Porsche Panamera: Der kann den Spagat

Der Porsche Panamera geht in die zweite Runde. Die erste Generation wurde über 100’000 mal verkauft, die Nachfolgergeneration soll diesen Erfolgskurs jetzt beibehalten. Auf den ersten Blick sieht es bloss nach einem Facelift aus, doch es hat sich mehr getan, als es scheint. Die bestehenden Modelle wurden optisch und technisch überarbeitet, doch es sind auch neue Modelle hinzugekommen, namentlich die Executive Varianten mit verlängertem Radstand und der E Plug-in Hybrid, der erste Plug-in Hybrid überhaupt im Luxus Segment. Wie fährt sich der neue Luxussportler, der Komfort, Effizienz und Sportlichkeit vereinen soll?

Um die neue Generation überhaupt als solche zu identifizieren, muss man schon ein grosser Panamera Fan sein. Denn nur kleine Retuschen an der Karosserie und Beleuchtung weisen auf das neue Modell hin, der Panamera hat sich behutsamer weiter entwickelt als der Golf. Das gesamte Design ist eher auf Understatement ausgelegt, lediglich an den vier massiven Auspuffendrohren erkennt man die Power, die im Panamera steckt. Das schlichte Design ist sehr geschmeidig, weder Antenne, noch Heckscheibenwischer (kann optional bestellt werden) stören die Ästhetik, die Linien des 5.02 Meter langen (Executive: 5.17 Meter) und 1.93 Meter breiten Luxussportlers sind sehr fliessend.
Das Interieur ist, wie nicht anders zu erwarten im sechsstelligen Preisbereich, feudal eingerichtet, allerdings kosten viele Annehmlichkeiten extra. Porsche typisch dominiert die ansteigende Mittelkonsole, welche Fahrer und Beifahrer schön voneinander separiert. Die Sportsitze, welche beheizt und auf Wunsch auch belüftet sind, bieten guten Seitenhalt und sind sehr bequem. Überhaupt gibt es an der Ergonomie im Panamera nichts auszusetzen, alles sitzt perfekt. Auch die Bedienung der Fahrmodi und des Mediasystems ist selbsterklärend, sobald man sich kurz damit auseinandergesetzt hat. Kleiner Wermutstropfen: Das Smartphone kann nicht gleichzeitig via USB und Bluetooth gekoppelt werden, zudem kommt das Mediasystem nicht mit Spotify zugange.
Im Porsche Panamera geniessen alle vier Passagiere höchsten Komfort und grosszügige Platzverhältnisse. In der Executive Version, welche vor allem asiatische Kunden ansprechen soll, herrschen im Fond fürstliche (Platz)-Verhältnisse. An der Innenraumausstattung gibt es sowieso keine Kritik auszuüben, es sei denn, man ist bisher ausschliesslich Rolls-Royce gefahren.

Beim Start geben die konventionell angetriebenen Panameras ein kurzes Fauchen von sich, um anschliessend in einen leise grummelnden Leerlauf zu verfallen. Anders der Plug-in Hybrid, der vollkommen lautlos sein System im rein elektrischen E-Power Modus startet und dem Fahrer via Infodisplay das Okay zum Losfahren gibt. Es gibt wohl nur wenige andere Autos, welche den Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit so souverän meistern wie der Panamera. Beinahe selbstverständlich, dass im Panamera Motor / Getriebe, sowie Fahrwerk / Dämpfer separat in den Modi Normal, Sport und Sport Plus justiert werden können. Als Fahrer hat man somit die Möglichkeit, den Charakter des Autos innert Sekunden grundlegend zu verändern. Während in der Normalstellung das Fahrwerk schön federt und das Getriebe es kaum erwarten kann, den nächsthöheren Gang einzulegen, ändert die Stellung Sport schon einiges. Das Auto versteift sich deutlich, das PDK schaltet später hoch, dafür früher runter und die Gasannahme ist sensibler. Im Sport Plus Modus geht dann der Federungskomfort flöten, dafür kommt kompromisslose Sportlichkeit ans Licht. Der Motor giert nun regelrecht nach höheren Drehzahlen, das PDK schaltet beim kleinsten Gasstoss in den Gang, der die bestmögliche Beschleunigung bietet und wechselt die Gänge wirklich blitzschnell, man spürt rein gar nichts zwischen den Gangwechseln. Ist der Panamera auf Sport getrimmt, meistert er auch scharfe Kurven trotz des hohen Leergewichts von mehr als 1.8 Tonnen meisterhaft, was unter anderem auch der messerscharfen Lenkung und den mächtigen Bremsen zu verdanken ist. Die neuen V6 (Biturbo) Motoren verbrauchen rund 18% weniger als ihre V8 Vorgänger, der schwächste Panamera verbraucht jetzt laut Werk 8.4 l/100 km. Ebenfalls positiv für den Verbrauch ist die Segelfunktion des PDKs, welches den Motor im Schubbetrieb entkoppelt. Die Testwerte von rund 13 l/100 km sind aufgrund Vollgasphasen auf der Autobahn nicht repräsentativ.
Auch der Plug-in Hybrid ist durch eine Systemleistung von 416 PS (Kombination von V6 Kompressormotor mit 333 PS und E-Motor mit 95 PS) und denselben Eigenschaften wie die reinen Benziner ein waschechter Sportwagen. Doch von allen beherrscht er das gelassene Cruisen am besten, was am Fahrmodus E-Power liegt. Beinahe lautlos, wie bei Elektroautos üblich, gleitet man dahin, durch die starke Schalldämmung im Panamera ist es beinahe gespenstisch ruhig im Auto. Der E-Motor alleine beschleunigt das Auto auf maximal 135 km/h, bis zu 36 Kilometer elektrische Reichweite soll möglich sein. Seine Energie bezieht der E-Motor aus einem 9.4 kWh Li-Ion Akku, welcher 130 Kilo wiegt. Der Test hat gezeigt, dass sich mit einem vorausschauenden Fahrstil über 40 Kilometer elektrisch zurücklegen lassen. Eine schöne Grafik im Infodisplay visualisiert den Energiefluss, ein künstlicher Druckpunkt im Gaspedal lässt den Fahrer wissen, dass jetzt die Höchstleistung vom E-Motor abverlangt wird. Gibt man trotzdem mehr Gas, schaltet sich der Benziner dazu, um beispielsweise ein Überholmanöver zu starten. Geht man wieder vom Gas, verstummt der Benziner augenblicklich. Neben dem E-Power Modus gibt es noch den klassischen Hybrid Modus, in welchem beide Motoren gemeinsam für bestmögliche Effizienz arbeiten und der Akkustand quasi “eingefroren” wird. Im E-Charge Modus, eine Besonderheit dieses Plug-in Hybrids, kann der Akku während der Fahrt vom Benziner geladen werden. Dies funktioniert durch Lastpunktverschiebung des Verbrenners und durch die Umfunktionierung des E-Motors in einen Generator. Laut Porsche arbeitet der Benziner auf diese Weise sogar effizienter, als in einem konventionell angetriebenen Modell, da weniger Energie einfach in Wärme verpufft. Last but not least gibt es natürlich noch den Sport (Plus) Modus, in welchem beide Motoren für beste Performance gemeinsame Sache machen und das Auto in 5.5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bis auf 270 km/h beschleunigen – ein echter Porsche eben, trotz e-hybrid Schriftzug. Bei einem Test mit voll geladenem Akku über 87 Kilometer erreichte ich einen Verbrauch von 4.5 l/100 km (NEFZ: 3.1 l/100 km), ein beeindruckender Wert für einen zwei Tonnen schweren Öko-Luxussportler.

Porsche bietet als Zückerchen auch noch eine Car Connected App (siehe Bilder) an, welche den Fahrer über gewisse technische Parameter seines Panameras informiert und insbesondere beim E-Hybrid um wichtige Funktionen erweitert wird. So kann man beispielsweise den Ladevorgang starten oder stoppen, sowie das Fahrzeug vorklimatisieren.
Bereits beim Marktstart stehen zehn verschiedene Modellvarianten im Angebot, Anfang 2014 folgen ein neuer Diesel, sowie Turbo S und Turbo S Executive. Die Preise beginnen bei 112’200 CHF für den Panamera Diesel mit 250 PS, der Panamera mit 310 PS kostet 113’800 CHF, jedoch ist die Aufpreisliste unverschämt lang und die darin aufgeführten Preise teilweise eine Frechheit. Allerdings spielt das in diesem Segment nur noch eine untergeordnete Rolle. Ernsthafte Schwächen kennt der Panamera nicht, dieses Auto ist nahezu perfekt, was man bei diesen Preisen aber auch voraussetzt.

Alltag ★★★★☆

Komfortabler als im Panamera kann man kaum reisen, allerdings ist der Kofferraum mit 445 Litern recht schmal bemessen. Alle Sitze sind auf Wunsch beheizt und klimatisiert und bieten optimalen Seitenhalt. Nichtsdestotrotz gibt es sparsamere Reisewagen, zudem wird es in Parkhäusern aufgrund der stolzen Aussenmassen ziemlich eng, die schlechte Rundumsicht erschwert das Manövrieren zusätzlich.

Fahrdynamik ★★★★★

Obwohl fünf Meter lang und über 1.8 Tonnen schwer, ist der Panamera ein echter Sportwagen, der weit mehr als nur geradeaus brettern kann. Die Lenkung ist äusserst präzise und im Modus Sport (Plus) arbeiten Fahrwerk, Getriebe und Gasannahme so sensibel, dass die nächste Kurve nur kommen soll. Dass kräftiges Bremsen bei Porsche mehr einem Ankerwurf als Verzögerung gleichkommt, steigert das Fahrerlebnis zusätzlich.

 Umwelt ★★★★☆

Downsizing, Start-Stopp-Automatik, Segelbetrieb, Plug-in Hybrid und ein sparsamer Dieselmotor sind vorhanden. Die neuen V6 Benziner verbrauchen angesichts des hohen Leergewichts und der Leistung nicht sonderlich viel. Für den fünften Stern fehlt aber eine Zylinderabschaltung.

Ausstrahlung ★★★★★

Eleganz und Sportlichkeit in einer schönen Form (okay, ist Geschmacksache) sowohl aussen, als auch innen. Der Markenwert Porsche bleibt auch beim viertürigen Sportler erhalten.

Fazit ★★★★★

+ Verarbeitung auf höchstem Niveau
+ Berauschende Fahrleistungen
+ Präzise Lenkung
+ Kraftvoll zupackende Bremsen
+ Perfekt schaltendes PDK Doppelkupplungsgetriebe
+ Exzellente Geräuschdämmung
+ Effiziente Antriebe
+ Perfekter Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit
+ Viele Individualisierungsmöglichkeiten
+ Grosse Modellvielfalt

– Exorbitante Grund- und Options-Preise
– Nur 2 Jahre Werksgarantie
– Unübersichtliche Karosserie

(Bilder: Frank Ratering)

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