VW Golf GTI Clubsport: Der Damm ist gebrochen

Glaubt ihr an Liebe auf den ersten Blick? Ich nicht. Der erste (An)blick kann durchaus sehr elektrisierend sein, aber ob sich daraus Liebe entwickelt, entscheidet das nähere Kennenlernen. Dies trifft übrigens sowohl auf Frauen, als auch auf Autos zu. Ich war entzückt, als ich den GTI Clubsport live vor mir hatte, dennoch trug ich noch eine gewisse Skepsis mit mir. Es ist und bleibt ein VW, sprich, es bleibt ein Alltagsmobil und kann alleine deshalb nicht so brachial sein, wie einschlägig bekannte Krawallbrüder. Nun denn: Möge das nähere Kennenlernen über mein Urteil entscheiden.

Der erste Eindruck ist verdammt wichtig und nebst der gefälligen Optik bietet der GTI Clubsport vor allem innen zwei ganz besondere Highlights. Das erste Highlight sind die Sitze. Richtig geile Recaro-Schalensitze umschlingen den Körper wie eine zweite Haut. Sie passen schlicht perfekt und sind trotz extremem Seitenhalt super bequem. Das zweite Highlight ist das Alcantara-Lenkrad mit Geradeaus-Markierung, welches permanent den Händen schmeichelt und absolut rutschfest ist.

VW Golf GTI Clubsport
Erstklassige Recaro-Schalensitze. Das typische GTI-Muster darf natürlich nicht fehlen.

Lenkrad und Sitze, die beiden wichtigsten Elemente im Innenraum, hat VW perfekt gestaltet. Das simple, aber doch vielfältige Infotainmentsystem, die Carbon-Zierleisten, sowie die Alcantara-Verkleidung an den Türen werten den Innenraum weiter auf. Nicht so schön sind das Armaturenbrett und die fehlende Mittelarmlehne, aber angesichts der wunderbaren Sitzposition schaue ich gerne über solche Dinge hinweg. Und weil der Clubsport eben Wert auf Alltagstauglichkeit legt, kann man auch im Fond bequem sitzen und genügend in den Kofferraum einladen.

VW Golf GTI Clubsport
Das Lenkrad fühlt sich hochwertig an und liegt perfekt in der Hand.

Was aber noch viel wichtiger ist: Der GTI Clubsport ist ziemlich brachial. Brachialer, als ich es VW zugetraut hätte. Die Optik ist nicht nur Show. Die Spoilerlippe und der Heckspoiler erzeugen Abtrieb, die böse Front hat zu Recht diesen «aus dem Weg» Ausdruck. Zwar hat schon der Golf R gezeigt, dass ein Golf echt böse sein kann und wenn es hart auf hart kommt, ist der R durch den Allradantrieb im Vorteil. Doch das Wesen vom Clubsport ist giftiger als vom R.

VW Golf GTI Clubsport
Eine der Stärken vom GTI Clubsport: Berge bezwingen.

Der Motor ist nämlich eine echte Drehorgel. Satte 7200 Umdrehungen verträgt der Turbobenziner, ausserdem dreht er rasend schnell hoch und wird im obersten Drehzahlbereich besonders rabiat. Das finde ich wirklich erstaunlich, denn in der Regel geht Turbomotoren am oberen Ende der Drehzahlskala gerne mal die Luft aus. Nicht so beim Clubsport. Bei 5000 Umdrehungen wird es erst richtig lustig, das Aggregat rasselt nur so auf die 7000 zu. Das tolle Beschleunigungsgefühl intensiviert sich durch die Handschaltung zusätzlich. Die ist zwar präzise, bei so viel Biss vom Motor dürfte die Schaltung aber durchaus etwas knackiger ausfallen.

VW Golf GTI Clubsport
Die zweifarbige Lackierung ist optional.

Wird die Strasse kurvig, so nähert sich der GTI Clubsport dessen, was mit Frontantrieb machbar ist. Das ESP lässt sich zwar komplett deaktivieren, aber meine Erfahrung zeigt, dass der Sport-Modus die bessere Lösung ist. Das ESP regelt dann nämlich so feinfühlig, dass es einen schlussendlich nicht langsamer, sondern schneller macht. Die Mischung aus extrem direktem Einlenken, der elektronischen Differentialsperre und den gezielten ESP-Eingriffen machen den Clubsport extrem schnell und agil. Optional sind sogar Semislicks verfügbar, mit denen sich die Grenze noch weiter nach oben verschieben lässt.

VW Golf GTI Clubsport
Die Front ist sehr grimmig geraten.

Schon viele haben mich gefragt, was ich persönlich als Blogger mit meiner breiten Erfahrung kaufen würde. Ich war und bin mit dieser Frage restlos überfordert, auch mit klaren Budgetvorgaben. Was ich bisher aber mit Bestimmtheit sagen konnte: Ein VW käme mir garantiert nicht ins Haus. Zu langweilig, zu Mainstream, zu fade. Nun, mit dem GTI Clubsport hat sich diese Ansicht geändert. Er würde das Rennen zwar wahrscheinlich nicht machen, aber ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass VW richtig böse kann, wenn sie nur wollen.

VW Golf GTI Clubsport
Der Clubsport lässt sich sehr leicht, aber auch sehr schnell fahren.

Was leider, und das ist wirklich ein grobes Problem von VW (und auch von Seat) immer noch nicht in Ordnung ist, ist der Motorsound. Da kommt einfach viel zu wenig. Klar, Tuning schafft Abhilfe, aber gerade bei einem Sondermodell könnte man doch auch mal ab Werk etwas produzieren, das gezielten Krawall generiert. Anscheinend hat der Rekord-GTI Clubsport S eine richtig böse Stimme, habe ich mir sagen lassen. Warum kann der normale Clubsport nicht auch etwas davon haben? Immerhin ist der Sound-Symposer im Innenraum angenehm dezent und klingt verhältnismässig kernig und nicht künstlich. Vom Golf R bin ich mir da anderes gewohnt.

VW Golf GTI Clubsport
Kecker Spoiler.

Aber das ist Jammern auf demselben Niveau, was der GTI Clubsport fährt. Da hat VW ein echt gutes Händchen. Man nehme ein gefälliges Design, schärft es gezielt, baut einen giftigen Motor ein und verpasst der Kiste ein Set-Up, dass das Auto wie auf der sprichwörtlichen Schiene um die Kurve geht. Und wenn man es gemütlich möchte, reicht ein Knopfdruck und der Clubsport ist so lammfromm wie ein Gölfchen mit Dreizylinder samt allen praktischen Qualitäten im Alltag. Genau diese Mischung ist es, was den Clubsport wohl so begehrenswert macht.

VW Golf GTI Clubsport
Das Einzige, was fehlt, ist ein anständiger Motorsound.

Ich glaube nicht an Liebe an den ersten Blick. Doch der GTI Clubsport hat die Flamme, die er bei der ersten Begegnung entfacht hat, am Leben gehalten. Er ist nicht meine grosse Liebe unter den Frontantriebs-Krawallkisten geworden, aber er hat es geschafft, meinen Damm der Vorurteile gegenüber VW zu brechen. Mit einem Preis von 48’190 Franken ist der Testwagen durchaus ein attraktives Angebot. Nicht günstig, aber ich hatte schon VWs, dessen Preis-Leistungs-Verhältnis war deutlich schlechter. Apropos günstig: Der arme Clubsport wurde von mir echt hart rangenommen. Er wurde über etliche Pässe gescheucht, mit Kickdowns in den Overboost getreten und bis an den Begrenzer gedreht. Mehrmals. Und trotzdem. 8,8 l/100 km kann sich für eine dermassen aggressive Fahrweise wahrlich sehen lassen. Doch, dieser Golf wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

VW Golf GTI Clubsport
Als Clubsport lässt dieser GTI so manchen Konkurrenten deutlich hinter sich.

Alltag 4.5 out of 5 stars

Der GTI Clubsport bietet genauso viel Platz wie ein ganz normaler Golf. Er ist ausserdem schön handlich und fällt nicht wie mancher Konkurrent mit einem abartig grossen Wendekreis negativ auf.

Fahrdynamik 4.5 out of 5 stars

Der Golf GTI Clubsport kratzt an der Grenze dessen, was mit Frontantrieb machbar ist. Er beschleunigt ohne Traktionsprobleme und klebt in Kurven wie Gummi. Die Lenkung ist genauso direkt wie präzise. Leider lässt der Motorsound zu wünschen übrig.

Umwelt 4 out of 5 stars

Der Normverbrauch von 7,0 l/100 km ist nicht besonders tief. Dass aber der Testverbrauch trotz teils extremer Raserei bloss 8,8 l/100 km beträgt, finde ich beeindruckend. Und schlussendlich ist es der Wert aus dem richtigen Leben, der zählt.

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

Der GTi Clubsport macht dank den zusätzlichen Flaps vorne, der zweifarbigen Lackierung, dem Diffusor, sowie dem Heckspoiler eine besonders gute Figur. Er wirkt sportlich, ohne extrem zu sein.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Cooles Design
+ Drehfreudiger Motor
+ Sehr präzise Lenkung
+ Adaptives Fahrwerk mit guter Spreizung
+ Diverse Assistenzsysteme verfügbar
+ Extrem präzises Handling, viel Grip
+ ESP zweistufig deaktivierbar
+ Erstklassige Sportsitze, perfekte Ergonomie
+ Rutschfestes Alcantara-Lenkrad
+ Gute Platzverhältnisse
+ Vorbildlicher Testverbrauch
+ Intuitives, vielfältiges Mediasystem

– Schwacher Motorsound
– Getriebe und Kupplung sind sehr leichtgängig
– Armaturenbrett von mässiger Qualität

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellVW Golf GTI Clubsport
Preis Basismodell / Testwagen41 250 CHF / 48 190 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1984 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung195 kW bei 5350 - 6600 r/min (Overboost: 213 kW)
Max. Drehmoment350 Nm bei 1700 - 5300 r/min (Overboost: 380 Nm)
Beschleunigung 0 - 100 km/h6,4 s
Vmax250 km/h (elektronisch abgeregelt)
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz7,0 l/100 km / 162 g/km / F
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz8,8 l/100 km / 204 g/km / +26%
Länge / Breite / Höhe4,35 m / 1,80 m / 1,44 m
Leergewicht1433 kg
Kofferraumvolumen380 - 1270 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

5 thoughts on “VW Golf GTI Clubsport: Der Damm ist gebrochen”

    • Hi Norbert, danke fürs Lob. Der Overboost wird via Kickdown aktiviert. Damit werden Motorleistung (+18 kW) und Drehmoment (+30 Nm) für max. 15 Sekunden erhöht. Die normalen Werte sind 195 kW Leistung und 350 Nm Drehmoment.

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