Range Rover Velar: Juwel auf Abwegen

Man könnte, wenn man wollte. Aber man will nicht. Definitiv nicht. Ins Gelände? Mit diesem Schmuckstück? Nein, danke! Dafür ist der Velar viel zu schön, selbst wenn er als Range Rover natürlich zu allen Schandtaten abseits befestigter Strassen bereit wäre. Was die Briten auf die Räder gestellt haben, ist zweifelsfrei etwas vom erotischsten, was man im SUV-Segment generell haben kann. Auch technisch ist der Velar aktuell das Fortschrittlichste, was Range Rover zu bieten hat. Die Marketing-Leute scheinen um den guten Wurf Bescheid zu wissen, denn entsprechend teuer ist der Velar.

Was den Velar so speziell und begehrenswert macht, ist sein ausserordentlich cleanes Design. Die Front wirkt wie aus einem Guss, kein einziges störendes Element (wie beispielsweise Türgriffe) stört die Seitenlinie und das flache, knackige Heck ist überhaupt nicht typisch für Range Rover. Auch wenn die britischen Geländewagen zweifelsfrei erhaben und elegant wirken, so sind es doch allesamt rund 1,80 Meter hohe Kasten. Nicht so der Velar, der nur wenige Zentimeter kleiner als ein Range Rover Sport, aber 14 Zentimeter flacher ist. Die Gürtellinie ist jedoch weiterhin sehr hoch, die Fenster sind dafür kleiner. Das alles sorgt für ein extrem sportliches und modernes Design. Einfach top.

2017 Range Rover Velar
Das glatte Seitenprofil ist bei einem SUV ungewohnt – ungewohnt sexy! Bild: auto-illustrierte

Das Interieur ist nicht minder revolutionär. Land Rover macht Nägel mit Köpfen und verbannt bis auf den Warnblinker einfach mal jeden Knopf aus dem Cockpit. Stattdessen dominieren zwei Touchscreens den vorderen Innenraum. Der obere Touchscreen bedient das eigentliche Infotainmentsystem, während über den unteren Klima, Sitze und Fahrmodi gesteuert werden. Jedoch kann auch über den unteren Screen das Multimedia und das Smartphone angesteuert werden. Zwei Drehregler ermöglichen es zudem, blind die Temperatur oder die Sitzheizung zu regulieren, trotzdem ist die Bedienung nur schwer ohne Ablenkung möglich.

2017 Range Rover Velar
Die Kommandozentrale.

Futuristisch sieht der Velar aus, wobei der moderne Look durch die coolen, silbernen Zierelemente mit braun-goldigen Reflexionen (exklusiv für die First Edition) weiter gesteigert wird. Die Materialien sind erlesen: Leder, Alcantara sowie Aluminium, wohin die Hand auch reicht. Nicht ganz so überragend ist das Platzangebot im Fond. Zwar sitzt man auch dort erstklassig, aber für ein 4,80 Meter langes SUV ist die Beinfreiheit eher knapp. Alles andere als knapp ist dafür der Kofferraum, der 673 – 1731 Liter schluckt.

2017 Range Rover Velar
Die Tasten auf dem Lenkrad sehen aus wie Sensortasten, sind aber richtige Knöpfe.

Ohne dem Velar nun zu nahe treten zu wollen, muss ich verkünden, dass das Fahrverhalten weniger spektakulär ist, als das Auto im Stand wirkt. Das heisst nicht, dass der Velar schlecht fährt, aber schweben kann so ein Range Rover halt nicht und weil es seitens Fahrkomfort nichts Neues zu vermelden gibt, beschränkt sich der Wow-Effekt aufs Einsteigen und setzt sich beim Fahren nicht fort.

2017 Range Rover Velar
Das x-beliebig verstellbare Gestühl sitzt und stützt perfekt.

Es gibt nebst dem objektiven Fahrverhalten aber auch noch das subjektive Fahrgefühl und selbiges ist schon sehr majestätisch. Man thront zwar nicht wie sonst in einem Range Rover über dem Verkehrsgeschehen, allerdings sitzt man im Velar so schön eingebettet wie in Abrahams Schoss. Am liebsten würde ich diesen Sessel ausbauen und zu Hause in die Stube stellen, so bequem ist der! Von den Fahrgeräuschen hört man herzlich wenig und was man vom V6-Biturbodiesel hört, ist nicht lärmig oder nagelnd, sondern erfreulich kernig.

2017 Range Rover Velar
Die unteren Lufteinlässe sind Teil des R-Dynamic Pakets. Sehr empfehlenswert!

Während man also dahingleitet, seine Lieblingsplaylist über das 1300 Watt Meridian Surround-System förmlich zum Leben erweckt, die Ambientebeleuchtung in der Lieblingsfarbe leuchtet und man den Rücken mit einem der fünf Massageprogramme durchkneten lässt – tja, da muss mir eigentlich keiner kommen, von wegen Zug fahren sei bequemer, selbst wenn es 1. Klasse ist. Der Wohlfühl-Faktor an Bord des Velar ist extrem weit oben.

2017 Range Rover Velar
Modern und äusserst hochwertig präsentiert sich der Velar innen.

Schön, dass es der Velar von Hightech nur so strotzt. Besonders toll ist das Matrix-LED-Licht mit Laser-Fernlicht. Auf nächtlichen Autobahn-Fahrten wird die eigene Fahrbahn praktisch bis zum Horizont erleuchtet, ohne dass es die entgegenkommenden Fahrer stört. Das hässliche, orangefarbene Head-Up-Display früherer Range Rover Modelle ist passé, das Neue ist schön farbig und gestochen scharf. Das Einzige, was noch fehlt, ist ein aktiver Spurhalteassistent, der automatisch das Auto in der Spur hält und nicht erst bei drohendem Verlassen gegenlenkt.

2017 Range Rover Velar
Im Gegensatz zu Sportwagen mit versenkbaren Türgriffen lassen sich jene vom Velar ganz konventionell bedienen.

Auch wenn das Design es vielleicht suggeriert, mit Sportlichkeit hat der Velar nicht besonders viel am Hut. Die Lenkung ist leichtgängig, das Fahrwerk gibt sich der Seitenneigung hin, anstatt sie zu bekämpfen und knapp 2,3 Tonnen Gewicht sind halt eine ganze Menge Kilos. Aber das ist okay, denn der Velar ist – so wie er dasteht – ein wunderschöner Gleiter mit Offroad-Qualitäten. Es würde mich überdies nicht wundern, wenn Jaguar Land Rover’s SVO Abteilung (Special Vehicle Operations) nicht schon eine V8-Granate im Köcher hat, oder zumindest darüber nachdenkt. 😉

2017 Range Rover Velar
Das bullige Heck mit der sehr steilen Heckscheibe wirkt knackig.

Mit dem Velar sind die Briten nicht nur designtechnisch sehr mutig, sondern sie sind auch in eine kleine Nische gesprungen. Audi Q5, BMW X3, Volvo XC60? Sind alle kleiner. Audi Q7, BMW X5, Volvo XC90? Sind alle grösser. Und dazwischen? Genau da platziert sich der Velar mit einem Grundpreis von 64’900 Franken. Das ist aber meilenweit von dem entfernt, was ich hier teste, denn die luxuriöse First Edition spielt mit 122’500 Franken in einer ganz anderen Liga. Das sind jetzt die beiden Extreme, aber ein Preis, der in die sechsstellige Richtung geht, ist realistisch, es sei denn, man gibt sich in einem Range Rover mit vier Zylindern zufrieden. Das sind stolze Preise, der Velar ist kaum günstiger als der Range Rover Sport, aber Designerstücke waren halt schon immer etwas teurer. Ausserdem hat der Velar bewiesen, dass er vielmehr kann, als nur gut aussehen!

2017 Range Rover Velar
Gut möglich, dass noch eine besonders starke Variante folgt!

Alltag 4.5 out of 5 stars

Der riesige Kofferraum dürte jedem Platzanspruch gerecht werden, Sitzriesen dagegen wünschen sich einen geräumigeren Fond. Praktisch ist die Luftfederung, womit sich der Velar fürs Beladen absenken und für Offroad-Fahrten anheben lässt.

Fahrdynamik 3 out of 5 stars

Wenig aufregend ist das Handling des Velar. Er ist ganz klar ein Gleiter, der zwar nichts gegen zügige Fahrten auf weitläufigen Strassen hat, aber enge Kehren überhaupt nicht mag. Bei sehr forciertem Gasgeben neigt das Heck zum Übersteuern, was das ESP mit einem rabiaten Eingriff kontert.

Umwelt 3.5 out of 5 stars

Zwar sind 8,8 l/100 km für soviel Auto und soviel Leistung noch in Ordnung. Wie der utopische NEFZ-Wert von 6,4 l/100 km zu Stande kommt, ist mir jedoch ein Rätsel.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Mit seiner flachen Fensterfläche, dem cleanen Design und der sportlichen Front ist der Velar ein echter Eyecatcher, der sich sowohl auf dem Waldweg, als auch in der Stadt von der besten Seite zeigt.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Cleanes, extrovertiertes Design mit versenkbaren Türgriffen
+ Exzellente Sitze mit diversen Massage-Programmen
+ Feinste Materialien, tadellose Verarbeitung
+ Schickes Cockpit mit hochwertigen Touchscreens
+ Umfangreiche Vernetzung
+ Kerniger Dieselmotor mit mächtigem Schub
+ Sanftes, perfekt schaltendes Getriebe
+ Exzellentes Matrix-Laser Fernlicht
+ Sehr viele Assistenzsysteme verfügbar
+ Dreistufiges Luftfahrwerk
+ Äusserst leises Fahrverhalten

– Hohes Gewicht
– Stolzer Preis
– Verhältnismässig knappe Beinfreiheit im Fond
– Rigoroses ESP

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellRange Rover Velar
Preis Basismodell / Testwagen68 600 CHF / 122 500 CHF
AntriebDiesel, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder2993 ccm / V6
Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Biturbomotor
Getriebe8-Gang Automatikgetriebe
Max. Leistung221 kW bei 4000 r/min
Max. Drehmoment 700 Nm bei 1500 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h6,5 s
Vmax241 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz6,4 l/100 km / 167 g/km / F
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz8,8 l/100 km / 230 g/km / +38%
Länge / Breite / Höhe4,80 m / 1,95 m / 1,67 m
Leergewicht2288 kg
Kofferraumvolumen673 - 1731 l

Bilder: Koray Adigüzel, auto-illustrierte (2)

1 thought on “Range Rover Velar: Juwel auf Abwegen”

  1. THANX! Ich denke, du hast exakt den Kern getroffen: DESIGN + INNENARCHITEKTUR + MARKETING = ein im Grunde absurd überteuertes Zeitgeist-Mobil, aber leider geil …. ich kam im Konfigurator mit dem 380 PS-Benziner auf knapp 90.000 Euro … da fällt einem echt nix mehr ein (fahre derzeit hauptsächlich einen serienmäßig voll ausgestatteten Grand Cherokee SRT, 468 PS, gekauft für 65.000.- …. und man bedenke: ein Range Rover Vogue kostet letztlich auch “nur” 30.000 mehr als der Velar – der allerdings im derzeitigen Modellprogramm unangefochtenals das modernste Model gelten kann. Wie diu selbst sagst: Warten wir auf das 550 PS V8-Modell (für vermutlich 120.000 €) … das wird das WILL-HABEN-Kult-Mobil!

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