Wenn man sich dem Abarth 124 Spider so nähert, kommt man ziemlich ins Straucheln, was man vom italienischen Roadster so halten soll. Da ist einerseits das aggressive Front-Design mit langer Schnauze und bösem Blick sowie auffälliger Folierung. Andererseits ändert das bissige Outfit nichts daran, dass der 124 Spider winzig ist und infolgedessen ziemlich putzig aussieht. Doch putzig ist an der Situation höchstens, wie falsch der Abarth bei ersten Begegnung eingeschätzt werden kann! Wenn der Skorpion zum Leben erwacht, tun es ihm die Toten gleich!
Es scheint unmöglich. Es sind nur 1,4 Liter Hubraum, die dem 124 Spider zur Verfügung stehen. Die Gesetzgebung versteht puncto Motorsound absolut keinen Spass. Und trotzdem. Wenn der Italiener seinen Singsang startet, muss man sich sorgen, ob der Putz der Tiefgarage diesem Sound-Inferno standhält, oder gleich von der Decke bröselt! Paradox, wie ein so kleines, feingliedriges Ding einen solchen Radau veranstalten kann.
Sämtliche Erwartungen in Sachen Sound hat der Roadster gleich beim Start bei weitem übertroffen. Aber wie steht es um den Rest? Der zivile Fiat Spider erwies sich im Test als gutmütige Frohnatur. Angesichts des massiven Aufpreises, den die Italiener für den Abarth verlangen, hoffe ich für den kleinen Rabauken, dass sein grossspuriger Auftritt nicht zu viel verspricht!
Apropos grossspuriger Auftritt. Wer auf der Strasse am liebsten mit der Umgebung verschmilzt und möglichst nicht wahrgenommen werden möchte, sollte einen grossen Bogen um den Abarth machen. Der Zweiplätzer kann sich einfach nicht leise verhalten und selbst wer eigentlich nur dahincruist, erntet von den Passanten ungläubige und neugierige Blicke. Nichts für Leute, die nicht gerne im Mittelpunkt stehen!
So gross die Show auch sein mag, die der Spider abzieht, im Mittelpunkt stehen der Fahrer und sein Erlebnis. Bereits für den Beifahrer ist der Raum schon deutlich enger und kofferfreundlich ist der «Kofferraum» überhaupt nicht. Am besten, man verstaut sein Gepäck in flexiblen Reise- oder Sporttaschen, um das Volumen am besten zu nutzen. Da nur ein grosses Ablageflach im Innenraum zu finden ist, das gleichzeitig auch als Ersatz fürs Handschuhfach dient, sollte man davon absehen, zu viel Kram ins Auto mitzunehmen.
Zwar schreit der Spider nach spassigem Zweitauto, doch wer nicht zu heikel ist, kann den Sportler durchaus als Alltagsauto nutzen. Zwar bekommt man sämtliche Wellen des Strassenverlaufs mit und das Auto ist permanent in Bewegung, aber unkomfortabel ist der Roadster bei weitem nicht. An den recht hohen Geräuschpegel auf der Autobahn gewöhnt man sich ebenfalls. Dröhnig ist der Motor nicht und gegen die Windgeräusche hilft das Aufdrehen der Bose-Soundanlage, deren Lautsprecher aufgrund Platzmangels sogar unter anderem in den Kopfstützen stecken!
Doch weg von profanen Dinge wie Alltagstauglichkeit, im Abarth ist der Weg das Ziel. Wer dem Skorpion die Sporen gibt, muss allerdings einsehen, dass die Beschleunigung durch den markerschütternden Sound viel dramatischer wirkt, als sie eigentlich ist! Tatsächlich muss der Turbomotor unter 2500 Umdrehungen ein markantes Turboloch überwinden und bei 5500 Umdrehungen wird die Luft schon wieder dünn. Zum Glück für den Motor müssen nur 1170 Kilo in Schwung gebracht werden, sodass auch bergauf genügend Kraft bereitsteht.
Richtig aufblühen kann der Roadster in Kurven. Dank super tiefem Schwerpunkt und straffem Fahrwerk tritt absolut keine Seitenneigung auf. An der Hinterachse kümmert sich ein mechanisches Sperrdifferential um die Kraftverteilung. Heisst: Je stärker man aus der Kurve rausbeschleunigt, desto stärker wird der Hintern um die Kurve gedrückt!
Natürlich bringt man den Italiener ohne Weiteres zu einem sanften Powerslide, was sogar mit aktivem ESP gelingt. Wer es gerne quer mag, kann das ESP ohne grosse Bedenken ausschalten. Für bösartige Überraschungen fehlt dem Spider schlicht die Kraft, dafür kündet sich der Heckschwung stets an. Auf einer übersichtlichen Strecke ein riesen Spass!
Überhaupt Spass, das ist das richtige Stichwort. Viele Autos versprechen Spass, aber kaum ein Auto löst das Versprechen so intensiv ein wie der Abarth. Man kauert über dem Asphalt, ist mit der Strasse verbunden, kann mit offenem Dach die Reaktionen der Passanten geniessen und natürlich dem abartigen Sound lauschen. Egal, wohin der Weg führt, man freut sich jedes Mal beim Einsteigen darauf, was jetzt kommt! Es muss im Übrigen nicht mal perfektes Wetter sein, denn der Motorsound kommt auch bei geschlossenem Dach überdeutlich zur Geltung!
Eine potenzielle Spassbremse ist allenfalls die Preisliste. Mit einem Testwagenpreis von 45’600 Franken schlägt der Roadster ziemlich über die Stränge und ist auch deutlich teurer als sein ziviler Bruder und der Mazda MX-5, die beide voll ausgestattet immer noch unter der 40’000-Franken-Grenze bleiben. Viel Geld für ein so winziges Auto, aber ich kann nur jedem, der Zweifel hegt, eine Probefahrt empfehlen. Gut möglich, dass das Sound- und Fahrerlebnis die rationalen Bedenken wegfegt! Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt…
Alltag
Wenig Ablageflächen und ein winziger Kofferraum machen das Reisen über längere Strecken schwierig. Um das Volumen maximal zu nutzen, empfehlen sich Reisetaschen. Praktisch im Alltag sind dafür die grandiose Übersicht sowie die sehr kompakten Abmessungen.
Fahrdynamik
Der mörderische Sound kann letzten Endes doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Turbomotor nur im Bereich von 2500 – 5500 Touren lebendig wirkt. Doch für das Leichtgewicht ist der Schub mehr als sportlich genug und das Handling ist in Kombination mit dem tiefen Schwerpunkt und dem straffen Fahrwerk ein Traum! Powerslides sind zudem ein Kinderspiel und das ESP kann man getrost auch deaktivieren, ohne vorhin ein Stossgebet gen Himmel zu senden.
Umwelt
Turbo läuft, Turbo säuft. Wer das sportliche Potenzial auslotet, erntet Verbräuche von über 9 Litern, im Mix waren es 7,9 l/100 km. Für einen Sportwagen wenig, für ein Leichtgewicht immer noch viel.
Ausstrahlung
Der kleine Roadster erregt erstaunlich viel Aufmerksamkeit – notabene bereits im Stand. Kein Wunder, denn der aggressive Blick und die betont sportlichen Proportionen sind klar abseits des Mainstreams.
Fazit
+ Klassisch sportliches Design
+ Super schnelles, manuelles Verdeck
+ Infernalischer Motorsound
+ Extrem knackiges Getriebe
+ Präzise Lenkung
+ Im Grenzbereich sehr einfach zu beherrschen
+ Genügend Fahrkomfort für den Alltag
+ LED-Scheinwerfer mit aktivem Kurvenlicht
+ Sehr gute Übersicht
– Hoher Preis
– Erhöhter Verbrauch
– Ausgeprägtes Turboloch
– Lenkrad nur höhenverstellbar
– Sehr wenig Ablagemöglichkeiten
– Teilweise mässige Verarbeitungsqualität
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Abarth 124 Spider |
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Preis Basismodell / Testwagen | 43 000 CHF / 45 600 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Hubraum / Zylinder | 1368 ccm / R4 |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 125 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 2500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,8 s |
Vmax | 232 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,4 l/100 km / 148 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,9 l/100 km / 183 g/km / +23% |
Länge / Breite / Höhe | 4,05 m / 1,74 m / 1,23 m |
Leergewicht | 1170 kg |
Kofferraumvolumen | 140 l |
Bilder: Koray Adigüzel