Akustikverglasung, Abstandstempomat, Massagefunktion, Luftfahrwerk – alles super angenehme Eigenschaften eines Autos auf der Langstrecke. Nice to have, aber muss nicht sein. Stattdessen: Toyota GR Supra. Sportfahrwerk, schlechte Dämmung, manuelles Getriebe, nur ein normaler Tempomat. Einverstanden, hunderte Autobahnkilometer sind komfortabler zu absolvieren als im Supra, dafür ist das Auto permanent präsent, vibriert vor Vorfreude auf alles, was noch kommen wird, genauso wie man selbst als Fahrer – und auch als Beifahrer. Ausserdem habe ich schon mehrmals am eigenen Leib festgestellt, dass je dünner die Assistenz ausfällt, desto wacher und aufmerksamer bleibt man beim Fahren – und genau darum geht es im Supra, mehr als alles andere.
Für die Überfahrt bietet sich die Nachtfähre ab Genova an, sodass während der Schifffahrt möglichst wenig Zeit verloren geht. Wie sich gezeigt hat, meistert der Supra trotz sehr sportlichem Design die Einschiffung und alle Rampen auf der Fähre problemlos, sofern man ein wenig achtgibt. Für Liebhaber eine wichtige Info. Nach der elfstündigen Überfahrt sind wir im Nordwesten der Insel auf Porto Torres angekommen und haben uns auf den Weg Richtung Ostküste gemacht. Spätestens auf der Insel offenbart sich der GR Supra als das perfekte Auto. Die Strassen sind tendenziell eher schmal und der Zweisitzer ist ein erfreulich kompakter Sportwagen. Darüber hinaus ist die Federung zumindest im Normal-Modus nachgiebig genug, um die teilweise holprigen Strassen zumindest einigermassen zu federn.
Von weiten Teilen der Nordküste aus ist es möglich, die Südküste Korsikas zu erblicken. Die nördliche Küste ist an vielen Stellen rau mit vielen Klippen. Einen Blick wert ist definitiv das Steinmassiv rund um Capo Testa, einer der nördlichsten Punkte der Insel. Fährt man weiter der Nordküste entlang in Richtung Osten erreicht man schon bald die berühmte Costa Smeralda (Smaragdküste). Den Namen hat sie aufgrund des türkis-grünen Wassers an den zahlreichen, wunderschönen Buchten. Da viele Strände äusserst flach und zudem durch die Buchten geschützt sind, eignen sie sich bestens zum Baden. Die besten Strände sind häufig nicht die grössten, die auf der Karte ersichtlich sind, sondern kleine, versteckte. Solche verfügen meistens aber über keine oder eine unbefestigte Anfahrt, was wir dem GR Supra nicht zugemutet haben.
E-Bike statt Supra
Für den Ausflug auf die nördliche Nachbarinsel La Maddalena sowie den angrenzenden Nationalpark Caprera haben wir dem famosen Dreiliter-Reihensechser des Supra eine Pause gegönnt und haben uns stattdessen auf der Insel ein E-Bike gemietet. Da die Insel sehr kompakt ist, wäre das Auto trotz möglicher Überfahrt ein Overkill, mit dem Velo dagegen bekommt man viel mehr von der Landschaft mit und hat mehr Zeit zum Geniessen. Ein Geheimtipp ist der erwähnte Nationalpark, der von Maddalena über eine kleine Brücke verbunden ist. Diverse Tiere und auch regionale Pflanzen sind dort entlang der Strasse oder Waldwegen vorzufinden. Wir haben etwa Schafe, Ziegen sowie wild lebende Katzen gesichtet – alle Tiere wären wohl geflüchtet, wenn wir mit dem Supra vorbei gebraust wären.
Ab in die Berge
Die Landschaft von Sardinien ist nicht nur hügelig, sondern im Landesinneren sogar richtig gebirgig. Perfekte Voraussetzungen, um dem Supra ordentlich die Sporen zu geben und in den Sport-Modus zu wechseln. Wir haben uns sogar beim Gedanken ertappt, dass bei steilen Bergaufpassagen etwas mehr Leistung nicht schaden würde, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Puncto Handling überzeugt der Supra seit eh und je. Das Auto wurde weiss Gott nicht geschont und die Bremsen überzeugten durchgehend mit konstantem Druckpunkt und durchgängig bissiger Verzögerung. Man spürt das Heck am Kurvenausgang, man spürt die Vorderachse beim Einlenken, man wird richtiggehend zugeschüttet mit Informationen. Der Supra ist ein echtes Fahrerauto, mit manuellem Getriebe erst Recht.
Nicht wenige Töfffahrer haben nach einigen Kurven freiwillig Platz gemacht, als sie festgestellt haben, dass sie die gelbe Kanonenkugel, die plötzlich von hinten auf sie zugeschossen gekommen ist, gar nicht abschütteln können. Im Gegensatz zu hiesigen Gefilden ist man in Italien ohnehin sehr viel toleranter gegenüber schnelleren Fahrern. Apropos schnell: Auch über das Tempo muss man sich viel weniger Gedanken machen als hierzulande. Wir haben jedenfalls weder die Polizei noch Carabinieri oder Blechpolizisten ausserhalb der Ortschaften gesichtet.
Geschichte und Entstehung
Nachdem wir uns ausgetobt und jeden Schaltvorgang im Supra (samt automatischem Zwischengas) genossen haben, erkunden wir die Westküste. An der Nordwestküste befindet sich die berühmte Neptungrotte, eine Tropfsteinhöhle, welche man entweder per Boot erreicht oder indem man 670 Treppen hinunter (und anschliessend natürlich wieder hoch) steigt. Sie ist gemäss Guides rund 135 Millionen Jahre als und verfügt an gewissen Stellen über riesige Stalaktiten und Stalagmiten. Damit selbige um einen Zentimeter wachsen, werden rund 150 Jahren benötigt – kaum vorstellbar.
Die bewegte Geschichte der Insel, als man sich noch gegen Feinde verteidigen musste, ist an den meisten Küstenstädten mehr oder weniger sichtbar. Besonders viel Historik erlebt man in Alghero, wo praktisch die gesamte Stadtmauer inklusive Türme noch erhalten sind. Um an die alten Zeiten zu erinnern, sind sogar Attrappen von Kanonen und Katapulte zu bestaunen.
Ein Ort der Schönen und Reichen
Da wir in der Nebensaison auf der Insel unterwegs waren, war es auch den einschlägigen Hotspots eher ruhig. Sardinien, insbesondere die Nordküste, hat im Sommer aber auch gewisses Jetset-Flair und hat den Ruf als Saint-Tropez von Italien. Das hat zur Folge, dass die Insel für italienische Verhältnisse ein teures Pflaster ist. An den beliebten Touristen-Orten sind die Preise hoch, aber wer sich etwas treiben lässt und auch mal abseits unterwegs ist, findet häufig wunderschöne Orte, an denen sich auch günstiger nächtigen und essen lässt – was sich mit dem Supra aufgrund der grandiosen Strecken grösstenteils gleich doppelt lohnt.
Lohnen tut sich auch der Supra als Auto. Er ist einer der allerletzten waschechten Sportwagen mit reinem Verbrenner-Antrieb und Handschaltung, der kein astronomisches Preisschild trägt. 71’000 Franken verlangt Toyota für den voll ausgestatteten Sportwagen, das sind rund 10’000 Franken weniger als ein VW Golf R. Im japanischen Sportwagen herrscht immer Sonnenschein, unabhängig von der knalligen Farbe des Testwagens und des mediterranen Klimas auf Sardinien. Jede Kurven und jeder Schaltvorgang sorgen für Serotonin-Ausschüttung im Gehirn – zumindest bei uns war das der Fall.
Ich orakle ausschliesslich ohne Gewähr, aber ich wage die These, dass dieses Auto grosses Potenzial dazu hat, wertstabil zu bleiben oder eines Tages wieder anzusteigen wie sein legendärer Vorgänger – und zwar auch, wenn er gefahren wird und nicht in der Garage herumsteht und 1000 km im Jahr bewegt wird. Der Grund ist, wie bereits erwähnt, sein heute seltener Antrieb. Ausserdem wird wohl weder Toyota noch ein anderer Hersteller so etwas Ähnliches wieder bauen, EU sei Dank. Wer sich also etwas gönnen will, sollte sich den Supra kaufen und das Auto anschliessend um besten auf Sardinien gleich angemessen einweihen!
Steckbrief
Marke / Modell | Toyota GR Supra |
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Preis Basismodell / Testwagen | 64 900 CHF / 71 000 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2998 ccm / R6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 250 kW bei 5000 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 500 Nm bei 1600 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 4,6 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,8 l/100 km / 198 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,6 l/100 km / 216 g/km / +9% |
Länge / Breite / Höhe | 4,38 m / 1,85 m / 1,29 m |
Leergewicht | 1583 kg |
Kofferraumvolumen | 290 l |
Bilder: Koray Dollenmeier
….oops – wo sinddie technischen Daten?? G R U S S !!!!!
Danke für den Hinweis, die sind untergegangen und jetzt ergänzt.
Lg Koray