Audi will aus dem e-tron Koloss ein Fahrdynamiker machen. Als e-tron S mit dritter E-Maschine, jenseitigem Drehmoment und Fahrwerks- sowie Lenkungsänderungen soll er sogar Powerslides ermöglichen! Wird das Dynamik-Versprechen eingehalten? Und wie wirkt sich das Leistungsplus auf den Energieverbrauch aus?
Wenig Neues beim Design
Der Auftritt des Testwagens ist beeindruckend, was auch an der kräftigen Farbe Catalunyarot liegt. Ansonsten ist das Design-Thema aber schnell abgehakt. Breitere Radhäuser, bis zu 22 Zoll grosse Felgen sowie ein S-Emblem auf der Mittelkonsole – that’s it. Ansonsten unterscheidet sich der e-tron S Sportback nicht von einem Sportback ohne S.
Wie bislang alle e-tron Testwagen bringt auch dieser die Kamera-Spiegel mit. Obwohl sie auf der Autobahn mit besserer Sicht im Dunkeln und bei Regen punkten sowie kein toter Winkel mehr existiert, rate ich von ihnen ab. Erstens spart man rund 2000 Franken Aufpreis und zweitens kann man mit ihnen einfach nicht anständig parkieren, weil jegliches Distanzgefühl verloren geht.
Komfort bleibt erhalten
Obwohl der e-tron S mehr Dynamik an den Tag legt, leidet der alltägliche Fahrkomfort nicht darunter. Das grosse SUV federt geschmeidig und satt, selbst im Dynamic-Modus kommt keine übermässige Härte zum Einsatz. Im Comfort-Modus federt das System dafür so gelassen, dass das Dynamik-Potenzial völlig in den Hintergrund gerät. Durch grossen Aufwand bei der Dämmung hört man auch von den hochfrequentigen Geräuschen des Elektroantriebs nur wenig. Dadurch wäre der e-tron S Sportback der perfekte Langstreckengleiter, aber dazu später mehr.
Ja, er kann auch quer
Doch um den hohen Komfort zu geniessen, braucht man nicht das S-Modell. Als erstes Elektro-Serienauto kommt er mit der geballten Kraft von drei Elektromotoren, wovon zwei an der Hinterachse sitzen. Ein blitzschnelles, weil elektrisches Torque Vectoring verteilt zudem die Antriebskräfte vollvariabel zwischen den Hinterrädern. Beim Kickdown kommt dieses aber noch nicht zum tragen, dafür das Drehmoment: 973 Nm, genug, um einen gewaltigen Schub zu generieren, der einem in der ersten Sekunde ein flaues Gefühl im Magen aufkommen lässt.
Nichtsdestotrotz ist die Beschleunigung nicht so brachial, wie man es sie sich angesichts der Leistungsdaten vorstellt. Denn der e-tron S wiegt nochmals rund 100 Kilo mehr als der ohnehin schon zu schwere normale e-tron, womit der Testwagen 2752 Kilo auf die Waage bringt. Mit dem optionalen Glasdach dürfte er sogar die 2800-Kilo-Marke knacken. Dieses Gewicht hat denn auch zur Folge, dass trotz des tiefen Schwerpunktes bei schnellen, langgezogenen Kurven das Auto ins Untersteuern gerät. Überhaupt sind die Vorderreifen bei sportlichen Fahrten bemitleidenswert, wenn man bedenkt, wie viel Gewicht sie handeln müssen.
Doch der e-tron S kann auch den Hinterrädern zusetzen. Im Dynamic-Modus spürt man die hecklastige, aber neutrale Antriebsverteilung. Mit dem ESP im Sport-Modus werden die Zügel gelockert, womit der e-tron S nebst dem R8 und dem RS6 erst der dritte Audi der Neuzeit sein dürfte, der tatsächlich quer fahren kann. Natürlich ist das SUV kein Radiergummi, aber es ist schon erstaunlich, wie ein so gewaltiger Koloss so leicht kontrollierbar den Arsch raushängen lässt – und ein riesen Gaudi ist es obendrein auch noch!
Viel braucht viel
Ein Verbrauchswunder war der e-tron noch nie und ein zusätzlicher Motor verbessert den Energieverbrauch nicht. Der Normverbrauch von 29,8 kWh/100 km liegt sogar höher als beim Porsche Taycan Turbo S, insofern ist es verwunderlich, dass der Testverbrauch mit 28,0 kWh/100 km trotz ein paar schnellen Passagen darunter liegt. Doch am Ende des Tages verbleiben von den 373 WLTP-Kilometern dennoch nur rund 300 und auch diese kann man nicht voll ausnutzen, weil man ja bereits vorher eine Ladesäule ansteuern muss. Vom Komfort und Platz her wäre der e-tron – sowohl mit, als auch ohne S – das perfekte Elektro-Reiseauto, aber eben, mit dieser Reichweite will man sich keinen 1000 oder mehr Kilometer langen Roadtrip antun.
Viel Technik, aber für wen?
Schlussendlich halte ich den e-tron S für ein ziemliches Nischenprodukt. Sein Antriebskonzept ist zwar hochspannend und bringt auch eine Dynamik und Präzision ins Spiel, die für so viel Gewicht doch verblüffend ist. Doch 2750 Kilo sind für richtig sportliches Fahren einfach zu viel. Puncto Komfort und Ausstattung braucht es den S nicht und was den Energieverbrauch angeht, fährt man mit dem normalen e-tron besser. Und der Markt, der sich für ein übermotorisiertes, quer fahrendes Elektro-SUV interessiert, halte ich doch für ziemlich gering – ausser, man kauft sich aus Prestige-Gründen den S, einfach, damit man das Beste vom Besten hat.
Alltag
Der e-tron bietet auch als Sportback viel Platz. Allerdings werden die Vorteile des Elektroantriebs nur sehr eingeschränkt genutzt. Spezielle Variabilität sucht man im Stromer-SUV-Coupé vergebens. Auch der e-tron S verfügt über keine Allradlenkung.
Fahrdynamik
Durch die straffere Luftfederung und die zupackendere Lenkung schafft der e-tron S ein verbindlicheres Fahrerlebnis. Mit ESP Sport und sehr starker Beschleunigung kommt sogar hin und wieder ein Powerslide zustande, ansonsten ist der e-tron sehr neutral. Was aber nicht wegzudiskutieren ist, ist die Masse von 2750 Kilo, wodurch in schnell gefahrenen Kurven das Gewicht trotz tiefem Schwerpunkt stark nach aussen drängt.
Umwelt
Viel Masse und viel Power – da bedarf es keines Physik-Abschlusses, um zu ahnen, dass das viel Energie benötigt. Und der e-tron S Sportback hat in der Tat einen hohen Energiebedarf. Im Test waren es 28,0 kWh/100 km, aber wer das Leistungspotenzial häufig ausnutzt, landet schnell auch bei über 30 kWh/100 km. Mit Ökologie hat so ein übermotorisiertes Trumm zu einem Auto eigentlich nicht mehr viel zu tun, auch wenn es elektrisch fährt.
Ausstrahlung
Seinen Elektro-Antrieb stellt der e-tron S Sportback nicht gross zur Schau. Er ist eine imposante Erscheinung, nicht mehr und nicht weniger. Die kamerabasierten Aussenspiegel wirken fancy.
Fazit
+ Elegantes, sportlich angehauchtes Design
+ Sehr geräumiger Innenraum, viele und grosse Ablagen
+ Exzellente Verarbeitungsqualität, edle Materialien
+ Navigation berechnet Ladestopps auf der Route mit ein
+ Diverse Fahrmodi mit deutlicher Spreizung
+ Hoher Fahrkomfort
+ Sehr tiefes Geräuschniveau
+ Neutrales Handling dank tiefem Schwerpunkt
+ Hecklastiger Allradantrieb
+ Mit ESP Sport sind Powerslides möglich
+ Hohe Ladeleistungen möglich
+ Sehr schnell reagierendes Matrix-LED-Licht, optional Pixel-Matrix-Licht
+ Grosse Auswahl an Assistenzsystemen, arbeiten zuverlässig
– Sehr hohes Gewicht
– Hoher Preis
– Keine Allradlenkung erhältlich
– Hoher Stromverbrauch, reale Reichweite knapp
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Audi e-tron Sportback S |
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Preis Basismodell / Testwagen | 102 100 CHF / 138 537 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | 95 kWh (brutto) / 86,5 kWh (netto) |
Max. Leistung | 370 kW |
Max. Drehmoment | 973 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,5 s |
Vmax | 210 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 29,8 kWh/100 km / A |
Test-Verbrauch / Differenz | 28,0 kWh/100 km / - 6% |
WLTP-Reichweite | 373 km |
Ø Test-Reichweite | 300 km |
Länge / Breite / Höhe | 4,90 m / 1,98 m / 1,61 m |
Leergewicht | 2754 kg |
Kofferraumvolumen | 555 - 1655 l (+60 Liter Frunk) |
Bilder: Koray Adigüzel