Der Audi A6 Avant ist ein ganz normales Auto der gehobenen Klasse. Klingt furchtbar langweilig? Nein, ganz und gar nicht. Inmitten all den neumodischen Konzepten der Crossover, SUVs, Coupés mit vier Türen und/oder über 1,70 Meter Höhe tut es gut, einfach mal wieder einen Kombi zu testen. Ausserdem liefert der Businesscruiser am Laufmeter gute Argumente dafür, warum man nicht jeden neumodischen Trend mitmachen muss! Leider muss man für diese Argumente zum Teil tief in die Tasche greifen.
Was tun, wenn man viel Technik und das neueste Modell fahren, aber gleichzeitig nicht auffallen will, schon gar nicht als Schnösel? Dann sollte man sich den A6 am besten gleich so zusammenstellen, wie er als Testwagen vorfährt. Sportlich-elegant mit grossen Rädern, S-Line Paket und animierten LED-Lichtern, aber dennoch nicht protzig – keine schwarzen Felgen, keine getönten Scheiben, keine dicken Rohre. Einfach schlicht, aber schick. Selbst der recht grosse Singleframe-Grill wirkt dank den horizontalen Streben nicht so angriffslustig wie bei anderen Modellen.
Im Innenraum geht es ähnlich dezent und elegant weiter. Der Testwagen ist Schwarz in Schwarz gehalten, was mit dem schwarzen Klavierlack und dem schwarzen Dachhimmel dann doch recht düster wirkt. Die Stunde des Interieurs hat dafür im Dunkeln geschlagen, denn mit der konfigurierbaren – und natürlich aufpreispflichtigen – Mehrfarben-Ambientebeleuchtung kann man den Innenraum in seinen Lieblingsfarben in Szene setzen.
Was dafür bei Tageslicht auffällt, ist die astreine Verarbeitungsqualität sowie die Materialgüte. Selbst an wenig exponierten Stellen kommt hochwertiger Kunststoff zum Einsatz und nahezu sämtliche Bedienelemente sind aus Aluminium gefertigt. Sehr gute Platzverhältnisse – mit Ausnahme des Mittelsitzes – runden die Liste der Pluspunkte ab. Zwiespältig ist einzig das schicke Infotainmentsystem, welches aber aufgrund der Bedienung durch zwei Touchscreens schnell ablenkt.
Im Bug arbeitet der bekannte Dreiliter-V6-Diesel in der stärkeren Ausführung, bei Audi als 50 TDI bekannt. Ich will eigentlich nicht mehr zum wiederholten Masse auf der Anfahrschwäche herumreiten, aber jedes neue Testauto zeigt mir, wie mühsam sie ist, also erwähne ich sie trotzdem jedes Mal aufs Neue. Der Turbodiesel braucht ordentlich Touren, damit seine Durchzugskraft zur Geltung kommt. Sobald die Fuhre dann mal rollt, ist die Welt in Ordnung. Apropos Fuhre: Audi war mal führend beim Thema Leichtbau. Doch wenn ein Kombi unter fünf Meter Länge rund 2160 Kilo wiegt, frage ich mich ernsthaft, wo die Bemühungen des Leichtbaus geblieben sind?
Kann man dem A6 immer noch Vorsprung durch Technik attestieren? Jein. Klar, dass der Testwagen akustikgedämmt, luftgefedert und assistenzgesteuert ein automobiler Komforttraum ist. Im A6 reist man gerne stundenlang, die Qualität ist an sämtlichen Ort spür-, fühl-, sichtbar und dafür nicht hörbar. Genauso soll es sein. Allerdings muss für den Genuss tief ins Portmonee gegriffen werden. Akustikverglasung, Luftfahrwerk, HUD, Sportdifferential, zwei Assistenzpakete, Allradlenkung, Keyless-Go sowie Matrix-Licht– alles ist aufpreispflichtig und zwar heftig.
Dabei sind es genau diese Punkte, die den A6 zu dem machen, was er sein soll. Ein leiser, komfortabler Kombi mit erstaunlich sportlichem Fahrverhalten. Wer relevante Sonderausstattungen weglässt, muss sich einfach klar sein, dass dies auf Kosten des Komforts sowie der Agilität geht. Bei einem Testwagenpreis von rund 128’000 Franken kommt verständlicherweise schnell der Gedanke auf, dass vieles gar nicht gebraucht wird. Jedoch machen erst die teuren, technischen Kniffe den A6 wirklich überdurchschnittlich gut. Wer einigermassen preisbewusst ist, dürfte von der Aufpreispolitik bei Audi recht schnell vergrault werden.
Eine weitere Erkenntnis ist die, dass SUVs praktisch nur aufgrund der Optik einen «Vorteil» haben. Okay, wer drei Tonnen über einen Feldweg bergauf ziehen muss, ist mit dem A6 ebenfalls an der falschen Adresse. Doch alles andere spricht klar für den Kombi. Er ist günstiger, sparsamer, leiser (aufgrund besserer Aerodynamik sowie schmaleren Reifen) und ebenso geräumig wie ein vergleichbares SUV. Einfach, damit das wieder einmal gesagt ist.
Alltag
Da der A6 keinem exzentrischen Design verschrieben ist, ist die Raumausnutzung sehr gut. Ausserdem ist die Ladekante sehr tief und die Ladefläche eben. Nur der Mittelsitz hinten ist aufgrund des hohen Mitteltunnels recht unbequem.
Fahrdynamik
Leistungsfähiger Quattro-Antrieb, Sperrdifferential an der Hinterachse, flinke Automatik und ein recht tiefer Schwerpunkt: All das verhilft dem A6 zu einem sehr sportlichem und neutralem Fahrverhalten. Das für einen Kombi sehr hohe Gewicht wird durch die adaptive Luftfederung geschickt kaschiert.
Umwelt
Für die Leistung, über die der A6 verfügt, sind 7,6 l/100 km ein guter Wert. Wer das sportliche Potenzial weniger ausreizt, wird auch mit weniger als sieben Liter durchkommen. Notiz am Rande: Der Q8 mit demselben Antrieb hat im Test einen ganzen Liter mehr verbraucht. Einfach damit es wieder einmal gesagt ist, welchen immensen Nachteil SUVs puncto Aerodynamik und Gewicht mit sich tragen.
Ausstrahlung
Fällt der A6 auf? Nicht im geringsten. Dennoch wirkt er sportlich und elegant gestaltet. Leider kostet das dem Auto sehr gut stehende S-Line Paket 5490 Franken.
Fazit
+ Evolutionäres, elegantes Design
+ Top Verarbeitungsqualität und Ergonomie
+ Materialgüte auf sehr hohem Niveau
+ Perfekt stützende Sportsitze, tiefe Sitzposition
+ Sehr gute Kopf- und Beinfreiheit im Fond
+ Vielfäliges Infotainmentsystem, kann aber leicht ablenken
+ Agiles Handling, sehr spitzes Einlenkverhalten
+ Deutliche Spreizung zwischen Comfort- und Sport-Modus
+ Exzellente Geräuschdämmung
+ Fortschrittliche Assistenzsysteme, leider mit stets aktivem Spurhalteassistent nach Neustart
+ Flinkes und treffsicheres Automatikgetriebe
+ Sehr effektives Matrix-LED-Licht
– Aufpreispolitik
– Ausgeprägtes Turboloch
– Hohes Gewicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Audi A6 50 TDI |
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Preis Basismodell / Motorisierung /Testwagen | 69 500 CHF / 81 600 CHF / 128 440 CHF |
Antrieb | Diesel-Mildhybrid, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2967 ccm / V6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 210 kW bei 3500 - 4000 r/min |
Max. Drehmoment | 620 Nm bei 2250 - 3250 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5,5 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 5,9 l/100 km / 155 g/km / E |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,6 l/100 km / 200 g/km / +29% |
Länge / Breite / Höhe | 4,94 m / 1,89 m / 1,47 m |
Leergewicht | 2168 kg |
Kofferraumvolumen | 565 - 1680 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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