch eine R-Version folgt – der Peugeot 308 ist meiner Meinung nach zwar zu Recht Schweizer Auto des Jahres – aber ein bisschen Luft nach oben besteht trotzdem. Und zwar nicht nur aus Sicht der Leistung.

Alltag ★★★★☆

Es ist zwar lobenswert, dass Peugeot dem Trend, Autos immer grösser zu bauen, entgegenwirkt, allerdings ist es im Fond des neuen 308 doch recht eng. Der Kofferraum hingegen glänzt mit einem äusserst grosszügigen Volumen. Sehr gut gefallen hat mir ein kleines Detail, nämlich eine bifunktionale Ablagemöglichkeit in der Mittelkonsole – umklappbarer Getränkehalter sei Dank. Diverse Assistenzsysteme erleichtern das Leben des Fahrers, wobei insbesondere der Abstandstempomat mit Vorsicht zu geniessen ist.

Fahrdynamik ★★★☆☆

Das kleine Lenkrad soll das Fahrgefühl des 308 intensiver erscheinen lassen, nur gibt es da leider nicht viel zu intensivieren. Der kompakte Franzose ist keinesfalls eine Schlaftablette, aber eher von ausgeglichener Natur.

 Umwelt ★★★★☆

Der getestete 1.6 Liter Benziner ist kein neuer Motor, was auch an der fehlenden Start-Stopp-Automatik ersichtlich ist. Der Testverbrauch liegt mit 6.8 l/100 km noch im Rahmen des akzeptablen. Ab dem Sommer ist dann ein wirklich brandneuer Dreizylinder-Turbo mit Start-Stopp-Automatik und Euro 6 Abgasnorm erhältlich.
Der ebenfalls verfügbare Dieselmotor ist mit 4.1 l/100 km sehr genügsam.

Ausstrahlung ★★★★☆

Peugeot zeigt mit dem neuen 308 ganz klar, in welche Richtung sich die Marke entwickeln möchte. Der Franzose wirkt hochwertig und strahlt genügend Selbstbewusstsein aus.

Fazit ★★★★☆

+ Klares, fliessendes Design
+ Gutes Preis-/Leistungsverhältnis
+ Hohe Verarbeitungsqualität
+ Grosszügige Ausstattung
+ Ausgewogenes und komfortables Fahrverhalten
+ Innovatives Cockpit
+ Grosser Kofferraum

– Etwas träger Motor
– Enge Platzverhältnisse im Fond
– Halbbatziger Abstandstempomat

Steckbrief

Marke / ModellPeugeot 308
Preis Basismodell / Testwagen20'900 CHF / 39'670 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1598 ccm / R4
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung115 kW
Max. Drehmoment240 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h8.4 s
Vmax210 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5.6 l/100 km / 129 g/km / C
Verbrauch Test / CO2 Emissionen6.8 l/100 km / 156 g/km
Länge / Breite / Höhe4.25 m / 1.80 m / 1.46 m
Leergewicht1330 kg
Kofferraum470 - 1309 l

(Bilder: Peugeot)

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