Engel und Teufel: Porsche Macan Turbo

Ganz ehrlich, ich kann es nicht mehr hören, auch wenn Porsche selber davon spricht: “Der Macan, das neue Kompakt-SUV von Porsche.” Was zum Teufel ist am Macan schon kompakt? Höchstens die Serienausstattung. Nur, weil er ein bisschen kleiner ist als der Cayenne, ist er noch lange kein Kompakt-SUV, sondern siedelt sich in der gehobenen Mittelklasse an. Aber auch die Aussage gewisser Forum-Nörgler, dass Porsche bald nur noch “Super-Unnütze-Vehikel” baut, geht mir auf den Sack. Der Porsche Macan ist nämlich alles andere als “super unnütz”, sondern ein wahres Multitalent, das nicht nur einigermassen geländefähig ist, sondern manche Sportler und Möchtegern-Sportler auseinander nimmt – weil er eben in erster Linie ein Porsche ist.

Die Nähe zum grösseren Bruder Cayenne ist deutlich vorhanden, die beiden sehen sich nämlich von vorne zum Verwechseln ähnlich. Erst am Heck ist der Macan durch die breiten, flachen und filigranen Rücklichter deutlich vom Cayenne zu unterscheiden.

Porsche Macan Turbo
Feine LED-Rücklichter

Porsche schwört, dass auch im – machen wir uns nicht vor – massigen Macan die Seele des 911er drin steckt. Sogar optische Anleihen soll er haben, beispielsweise die Fensterlinie, wobei zur Entdeckung der Ähnlichkeit schon eine gehörige Portion Fantasie dazugehört. Der Macan liegt nicht so hoch, dafür schön breit auf der Strasse und insbesondere der Turbo mit seinen mächtigen Lufteinlässen vorne schindet ordentlich Eindruck. Die Potenz ist ihm klar anzusehen, ohne dass er überheblich wirkt.

Porsche Macan Turbo
Wer sucht, findet in der Fensterlinie ein bisschen 911er im Macan.

Der Innenraum wirkt modern und dank Cockpit-Look auch cool, aber unübersichtlich. Trotzdem hat alles seine Logik. Wer einmal Porsche gefahren ist, findet sofort alle Einstellungen auf Anhieb. Das einzige Highlight im Macan Cockpit ist das Lenkrad, welches aus dem 918 Spyder stammt und durch den kompakten Durchmesser und die schönen Schaltwippen überzeugt.

Porsche Macan Turbo
Sogar ein Stück 918 Spyder steckt im Macan – nämlich das Lenkrad.

Die verwendeten Materialien sind top und ganz klar auf Porsche Niveau – ganz im Gegensatz zu den harten Druckpunkten und dem billigen Druckgeräusch der Knöpfe auf dem Lenkrad und jenen um den Touchscreen herum. Einverstanden, auf höherem Niveau jammern geht kaum noch, aber hey, es ist ein Porsche. Da wird gar nichts geduldet. Ebenfalls suboptimal ist das Platzangebot. Weder die Bein- und Kopffreiheit hinten, noch das Kofferraumvolumen von 500 – 1500 Litern haut einem aus den Socken, da bieten einige, wirklich kompakte SUVs mehr Platz.

Porsche Macan Turbo
Die Platzverhältnisse hinten sind nicht überragend.

Viel wichtiger bei einem Porsche ist ohnehin der Platz vorne links und den möchte man so schnell nicht wieder verlassen. Die erstklassigen Sportsitze sind für SUV-Verhältnisse tief positioniert, auf jede erdenkliche Art und Weise verstellbar und überhaupt beherrscht Porsche die Innenraum-Ergonomie mindestens so gut wie den Bau eines präzisen Sportwagens. Das Kombiinstrument umfasst nur drei und nicht wie gewohnt fünf einzelne Instrumente, was nicht nur viel besser, sondern auch übersichtlicher aussieht.

Porsche Macan Turbo
Nur drei statt fünf Instrumente. Weniger ist hier klar mehr.

Den analogen Tacho könnte Porsche sich denoch schenken, denn dessen Skalierung ist höchstens auf der Rennstrecke brauchbar. Das Zündschloss befindet sich selbstverständlich links vom Lenkrad und spätestens nach dessen Aktivierung ist der Macan mehr Porsche als SUV.

Der 3,6-Liter V6 Biturbo brüllt beim Start kurz auf und klingt im kalten Zustand so herrlich böse und schlecht gelaunt. Bei jedem Schaltvorgang bei mittlerer Drehzahl wird verächtlich geschnaubt, so muss das sein, die Sportwagen-Seele fühlt sich schliesslich nur bei entsprechender Soundkulisse befriedigt. Die Freude währt jedoch nicht lange, denn sobald das Triebwerk aufgetaut ist, ist schluss mit bösen Lautäusserungen.

Porsche Macan Turbo
Markante LED-Spots vorne.

Der V6 schnurrt wie ein Kätzchen vor sich hin, das Fahrwerk federt geschmeidig ein und aus, das PDK ist bei Tempo 60 schon im höchsten Gang. Geräuschkulisse? Kaum vorhanden. Abrahams Schoss muss mindestens so kuschelig und wohlig sein wie der Porsche Macan. Genau das wird wohl das grosse Erfolgsrezept vom Macan sein. Er kann so weich, sanft und leise sein, als ob er keiner Fliege etwas zu Leide tun möchte. Und wenn man ganz ehrlich ist, dann ist das frühmorgens eigentlich genau das, was man sich wünscht. Eine möglichst komfortable, entspannte und stressfreie Fahrt – es fehlt eigentlich nur noch eine Massagefunktion, aber vielleicht existiert sie ja in den Tiefen der Aufpreisliste.

Porsche Macan Turbo
Der Macan ist im Standardbetrieb eine fahrende Wohlfühl-Oase.

Nach einem harten Tag braucht man hingegen eine Möglichkeit, Druck oder Frust abzubauen. Auch jetzt empfiehlt sich der Macan, denn mit nur einem Knopfdruck ist der Macan entweder scharf (Sport) oder doppelt scharf (Sport Plus). Abrahams Schoss ist jetzt ganz weit weg, jetzt schiesst das zwei Tonnen Geschoss bei Bedarf wie vom Katapult abgeworfen los, Launch Control sei Dank. Der V6 dreht wunderbar gierig und linear hoch, bis auf 7000 Umdrehungen, richtig, richtig geil.

Porsche Macan Turbo
Er kann aber auch richtig böse werden.

Wenn der Macan getreten wird, klappts dann auch mit dem Sound, plötzlich röhrt und schnalzt es wieder, wie man es von einem Auto erwartet, das aus Stuttgart kommt und den Zusatz Turbo im Namen trägt. Erstaunlich ist die unglaubliche Lenkpräzision, die andere SUVs ganz klar deklassiert. Die Bremsen sind der Macht des Motors jederzeit gewachsen und beissen richtig böse zu. Dass beim scharfen Bremsen teilweise das ABS aktiviert wurde, muss an den brandneuen Winterreifen gelegen haben.

Porsche Macan Turbo
Die enorme Fahrpräzision distanziert ihn eindeutig von allen anderen SUVs. Ganz klar Porsche.

Ist der Macan also ein waschechter Sportwagen? Fast, denn in engen Kurven wird dann doch das hohe Gewicht spürbar, das nach aussen drängt. Aber sportliche Vertreter der Kompaktklasse oder andere SUVs sind für den Macan höchstens ein Snack zwischendurch, es muss schon hartes Geschütz auffahren, um dem Macan Turbo die Grenzen aufzuzeigen. Dieses “Engel und Teufel in einem” ist das faszinierende und wohl gewichtigste Argument vom Macan.

Ein eher weniger überzeugendes Argument ist der stolze Preis von 129’390 CHF, den Porsche für den Testwagen aufruft. Die Macan S und Diesel starten zwar “schon” bei 76’100 CHF, allerdings mit einer echt mageren Serienausstattung. Der Turbo ist grundsätzlich besser ausgerüstet, kostet aber mindestens 105’000 CHF, was ein ziemlich heftiger Sprung ist. Aber den Atem und eigentlich auch die Zeilen, um über Porsches Preispolitik zu sinnieren, sollte man sich schenken.

Porsche Macan Turbo
Natürlich ist er teuer. Aber wenn einer das S in SUV zu Recht trägt, dann er. Der Macan Turbo.

Wohle dem, der es sich leisten kann. Wer bereit ist, pro 100 Kilometer 11,4 Liter 98er Saft zu verfeuern, kann mit dem Kauf eines Macan nichts falsch machen.
Übrigens: In China wird der Macan als einfacher Macan (also ohne S) mit einem Vierzylinder Benziner verkauft. Nur als Info an alle, die sich beschweren, dass Porsche mit Vierzylindern experimentiert. Das ist schon jetzt Realität. Schöne neue Welt.

Alltag ★★★★★

Einerseits ein guter Sportwagen, aber doch praktisch und vielseitig. Ein Raumwunder ist der Macan jedoch nicht, von seinen recht üppigen Aussenmassen bleibt innen ab der B-Säule gar nicht so viel Platz übrig.
Hoher Federungskomfort und eine Armada an Assistenzsystemen machen das Fahren mit dem Macan zum Genuss.

Fahrdynamik ★★★★☆

Für ein SUV ist die Präzision verblüffend. Wenn ein SUV das S zu recht im Namen trägt, dann der Macan. In engen, hintereinander folgenden Kurven ist das hohe Gewicht zu spüren, ansonsten ist er aber eine rechte Granate. Der Sound ist leider nur unter hoher Last ein Genuss.

Umwelt ★★☆☆☆

Wie bei Deutschen Autos so oft der Fall, liegt auch beim Macan der Testverbrauch mit 11,4 Liter deutlich über dem Normverbrauch von 9,2 Liter. Aber immerhin gaukelt der Macan Turbo einem nicht vor, dass er einigermassen sparsam sein möchte, diese Rolle übernimmt der Diesel.

Ausstrahlung ★★★★☆

Vorne bullig und hinten zurückhaltend kommt der Macan sicher überall gut an. Der Macan sieht so sportlich aus, wie es ein SUV eben kann. Stimmige Proportionen hat er auf jeden Fall.

Fazit ★★★★☆

+ Unglaubliche Fahrpräzision
+ Engel und Teufel in einem, nur einen Knopfdruck voneinander entfernt
+ Perfektes Getriebe
+ Geschmeidiges Luftfahrwerk
+ Erstklassige Sportsitze
+ Perfekte Ergonomie
+ Hochwertige Materialien
+ Sehr viele Assistenzsysteme erhältlich

– Hoher Preis
– Motorsound eher zurückhaltend
– Druckpunkt einiger Knöpfe nicht Porsche-würdig
– Hoher Verbrauch
– Raumangebot nicht übermässig

Steckbrief

Marke / ModellPorsche Macan Turbo
Preis Basis­modell / Testwagen76'100 CHF / 129'390 CHF
AntriebBenzin, Allrad
Hubraum / Zylinder3604 ccm / V6
GetriebePDK 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Max. Leistung294 kW bei 6000 r/min
Max. Drehmoment550 Nm bei 1350 - 4500 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h4,6 s
Vmax266 km/h
Verbrauch NEFZ / CO2 Emissionen / Energieeffizienz9,2 l/100 km / 216 g/km / G
Verbrauch Test / CO2 Emissionen / Differenz11,4 l/100 km / 268 g/km / + 24%
Länge / Breite / Höhe4,69 m / 1,92 m / 1,62 m
Leergewicht2000 kg
Koffer­raum­volumen500 - 1500 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

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