Computer am Steuer – ungeheuer

Wenn der Computer besser rechnen kann als der Mensch, warum soll er dann nicht auch der bessere Autofahrer sein? Mit autonomen Autos soll der Verkehrsfluss massiv flüssiger werden, sowie die Schadstoffemissionen und Unfallzahlen stark zurückgehen. Computer sind nie müde, haben praktisch keine Reaktionszeit und können untereinander kommunizieren, sofern die einzelnen Autos miteinander verbunden sind. (Die Kommunikation der menschlichen Autofahrer beschränkt sich hauptsächlich aufs Fluchen). Das selbstfahrende Auto ist heute keine Science-Fiction mehr, es ist lediglich noch nicht käuflich. Technisch machbar ist es schon heute, wie unter anderem schon Google, Volvo und Audi eindrücklich zur Schau gestellt haben.

Im US-Bundesstaat Nevada haben die Behörden für die fahrenden Computer sogar schon grünes Licht gegeben: Audi, Google und Continental (Reifen- und Zubehörhersteller) dürfen auf öffentlichen Strassen Autos von alleine fahren lassen. Zur Sicherheit muss zwar ein Fahrer am Steuer sitzen um notfalls, einzugreifen, doch sofern die Technik zuverlässig fährt, hat er nichts zu tun. Bereits im Jahre 2010 hat Audi beim legendären Bergrennen Pikes Peak International Hill Climb gezeigt, was möglich ist: Ein technisch modifizierter Audi TT-S erklomm die anspruchsvolle Passstrecke mit 156 Kurven in 27 Minuten, ein Mensch hätte etwa 17 Minuten benötigt, so Audi.

An der Elektronikmesse CES in Las Vegas gab Audi den Takt vor, wohin die Reise führt. Die Ingolstädter demonstrierten, wie ein weitgehend serienmässiges Fahrzeug via WLAN mit einem Parkhaus kommunizierte und das Auto so in der Lage war, selbstständig einen Parkplatz zu finden und dem Fahrer anschliessend mitzuteilen, wo es sein Plätzchen gefunden hat. Zudem präsentierte Audi einen Matrix-LED-Scheinwerfer, welcher in der Nacht mit permanentem Fernlicht gefahren werden kann, da er Fussgänger und andere Autos gezielt ausblendet, der restliche Bereich jedoch voll ausgeleuchtet wird.
Die Technik, welche fürs autonome oder pilotierte Fahren benötigt wird, steckt bereits heute weitgehend in teuren Serienfahrzeugen. Die zur Zeit verfügbaren Assistenzsysteme wie der Abstandstempomat, Spurhalteassistent, Tot-Winkel-Assistent und Kameras, welche das Verkehrsgeschehen beobachten, bilden die Grundlage für das Fahren ohne Fahrer.

Doch auch Volvo hat mit dem Projekt SARTRE (Safe Road Trains for the Environment) bereits gezeigt, was machbar ist. Ein Führungsfahrzeug wird von einem Menschen gelenkt, dahinter können sich beliebig viele andere Fahrzeuge an- oder auskoppeln. Einmal an den Road Train gekoppelt, kann der Fahrer das Lenkrad loslassen und der Wagen folgt völlig autonom dem Zug. Tempo- und Spurwechsel erfolgen ebenfalls von alleine. Der Abstand zwischen den einzelnen Fahrzeugen beträgt lediglich sechs Meter, und das bei Autobahntempo. Volvo durfte in Spanien auf öffentlichen Strassen bereits ausgiebige Tests durchführen.

Die Hersteller zeigen eindrücklich, dass es heute keine grosse Herausforderung mehr ist, ein einzelnes Auto von alleine fahren zu lassen. Grosse, baubedingte Änderungen sind nicht notwendig, lediglich die Software fehlt noch, resp. ist nicht serienreif. Was ebenfalls noch offen ist, ist die rechtliche Grundlage für selbstfahrende Autos. Denn wenn das Auto zwar alleine fährt, aber man trotzdem permanent die Fahrt überwachen muss, ergibt ein autonomes Fahrzeug nicht viel sinn.
Einen bedeutenden Schritt strebt Continental an, nämlich die Vernetzung unter den einzelnen Fahrzeugen. Dafür fehlen noch grösstenteils die Komponenten, die es für ein funktionierendes und vor allem sicheres Autonetzwerk benötigt werden. Autonomes Fahren in der Stadt ist wesentlich anspruchsvoller als auf der Autobahn, da Ampeln, Fussgänger und komplexe Kreuzungen vorkommen. Continental erhofft sich durch die Vernetzung von Fahrzeugen, dass die Autos Informationen erhalten, falls beispielsweise auf der kommenden Route schwierige Strassenverhältnisse herrschen.

Obwohl eifrig geforscht wird, sind meiner Meinung nach noch eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet, welche weit über den rechtlichen Aspekt hinausgehen. Was wird im Falle einer Automatisierung des Autofahrens aus dem Slogan “Freude am Fahren” von BMW? Ob und inwiefern wird der “Fahrer” noch ins Geschehen eingreifen können? Würde er mit manueller Steuerung als schwächstes Glied der Kette nicht einfach ein perfektes System ausbremsen und alles nutzlos machen? Wie schützt man autonome Fahrzeuge vor Fremdeingriffen, Stichwort Hacking?
All diese Fragen zeigen, dass sich die Idee des autonomen Fahrens noch zu Recht im frühen Entwicklungsstadium befindet. Schlussendlich bleibt die Frage offen, wie viele Autofahrer tatsächlich bereit wären, die Kontrolle abzugeben?

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