Volvo C30 Electric: Elektrisierendes Nordlicht

E-Autos sind die Autos von Morgen, doch sie können schon heute gefahren werden. Entsprechend lautet auch das Leitmotiv des C30 Electric von Volvo: “Erleben Sie die Zukunft. Heute”. Doch wie fährt sich die Zukunft? Wie alltagstauglich ist die Elektromobilität? Und wie schlägt sich Volvo mit dem C30 Electric? Diese Fragen werden beantwortet, denn der Volvo musste sich meiner kritischen Untersuchung unterwerfen und ich habe wirklich jedes Feature ausprobiert und bin ihn auf verschiedene Arten gefahren.
Ein Dankeschön gebührt Volvo Schweiz, denn sie haben mir die Möglichkeit gegeben, dieses zukunftsweisende Auto ein paar Tage lang zu fahren.

Meine Äusserung, dass ich ein E-Auto bekomme, hat ein eindrückliches Echo ausgelöst. Ich war überrascht, dass viele Leute der Elektromobilität gegenüber nicht abgeneigt sind und ein ziemlich grosses Interesse da ist. Seltsamerweise wurde ich als erstes nicht nach dem Fahrverhalten, was eindeutig der interessanteste Aspekt ist, sondern nach dem Preis gefragt. “Was chostet das Teil?”, lautete die plumpe Frage. Nun denn, hier die wenig befriedigende Antwort: Der C30 Electric ist nicht käuflich. Es besteht ausschliesslich die Möglichkeit eines Full-Service-Leasings und zwar zu happigen Konditionen à 1290 CHF pro Monat (5 Jahre Laufzeit, total 77’400 CHF) oder à 1490 CHF pro Monat (3 Jahre Laufzeit, total 53’640 CHF). Viel Geld für einen Kompaktwagen, den man nicht mal behalten darf (mehr dazu weiter unten), dies lässt sich auch mit der inbegriffenen Versicherung, Winterbereifung und der Installation einer Ladestation zu Hause nicht schönreden. Weitere Informationen finden sich im Kleingedruckten von Volvo.
Auf der Website von Volvo findet man nur über das Untermenü des konventionellen C30 den Weg zum C30 Electric und auch dort sind Informationen zum Fahrzeug schwierig zu finden. Die Leasingkonditionen muss man suchen, eine Möglichkeit zur Bestellung von Infomaterial oder einer Probefahrt findet sich nicht.
Warum diese Geheimniskrämerei? Obwohl der C30 Electric, welcher nur 250 mal existiert, durchaus serienreif ist, befindet er sich in einer Art Beta-Phase. Die Leasingnehmer sind Versuchskaninchen, aber im positiven Sinne, denn die mutigen und weitsichtigen Kunden helfen Volvo, die E-Mobilität voranzutreiben. Nach dem Leasing will Volvo die Autos zurück, um Daten im grossen Stil auszuwerten, das Hauptaugenmerk liegt selbstverständlich bei den Akkus. Die Erkenntnisse aus dem C30 Electric sollen dann in einen V40 Electric einfliessen, welcher auch in einer grösseren Stückzahl produziert werden soll und auch gekauft werden kann. Soviel zum administrativen Kram, jetzt wird über das Auto geredet.

Doch bleiben wir zunächst einmal oberflächlich. Im Gegensatz zu den anderen Herstellern, welche komplett neue Modelle konstruieren, baut Volvo kurzerhand ein bestehendes Modell in einen Stromer um. Daran gibt es nichts auszusetzen, denn der C30 hat eine durchaus ansehnliche Form und das R-Desing Bodykit verleiht dem C30 Electric einen dynamischen wirkenden Auftritt. Obwohl die Form von aussen recht unübersichtlich aussieht, hat man von innen eine gute Rundumsicht, die Sicht nach Hinten wird zusätzlich von Parksensoren unterstützt. Das Auto gibt es ausschliesslich in der Farbe Cosmic White und einem in Kontrast stehendem, hellblauen Bodykit. Dazu gibt es ebenfalls hellblaue “Electric” Beschriftungen auf der Seite und auf der Motorhaube, damit jedermann sieht, dass in diesem Auto Strom anstelle von Benzin fliesst. Meiner Meinung nach verleiht diese Farbgebung dem Auto einen etwas femininen Touch, aber das ist okay, denn dadurch wirkt der Wagen kühl, ruhig und umweltfreundlich. Abgesehen von der auffälligen Lackierung, dem fehlenden Auspuff-Endrohr und der Ladeklappe am Kühlergrill unterscheidet sich der C30 Electric optisch nicht von seinen Geschwistern mit Verbrennungsmotoren. Dasselbe gilt natürlich für die bewährte Sicherheit von Volvo, denn auch der C30 Electric ist mit zahlreichen Airbags ausgestattet. Darüber hinaus sind Bi-Xenon Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht mit an Bord. Tagsüber sind stromsparende und schicke LED-Tagfahrleuchten in der Frontstossstange im Einsatz.

Das Hellblau von aussen findet sich auch im hell gestalteten Interieur wieder. Die cremefarbenen Sitze besitzen blaue Kontrastnähte und der hübsche Gangwahlhebel strahlt ebenfalls in unschuldigem Hellblau. Volvo verzichtet darauf, das Interieur futuristisch zu gestalten, fahrrelevante Daten werden von konventionellen Rundanzeigen abgelesen, Klimaanlage, Soundsystem und Navi werden über Knöpfe am Lenkrad oder an der Mittelkonsole bedient. Die Anzahl an Knöpfen und Reglern ist überschaubar, sodass man sich auf Anhieb mit dem Auto vertraut fühlt. Allerdings ist die Bedienung des Navigationssystems mit den Tasten auf der rechten Rückseite des Lenkrads etwas umständlich – besser wäre ein grösserer Regler am unteren Ende der schicken, scheinbar schwebenden Mittelkonsole.
Das einzig Neue ist, nebst dem Gangwahlhebel, die Energienanzeige, welche den Drehzahlmesser ersetzt. An ihr kann man ablesen, wie viel Leistung der Motor gerade beansprucht oder wieviel Leistung er als Generator beim Rekuperieren erzeugt. Ausserdem existieren zwei kleine Anzeigen, welche den Ladestand der Batterie anzeigen und wieviel Strom durch Nebenverbraucher wie Klima, Soundsystem, Sitzheizung, etc. verloren geht.
Bezüglich der Gestaltung und Verarbeitung des Innenraums gibt es fast nichts zu meckern. Die Ergonomie stimmt, die sportlichen Sitze sind bequem und bieten Seitenhalt, die Materialien machen einen angenehmen Eindruck.
Vorne ist also alles in Ordnung, aber hinten sieht es – mit den abgedunkelten Scheiben – wortwörtlich düster aus. Der Ein- und Ausstieg ist beschwerlich, da man über den vorderen Gurt klettern muss und die Lücke ziemlich eng ist. Volvo verspricht im C30 Electric Platz für vier erwachsene Personen – ich mit meinen ca. 1.85 Metern kauere regelrecht auf dem Rücksitz. Somit sind die Plätze im Fond nur kleineren Personen zumutbar, obwohl sie abgesehen vom knappen Platz ziemlich bequem sind. Das Kofferraumvolumen ist mit 250 Litern für ein Auto dieser Klasse völlig in Ordnung, vor allem wurden die Akkus so positioniert, dass sie keinen Platz wegnehmen.
Praktisch ist das Keyless Go System, welches das Auto genau dann entriegelt, wenn man am Türgriff zieht. Zum verriegeln gibt es einen kleinen Knopf am Türgriff, somit ist die mühsame Schlüsselsuche passé.

Kommen wir nun zum interessantestem Teil: dem Fahren. Der Elektromotor wird über eine Drehung an einem Regler gestartet wie ein Verbrennungsmotor, der einzige Unterschied ist, dass man nichts hört. Ein Start via Knopfdruck fände ich in diesem Auto allerdings angebrachter und zeitgemässer. Als Bestätigung, dass die Fahrt losgehen kann, leuchtet nach dem Start eine Ready-Lampe auf und ein Signal erklingt. Was anschliessend folgt, ist beinahe gespenstisch: Das Beschleunigungspedal wird durchgetreten, die Elektronik erteilt dem Motor den Marschbefehl und der Volvo stürmt aus dem Stand vehement nach vorne, und zwar geräuschlos, lediglich die Reifen und der Wind sind gedämmt zu hören. Diese Vorführung zaubert jedem ein Grinsen ins Gesicht! Der Elektromotor, im Übrigen eine Entwicklung der Firma Brusa aus der Schweiz, stellt aus dem Stand 220 Nm Drehmoment zur Verfügung und lässt das Auto augenblicklich nach vorne schiessen, das Beschleunigungspedal reagiert unglaublich direkt. Es ist ein diebisches Vergnügen, an der Ampel oder an einem Fussgängerstreifen den Hintermann abzuhängen. Der Motor bietet bis ungefähr 80 km/h ordentlich Schub, erst darüber hinaus wird die Beschleunigung spürbar zäher. Trotzdem fällt es mir schwer zu glauben, dass es 10.5 Sekunden dauert bis Tempo 100, es kommt mir wesentlich schneller vor. Bei Tempo 130 schiebt die Elektronik dem Motor einen Riegel vor, den Akkus zuliebe. Die Lenkung vermittelt genügend Feedback und ist wie das gesamte Auto eher ruhig, das heisst, bei einer geraden Strecke behält das Lenkrad stoisch seine gerade Position, selbst wenn man es nicht hält. Das Fahrwerk ist tendiert eher zu Sportlichkeit, Unebenheiten werden ziemlich deutlich wahrgenommen, was aber nicht störend ist. Dafür lassen sich Kurven relativ eng und mit hohem Tempo fahren, ich hätte nicht gedacht, dass dieses urbane Auto auch auf der Landstrasse Spass bereitet. Zudem verfügt der C30 Electric über Bremsen, welche sich präzise dosieren lassen, auch im Zusammenspiel mit der Motorbremse beim Rekuperieren. Kommt es darauf an, beissen die Bremsen ordentlich zu und das Knacken vom ABS wird im stillen Auto richtig laut wahrgenommen.
Die Bedienung unterscheidet sich kaum von einem konventionellem Antrieb mit Automatikgetriebe. Der wesentliche Unterschied liegt in den zwei Fahrmodi Drive (D) und Highway (H). Im Drive Modus rekuperiert der Motor, sobald man nicht mehr beschleunigt, er wird also zum Generator und lädt die Akkus. Dies spürt man deutlich, da die Motorbremse im Drive Modus stärker ist als bei einem Verbrennungsmotor. Im Highway Modus hingegen segelt der Wagen vor sich hin, vergleichbar mit einem Verbrennungsmotor, bei dem die Kupplung gedrückt ist. Hat man freie Fahrt vor sich oder läuft der Verkehr flüssig, empfiehlt sich der Highway Modus. Sobald das Tempo verlangsamt werden muss – Ortsanfang, Ampel, Kreuzung, Fussgängerstreifen, etc. – kommt der Drive Modus ins Spiel. Somit ist man doch regelmässig am “schalten”, obwohl kein Getriebe vorhanden ist. Interessant wäre sicherlich auch die Möglichkeit, via Schaltwippen hinter dem Lenkrad zwischen den Modi zu wechseln, leider ist dies im Volvo nicht möglich. Das Bremspedal sollte so wenig wie möglich genutzt werden und auch mit dem Beschleunigungspedal sollte man Sorgfalt walten. Wer das Zusammenspiel der beiden Fahrmodi beherrscht und vorausschauend fährt, wird mit einer erhöhten Reichweite belohnt.
Das Auto strahlt auch während dem Fahren eine angenehme Ruhe aus, ich persönlich erlebte mich völlig gelassen hinter dem Lenkrad des C30 Electric. Ausserdem wurde ich auf magische Weise dazu bewogen, die Energieanzeige im Auge zu behalten und den Motor möglichst wenig arbeiten zu lassen. Mir wurde bewusst, dass Eco-Driving richtig Laune machen kann.

Während man beinahe lautlos dahin gleitet, ist fortschrittliche Technik an der Arbeit. Während ein Verbrennungsmotor ein Wirkungsgrad von gerade mal 35% erreicht und der restliche Treibstoff sprichwörtlich verheizt wird, arbeitet der E-Motor mit einem Wirkungsgrad von 90%. Die 2x 140 Kilo schweren Akkus leisten 24 kWh und befinden sich in der Fahrzeugmitte unter dem Mitteltunnel, damit sie im Falle einer Kollision möglichst gut geschützt sind und das Platzangebot nicht einschränken. Eine Vollladung dauert 7 – 19 Stunden, je nach Stromstärke. Ich lud das Auto jeweils mit einer Stärke von 8 Ampere und es war innert 12 Stunden geladen. Mögliche Stromstärken sind 6A, 8A, 10A und 16A. Die Ladestation, welche beim Leasing installiert wird, ermöglicht eine Ladung mit 16A. Allerdings liegt die maximale Reichweite bei voll geladenen Akkus bei bescheidenen 150 Kilometern, welche man im Alltag jedoch kaum erreicht, auch wenn man wirklich sorgfältig und ökologisch fährt. Wer das Spasspotenzial des elektrischen Antriebs ausreizt, wird diese Reichweite nicht erreichen. 120 Kilometer sind eine realistischere Reichweite.
Doch der C30 Electric steht mit seiner geringen Reichweite nicht alleine da. Auch vergleichbare Modelle ohne Range Extender haben keine Ausdauer. Da frage ich mich, was Tesla besser macht als alle anderen, da sie einen 85 kWh Akku in ihr Model S einbauen können, welcher eine Reichweite von über 450 Kilometern ermöglicht. Denn eine geringe Reichweite schreckt leider viele Leute von E-Autos ab.
Doch zurück zum Volvo. Ein weiteres Highlight ist neben dem Antrieb nämlich auch die 3-Zonen Klimatisierung. Auf Wunsch kann man die Heizung mit Ethanol (E85) betreiben, damit die Reichweite nicht eingeschränkt wird. Ausserdem lässt sich die Klimatisierung auch vorprogrammieren, so dass der Wagen beim Einsteigen eine angenehme Raumtemperatur bietet.
Darüber hinaus unterstützt der Bordcomputer den Fahrer mit zahlreichen Hinweisen, beispielsweise, dass er zum Starten die Bremse drücken muss oder wie viel Ethanol sich noch im Tank befindet. Interessant ist auch das Fahren mit eingeschaltetem Tempomat. Es ist bekannt, dass die Elektronik der bessere Fahrer ist als der Mensch (siehe ACC InnoDrive von Porsche) und die Bordelektronik bewegt den Wagen natürlich so effizient wie möglich, dies wird beim Blick auf die Energienanzeige klar. Leistung wird nur zögerlich und wenn tatsächlich notwendig abgerufen, dafür wird bei jeder Gelegenheit rekuperiert.

Für mich ist ganz klar: die E-Mobilität überzeugt, und wie sie das tut. Das Fahrgefühl ist schlichtweg fantastisch, ich habe noch nie ein angenehmeres Fahren erlebt, als mit dem C30 Electric durch die Nacht zu cruisen. Ausserdem wird man in einem Elektroauto stärker dazu animiert, ökologisch zu fahren. Einzige Wermutstropfen sind die beschränkte Reichweite und die noch exorbitanten Kosten für die Akkus, welche die Preise für die Stromer hoch halten. Aber ich bin mir sicher, dass mit der Zeit auch dieses Problem aus der Welt geschafft wird, Tesla hat es ja quasi schon vorgemacht. Der Volvo C30 Electric verbindet Fahrspass und Umweltbewusstsein besser miteinander als jedes andere Auto mit Verbrennungsmotor. Dieses Auto ist ein wunderschönes Nordlicht am Himmel der Automobilität.
Ach, hier noch eine kleine Anekdote zum Schluss: Ich wurde auch gefragt, wieviel Hubraum der C30 Electric denn besitzt. Somit sei hier explizit noch erwähnt: Fragt bitte bei einem Elektroauto nicht nach dem Hubraum, denn ein Elektromotor hat keinen. 😉

(Bilder: Koray Adigüzel)

5 thoughts on “Volvo C30 Electric: Elektrisierendes Nordlicht”

    • Hallo Oli, danke fürs Lob.
      Von Tremola habe ich noch nie etwas gehört, wäre aber sicherlich spannend, ein solches Gefährt mal auszuprobieren. 😉

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