Meistens werden SUVs aufgrund einer pragmatischen Denkweise gekauft. Man liebäugelt mit der Sitzposition, dem Allradantrieb, dem Gefühl der Sicherheit, der Variabilität, oder dem Platzangebot. Der Stelvio als der Bachelor unter den SUVs setzt die Prioritäten jedoch etwas anders. Er hat Charme, sieht verboten gut aus und bietet ein Handling, worauf viele Konkurrenten neidisch sind. Wenn schliesslich noch das vierblättrige Kleeblatt die vorderen Kotflügel ziert, dann werden sämtliche rationalen Gedanken weggewischt. Das hier ist ein veritabler Sportwagen, der zu viele Wachstumshormone gefressen hat!
Dafür, dass es der Stelvio QV faustdick hinter den Ohren hat, tritt er optisch einigermassen dezent auf. Bereits der normale Stelvio ist so sportlich gestylt, dass insbesondere die Front des QV sich nur minim unterscheidet. Allenfalls die Entlüftungsschlitze auf der Motorhaube deuten darauf hin, dass etwas Gröberes unter der Haube schlummert. Anders ist die Situation am Heck. Die schräg angeordneten vier Endrohre machen unmissverständlich klar, dass dieser SUV nicht zum Lasten ziehen, sondern zum schnellen Fahren da ist!
Im Innenraum ist dann aber meiner Meinung nach enttäuschend wenig Quadrifoglio zu sehen. Dafür, dass er mit Abstand das Topmodell der Baureihe ist, fehlt es ihm an Exklusivität. Die im Testwagen verbauten Sportsitze sind nämlich auch für zivile Varianten erhältlich. Wer hardcore unterwegs sein möchte, kriegt zwar optionale Schalensitze von Sparco, doch damit endet die Einzigartigkeit des Quadrifoglio auch schon.
Was er ebenfalls von den zivilen Modellen mitnimmt, ist die nicht über jeden Zweifel erhabene Verarbeitungsqualität im Innenraum. Dass an Orten, an denen nur selten Hand angelegt wird, etwas gespart wird, kann noch verständlich sein. Dass sich jedoch elementare Bedienelemente wie Gangwahlhebel oder Infotainment-Dreh-Drücker zweitklassig anfühlen, wird in einem fast 120’000 Franken teuren Auto von mir nicht toleriert. Da haben die Italiener aufholbedarf.
Immerhin leidet das Platzangebot trotz der sehr schönen Optik nicht. Auf allen Plätzen sitzt man sehr kommod, selbst auf dem fünften Platz haltet man es dank des fehlenden Mitteltunnels recht gut aus. Zwar punktet der sportliche Italiener nicht mit Variabilität, doch das Kofferraumvolumen von 525 Liter ist üppig und die Ladekante für ein SUV eher tief.
Bisher hat der Stelvio QV abgesehen vom Design keinen Wow-Effekt erzielt. Dennoch bin ich mir sicher, dass er die Herzen von Autofans selbst bei noch grösserer Innenraum-Kritik erobern könnte! Wenn nämlich der rote Start-Knopf auf dem Lenkrad gedrückt wird, zählt nur noch eines: Wie man den grössten Spass aus der Strecke herausholt, die es zu befahren gilt!
Unter der Haube arbeitet dasselbe 2,9-Liter-Biturbo-Aggregat wie in der Giulia QV. Der Motor ist im Grunde ein um zwei Zylinder verkleinerter Ferrari-Motor. Im Ferrari California kommt nämlich beispielsweise ein 3,8-Liter V8 mit identischem Bohrung x Hub Verhältnis zum Einsatz – quasi der grosse Bruder des Alfa-Motors. Wahrlich ein Motor zum ästimieren! Dass das Triebwerk von einem V8 abstammt, erklärt auch den für einen V6 ungewöhnlich grossen Zylinderwinkel von 90°.
In der Praxis macht sich das durch einen rauen, metallischen Klang bemerkbar. Im standarmässigen Normal-Modus fährt zwar auch der wildeste aller Stelvios einigermassen gesittet, vor allem mit geschlossener Auspuffklappe bis ca. 4000 Umdrehungen. Allerdings verrät die messerscharfe und extrem direkt zupackende Lenkung sofort, welches Potenzial in diesem Auto steckt. Wie ernst es die Italiener mit der Sportlichkeit meinen, zeigt auch die grundsätzlich straffe Fahrwerksabstimmung. Die Gemütlichkeit und Ruhe, welche SUVs normalerweise ausstrahlen, ist dem Stelvio QV fremd. Er ist von Natur aus ein harter Bursche.
Da der Dynamic-Modus die ganze Angelegenheit nur minim schärft, gehe ich gleich zum viel spektakuläreren Race-Modus über. Dieser Modus ist es, was das Auto auszeichnet und das ganze Potenzial entfesselt. Am besten die manuelle Schaltung übernehmen – bei diesen riesen-Wippen ohnehin ein Genuss – und das Fahrwerk via separaten Knopf wieder zurück in den Normal-Modus versetzen, da das Auto ansonsten schlicht zu hart wird.
Ist das Setup vorbereitet, gilt es, einmal tief durchzuatmen – und mit dem wohl schärfsten SUV überhaupt einen Tanz einzugehen. Der Takt kommt vom Triebwerk, dessen Ansprechverhalten an Aggressivität im Race-Modus kaum zu überbieten ist. Wie ein ausgehungertes Tier lechzt der Alfa nach Drehzahlen und haut mit permanent geöffneter Klappe einen Klang in die Umwelt, wie er reizvoller nicht sein könnte!
Metallisch röhrend und fauchend erklimmt er die Drehzahlleiter, die bei 6500 Umdrehungen in den roten Bereich übergeht. Schalten? Nein, um Gottes Willen, voll auf dem Gas bleiben! Ist der Motor richtig warm, sind nämlich über 7000 Umdrehungen möglich! Der Zorn, den die Auspuffanlage in diesen Drehzahlregionen von sich gibt, bleibt nicht nur dem Fahrer lange in Erinnerung. Wer ganz bewusst auf Krawall aus ist, rast einfach in den Begrenzer und der Stelvio QV gibt ein Donnergrollen von sich, als würde der Benzintank explodieren. Nur schon dafür muss man das Auto lieben, denn soviel Drama können einfach nur die Italiener!
Doch wer denkt, der Alfa beherrscht nur die grosse Show, irrt sich gewaltig. Im Gegensatz zu anderen einschlägigen Kanditaten in diesem Segment, die sich ausschliesslich durch ausgeprägte Längsdynamik profilieren, kann der Stelvio auch Querdynamik. Oh, und wie er es kann! Seine Lenkung ist ein Skalpell, mit welchem er Kurven jeglicher Art seziert. Die Vorderachse baut immensen Grip auf, sodass man extrem mutig mit viel Tempo in die Kurve fahren kann.
Je nach dem, wieviel Mut und Können im Fahrer steckt, kann man die Kurve äusserst spektakulär verabschieden. Wer progressiv rausbeschleunigt, fährt eine astreine Linie und kann mit dem Stelvio Quadrifoglio ein Tempo aufrechterhalten, das so mancher Sportwagen blass wird. Wer mehr Gas gibt, kann das Heck recht simpel zum Powerslide bewegen, denn der Allradantrieb arbeitet sehr hecklastig. So viel Gaudi bietet kein anderes SUV!
Doch Vorsicht: Während das ESP im langweiligeren Dynamic-Modus sehr behutsam reagiert, ist es im Race-Modus komplett deaktiviert. Zwar schütten das schier unerschütterliche Fahrverhalten sowie der grandiose Sound einen Schwall an Glückshormonen aus, doch es ist bei engagiertem Fahren ist ein Balance-Akt ohne Sicherheitsnetz. Der V6 spricht so giftig an, dass das Heck schnell ein stärkeres Eigenleben entwickeln kann, als einem lieb ist. Fahrspass ja, aber bitte mit maximaler Konzentration und gesundem Menschenverstand.
Mit einem Testwagenpreis von 119’200 Franken rangiert der Stelvio QV trotz absolut gesehen hohem Preis unterhalb der Konkurrenz. Dafür muss man Abstriche bei Infotainment, Assistenz-Technologie sowie teilweise auch der Qualität in Kauf nehmen. Fahrdynamisch ist der Italiener aber definitiv etwas vom schärfsten, was man in diesem Segment kriegen kann – der Alfa ist auf einer Wellenlänge mit Porsche. Was der Sound und die damit einhergehenden Emotionen angeht, hängt er selbst die Modelle aus Zuffenhausen ab. Wer die praktischen SUV-Qualitäten schätzt und auf eine gewisse Portion Drama steht, findet im Stelvio Quadrifoglio einen temperamentvollen Begleiter, der jede Fahrt zu einem Erlebnis werden lässt!
Alltag
Auch ohne spezielle Variabilität bietet der Stelvio QV ausreichend Platz für Gepäck und Passagiere. Wer aber denkt, er findet im Italiener das gewisse praktische Extra, wird enttäuscht werden.
Fahrdynamik
Das gewisse Extra kommt dafür im Form des Handlings. Die Lenkung reagiert messerscharf und beschert dem Stelvio ein für ein SUV sensationelles Einlenkverhalten. Wer das volle Soundpotenzial erleben will, muss im Race-Modus fahren, in welchem die Auspuffklappe permanent geöffnet, das ESP aber auch komplett deaktiviert ist. Vorsicht: Trotz Allradantrieb drückt das Heck gerne nach aussen. Konzentriert und innerhalb des eigenen Limits gefahren dennoch ein Riesenspass!
Umwelt
Der Hubraum ist mit 2,9 Liter verhältnismässig klein, der Durst dagegen mit 12,5 Liter verhältnismässig gross. Von nichts kommt nichts und obwohl man es dem Stelvio nicht anmerkt, müssen doch knapp zwei Tonnen nach vorne katapultiert werden.
Ausstrahlung
Die Italiener können einfach schöne Autos bauen. Punkt. Die Proportionen des Stelvio stimmen aus jeder Perspektive und er wirkt nie bauchig, kastig oder unsportlich. Perfekt!
Fazit
+ Schönes, sportliches Design
+ Bequeme Sportsitze mit guter Beinauflage und starkem Seitenhalt (Schalensitze optional)
+ Riesige, feststehende Schaltpaddles mit toller Haptik
+ Gute Bein- und Kopffreiheit im Fond
+ Bei offener Klappe lauter, metallischer Motorsound mit geilem Fauchen
+ Messerscharfes Einlenkverhalten, ultradirekte Lenkung
+ Kaum Seiten- und Rollneigung, enorme Stabilität
+ Explosive Kraftentfaltung, hohe Drehfreude
+ Extrem schnell reagierendes Getriebe, passt sich perfekt der Situation an
+ Im Vergleich zu anderen Premium-Hersteller akzeptabler Preis
– Hoher Verbrauch
– Teilweise mässige Verarbeitungsqualität
– Fummeliges Infotainment mit kleinem Display
– Kein LED-Licht
– ESP kann nicht in einen Sport-Modus versetzt werden, nur ganz aus
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Alfa Romeo Stelvio QV |
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Preis Basismodell / Testwagen | 109 500 CHF / 119 200 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2891 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 375 kW bei 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 600 Nm bei 2500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 3,8 s |
Vmax | 283 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 9,8 l/100 km / 227 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 12,5 l/100 km / 290 g/km / +24% |
Länge / Breite / Höhe | 4,69 m / 1,96 m / 1,68 m |
Leergewicht | 1950 kg |
Kofferraumvolumen | 525 - 1600 l |
Bilder: Vesa Eskola
Toll geschrieben, bin sehr einverstanden. Ich fand sie im Normal-Modus sehr hart eingestellt und auf Dauer leidet da ein bisschen der Komfort. In den Kurven vergisst du hin und wieder dass du in einem SUV sitzt 😉