Range Rover Sport: Waffenscheinpflichtiges Geschoss

Grenzt es nicht beinahe an Hohn, ein deutlich über zwei Tonnen schweres und fast fünf Meter langes Auto Sport zu nennen? Und dieses angeblich sportliche Schlachtschiff soll auch noch voll geländegängig sein – ich muss da unweigerlich an die schicken 22″ Alus im Katalog denken, wie sie im Gelände womöglich zerkratzt werden. Aber das ist noch nicht alles, denn eine mobile Luxusoase ist der sportlich-geländegängige Koloss auch noch. Sozusagen die automobile Vollendung? Ich stehe vor dem Range Rover Sport und könnte er meine Gedanken lesen, er würde mich ob all diesen Unterstellungen an Ort und Stelle platt walzen. Also ernte ich den Fahrerplatz, um die Argumente vom RR Sport zu erfahren.

Was passiert, wenn man einen Range Rover Evoque und einen Range Rover in den Mixer schmeisst? Richtig, es entsteht ein Range Rover Sport. Der Sport übernimmt von beiden Modellen gewisse Elemente, so dass die grobschlächtige Karosserie nicht nur respekteinflössend, sondern auch dynamisch wirkt. Im Vergleich zum grossen Range Rover ist der Sport etwas kürzer und flacher, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass auch der Range Rover Sport eine Felswand zu einem Auto ist. Selbst handelsübliche Kompakt-SUVs wirken neben dem RR Sport, als wären sie zu heiss gewaschen worden. Ein massiver Dachkantenspoiler, rote Bremssättel, Lüftungskiemen und bis zu 22″ grosse Felgen unterstreichen den sportlichen Charakter. Optional kann der Range Rover Sport in einer Bi-Color Lackierung die Aufmerksamkeit erregen. Der Testwagen, komplett in Schwarz, mit getönten Scheiben und schwarzen Felgen hatte aber auch seinen Reiz.
Der Innenraum ist in verschiedensten Farbkombinationen und diversen Dekorelementen konfigurierbar, je höher die Ausstattungslinie, umso grösser die Auswahl. Die Sitze sind top: vielfach verstellbar, super bequem und doch sehr gut stützend. Das Cockpit ist übersichtlich gestaltet, da die meisten Einstellungen über den zentralen Touchscreen vorgenommen werden können. Auf Wunsch ist auch die Instrumententafel voll digital. Der griffige Joystick-Schalthebel wurde aus dem F-Type übernommen, ebenso die Schaltwippen. Optional ist der Sport auch als 7-Plätzer erhältlich, der Testwagen war aber ein 5-Plätzer. Es hat für alle Passagiere fürstliche Platzverhältnisse, auch die Rückbank ist gut ausgeformt und sehr bequem. Die Fond-Passagiere haben sogar ihre eigene Klimaanlage. Der Kofferraum fasst gigantische 784 – 1761 Liter Volumen, lediglich die sehr hohe Ladekante ist ein bisschen umständlich.

Nach dem Druck auf den Startknopf meldet sich der 3.0 Liter V6 Benziner, von einem Kompressor unter Druck gesetzt, heiser und brummig zum Dienst. Ein schöner und satter Klang, der die Vorfreude erhöht, die 250 kW und 450 Nm am eigenen Leib zu erfahren. Technisch basiert der Range Rover Sport auf dem grossen Range Rover, er übernimmt dessen Aluminiumkarosserie und hat dadurch gegenüber dem Vorgänger massiv abgespeckt: je nach Ausstattung nämlich über 400 Kilo! Ein Fliegengewicht ist der Range Rover Sport dadurch natürlich noch lange nicht, der Testwagen bringt immer noch rund 2.2 Tonnen auf die Waage. Angesichts der gewaltigen Masse, die bewegt werden muss, scheint der Normverbrauch von 10.7 l/100 km noch einigermassen akzeptabel. Eine Start-Stopp-Automatik ist serienmässig immer an Bord.
Bereits auf den ersten Metern gefällt die dezente, aber sonore und sportliche Klangentfaltung des V6 Kompressormotors. Der Benziner dreht leichtfüssig bis auf knapp 7000 Umdrehungen, hervorragend unterstützt von der 8-Stufen Automatik, die sanft und doch blitzschnell schaltet. Es überkam mich nie der Wunsch nach noch mehr Leistung und dennoch frage ich mich, wie der Range Rover Sport wohl mit dem 375 kW starken V8 abgeht. Das muss Irrsinn pur sein, wenn so ein Schlachtschiff in gerade mal fünf Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultiert wird – da bräuchte man meiner Meinung nach schon fast einen Waffenschein für dieses grosskalibrige Geschoss. Zu schnell fahren kann man mit dem Range Rover Sport zu leicht, wenn ihr versteht, was ich meine. Kurven, sofern nicht allzu eng, stellen kein grosses Hindernis dar, vor allem, da die Dynamic Modelle mit dem Dynamic Response, einem adaptiven Fahrwerk inkl. Wank- und Neigungskontrolle, ausgestattet sind. Aber ist Sport wirklich die Paradedisziplin vom RR Sport? Denn als gemütlicher Gleiter ist er mindestens ebenso talentiert. Tempomat auf 130 km/h eingestellt und der V6 grummelt bei 2000 Umdrehungen zufrieden vor sich hin, während Wind- und Reifengeräusche draussen bleiben. Natürlich lässt sich der (erwiesen) sportliche Range Rover mit allen erdenklichen Assistenzsystemen ausstatten. Stossend finde ich allerdings, dass alle Systeme selbst in der höchsten Ausstattungslinie nochmals extra kosten, Land Rover schenkt einem diesbezüglich wirklich nichts. Nettes Gadget: Mit dem sogenannten Wade Sensing misst der RR Sport die Watttiefe und schlägt Alarm, wenn die Tiefe kritisch wird. Im Gelände habe ich ihn nicht getestet, dafür fehlt mir leider die praktische Erfahrung und der Mut. Aber mit den passenden Reifen sind dem Range praktisch keine Grenzen gesetzt. Wer mir nicht glaubt, der soll einfach mal “Range Rover Sport Offroad” bei YouTube eingeben…

Wenn ich den RR Sport Revue passieren lasse, muss ich zugeben, dass er ein verdammt gutes und geiles Auto ist. Aber alles fordert seinen Tribut: Die mächtige Karosserie macht Parkieren zur Geduldsprüfug, das trotz der Diät nach wie vor hohe Gewicht hält den Verbrauch entsprechend hoch und auch intelligente Systeme wie das Dynamic Response kaschieren das Gewicht bei sportlicher Fahrweise nur bis zu einer gewissen Grenze. Nichtsdestotrotz ist der RR Sport sehr fahraktiv und gleichzeitig mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet. Dass er im Gelände seiner Konkurrenz überlegen ist, glaube ich Land Rover blind. Das alles hat natürlich seinen Preis: Bei 79’000 CHF beginnt die Preisliste und die ist kein Vergnügen, denn verdammt viele angenehme Dinge kostet extra. Der Testwagen ist mit 116’400 CHF angeschrieben; da geht aber noch weit mehr, allein deswegen, weil der V8 auch noch existiert. Neben den beiden erwähnten Benzinern sind auch noch zwei V6 Diesel, ein V8 Diesel und seit kurzem ein Diesel-Hybrid erhältlich.

Alltag ★★★★☆

Dem RR Sport werden für eine 5-Sterne Wertung seine eigenen Masse zum Verhängnis. Grundsätzlich fehlt es weder dem Range an Etwas, noch dem Fahrer, der den Range fährt. Platz, Komfort, alles reichlich vorhanden, sogar noch viel mehr. Nachteilig sind jedoch der hohe Verbrauch und die schiere Grösse, denn jede Fahrt endet mit einem Parkmanöver – und jene sind mit dem RR Sport trotz Parksensoren und Rückfahrkamera kein Vergnügen.

Fahrdynamik ★★★★☆

Der getestete Range Rover Sport hat für alle Lebenssituationen genügend Kraft. Die Lenkung ist sehr angenehm, da ein gewisser Kraftaufwand verlangt wird. Das adaptive Fahrwerk mit optionaler Wankstabilisierung tut sein Bestes daran, wenn der Fahrer den RR Sport ausreizen will. Die Briten haben hervorragende Arbeit geleistet, der Range ist sehr fahraktiv. Aber auch für ihn gelten die Gesetze der Physik und 2.2 Tonnen bleiben eben immer 2.2 Tonnen.

Umwelt ★★☆☆☆

Eigentlich ist der Verbrauch laut Werk mit 10.7 l Benzin / 100 km angesichts des Gewichts und der Fahrleistungen gar nicht sooo schlecht und eine Start-Stopp-Automatik ist auch noch an Bord. Der Realverbrauch lag mit 12.2 l/100 km schon ein bisschen höher und in absoluten Zahlen gesehen ist es eben schon ein bisschen viel.

Ausstrahlung ★★★★★

Der RR Sport hat bei mir und meinem Umfeld für pure Begeisterung gesorgt. Keine Frage, die mächtige Karosserie und das im Dunkeln auf den Boden projizierte Range Rover Logo schinden mächtig Eindruck. Ein wahres Monument zu einem Auto.

Fazit ★★★★★

+ Exzellente Material- und Verarbeitungsqualität
+ Viele Assistenzsysteme erhältlich
+ Mächtiges und dynamisches Design
+ Verhältnismässig sehr sportliche Fahrweise möglich
+ Extrem komfortabel zum Fahren
+ Perfektes Automatikgetriebe
+ Dynamic Response
+ Bei ruhiger Fahrt sehr leise

– Aufpreispolitik
– Hoher Verbrauch
– In engen Verhältnissen zu gross und unhandlich

Steckbrief

Marke / ModellRange Rover Sport 3.0 S/C
Preis Basismodell / Testwagen79'000 CHF / 116'400 CHF
AntriebBenzin, permanenter Allradantrieb
Hubraum / Zylinder2995 ccm / V6
Getriebe8-Stufen Automatikgetriebe
Max. Leistung250 kW
Max. Drehmoment450 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h7.2 s
Vmax210 km/h
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz10.7 l/100km / 249 g/km / G
Verbrauch Test / CO2 Emissionen12.3 l/100 km / 286 g/km
Länge / Breite / Höhe 4.85 m / 2.0 m / 1.78 m
Leergewicht2212 kg
Kofferraum784 - 1761 l

(Bilder: Land Rover)

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