Autosalon Genf 2016: Schönes und weniger Schönes

Hilfe, ich kann nichts sehen! Den Überblick am Salon in Genf zu behalten, wird zunehmend schwieriger, weil: Sie stehen an jedem Stand. Ragen hoch wie eine Schrankwand, versperren die Sicht und stellen die anderen Modelle in den Schatten. Die SUVs. Es gibt sie in allen Farben, Formen, Varianten, Grössen und Antrieben. Doch mit aktiviertem SUV-Filter kommen plötzlich andere, spannende Autos zum Vorschein. Taucht ein in eine satirisch angehauchte, nicht immer ganz ernst gemeinte Reportage aus dem Salon in Genf. Ich zeige euch, was es zu sehen gibt – und was nicht. Und wer nicht lesen mag: Ganz unten sind die Bilder.

Ich mochte ja besonders den Mini-Stand. Nicht etwa wegen den Autos, weil mit BMW/Mini habe ich es etwas schwer, die mögen mir keine Autos geben, das Klima zwischen uns ist ziemlich arktisch. Ausserdem finde ich, der Kult um Mini ist mittlerweile abgelutscht. Ach je, wenn das ein Mini-Verantwortlicher liest… Egal, ich mochte vor allem die Hostessen dort. Die machten immer ein wenig Party, tanzten herum und warfen sich vor die Linse. Echt sympathische Girls. Doch Mini verfolgt eine neue Marketing-Strategie und möchte in Zukunft nicht mehr alle Messen der Welt beehren. Dafür hat BMW etwas mehr Platz, aber viel Spannendes gibt es dort auch nicht zu sehen. Heiss ist einzig der M2, den 7er M-Performance wollen eh nur die Chinesen. Der Rest am BMW Stand ist nichts Neues, kann man sich schenken.

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Das einzig sehenswerte bei BMW.

Übrigens beehrt auch Volvo nicht mehr alle Messen, aber Genf steht noch auf der Liste der Schweden. Dort gibt es natürlich den V90 Kombi zu sehen, der heiss gelobt wird. Ich gebe zu, mir gefällt er auch sehr gut. Er wird seine Käufer finden. Hingegen bin ich mir bei der Limousine nicht so sicher, das Heck ist etwas gar wüst, wie ich finde. Aber die Chinesen kaufen sie bestimmt, die kaufen alles, was hässlich ist. Gute Beispiele: Bentley Mulsanne und Mercedes R-Klasse. Mitleid habe ich dafür mit dem Volvo V40. Der wurde nämlich geliftet, aber kein Schwein interessiert sich für ihn, stattdessen belagern alle den V90. Tja, Life’s hard…

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Weil alle den V90 zeigen, zeige ich den V40.

Die Briten sind echt schwer zu verstehen. Da feiern sie ganz gross den Evoque Convertible und den Jaguar F-Pace, aber von beiden steht bloss ein Modell am Stand. Den Rest kennt man, ausser: Jaguar F-Type SVR, die Brutalo-Variante vom ohnehin schön bösen Buben. Würde er gestartet werden, man würde ihn fünf Hallen weiter noch hören.

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Ich kann es kaum erwarten, ihn brüllen zu hören…

Wenig Interessantes gibt es bei PSA zu sehen. Der Peugeot 2008 hat ein kaum nennenswertes Facelift erhalten, die DS3 ist nun ebenfalls eine eigenständige DS und so ganz nebenbei zeigt DS eine schicke Elektro-Studie. Es ist bei weitem nicht die erste, hinreissende Studie von DS, aber irgendwie frage ich mich, was das soll. Die Dinger werde eh nicht gebaut, also sollten die Franzosen lieber ihr Geld für ein Serien-SUV ausgeben. Ja, ich will so ein Ding nicht und es gibt sie schon zu genüge, aber ohne so ein Teil werden es die Franzosen schwer haben. Und sollte es hässlich werden: Keine Sorge, dann werden ihn halt die Chinesen kaufen. Nein, ernsthaft: DS sollte Gas geben und ein erstes, eigenständiges Modell bringen. Bis jetzt gibt es nur umgelabelte, aufgedonnerte Citroëns.

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Atemberaubend, aber wird niemals gebaut. Nicht einmal annähernd.

Spannender ist der Besuch bei Renault, die haben mit dem Scenic einen schicken Crossover entwickelt. Ausserdem ist dort auch der neue Mégane als Kombi zu sehen. Jedoch hat man offenbar vergessen, Alpine mit nach Genf zu nehmen…

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Der Scenic hat den Wandel vom Van zum Crossover ebenfalls vollbracht.

Auch die Briten müssen ihr Dickschiff zu Hause vergessen haben, denn Bentley zeigt zwar seine Schar an Limousinen, doch den Bentayga sucht man vergebens. Immerhin hat man dafür gute Sicht an ihrem Stand, obwohl die 5,50-Meter langen Schiffe am Stand auch echt viel Platz rauben. Ich finde, bei Bentley vergeudet man seine Zeit. Sie mögen zwar edel sein, aber technisch sind sie von vorgestern. Jeder Kleinwagen ist technisch moderner als die dicken Schiffe, die mehrere hundert Riesen kosten.

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Ein bisschen mehr Leistung kostet bei Bentley soviel, wie bei anderen ein ganzes Auto.

Auch um Rolls-Royce kann man einen grossen Bogen machen. Zu sehen gibt es dort ein komplett in Schwarz gehaltenes Sondermodell vom Ghost, der mittlerweile ein altes Eisen ist und demnächst eingestellt wird. Aber man muss nur die richtigen, salbungsvollen Worte finden, das ganze Auto hübsch gestalten und schon kann man einem reichen Schnösel mit beschränktem Horizont eine halbe Million auf legale Art und Weise abknöpfen. Vielleicht kann man diesbezüglich etwas von Rolls-Royce lernen…

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Ups, Bilder von Rolls-Royce sind unter gegangen. Zeige ich halt ein Mädel in Schwarz.

Direkt nebenan ist McLaren zu sehen, die den Stand von Qoros übernommen haben, da die sich ebenfalls nicht blicken lassen. Ist auch gut so, denn was es bringen soll, Autos zu zeigen, die vor zehn Jahren eh nicht nach Europa kommen, habe ich nie verstanden. Und der Designer kann noch so deutsch sein, ein Chinese bleibt ein Chinese. Müsste ich nicht geschenkt haben. Einen McLaren hingegen darf es gerne sein. Der 570S, ohnehin schon der alltagstauglichste McLaren aller Zeiten, ist nun noch alltagstauglicher geworden, denn als 570GT hat er sogar einen grösseren Kofferraum! Ein kluger Schachzug, denn das perfekt passende Gepäckraum-Set aus edelstem Leder gibt es garantiert nicht für unter zehn Riesen. Auch hier: Man muss nur die richtigen Worte finden…

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McLaren mit Kofferraum. Was für eine Revolution.

Einen auf edel macht dieses Jahr auch Ford, denn wohin das Auge reicht, überall steht ein Vignale herum: Mondeo, S-Max, Edge und Kuga, der Neue, der aber vor 2017 trotzdem nicht erhältlich sein wird. Ford verspricht aussergewöhnliche Dienstleistungen für Vignale-Fahrzeuge (Hol-und Bring-Service, gratis Wäsche und solchen Kram) und ich frage mich, ob das und etwas mehr Leder den Aufpreis wert ist. Aber eben. Klug verpacken, dann wird schon jemand anbeissen.
Fast schon versteckt steht der GT in unschuldigem weiss, als Serienversion. Wobei, Änderungen zum Prototypen kann ich keine ausmachen. Anscheinend wird er es nicht vor 2018 nach Europa schaffen, aber immerhin sorgt Ford durch einen sehr persönlichen Fragebogen dafür, dass die Käufer ihn fahren werden und nicht in eine Halle stellen. Gebt ihn einfach mir, glaubt mir, ich würde das Ding fahren…

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Die Serienversion vom GT. An Geilheit nicht zu überbieten. Aber Ford macht einen gewaltigen Wirbel um ihn.

Fahren würde ich auch den Honda NSX, für den sich kaum jemand interessiert. Kein Wunder, obwohl er letztes Jahr schon dort war, ist er immer noch abgeschlossen. Angeblich soll er diesen Herbst zu uns kommen, so ab 200’000 Franken soll er kosten. Ausserdem zeigt Honda einen Civic Prototyp. Ich behaupte, die Serienversion wird nie und nimmer so scharf aussehen wie die Studie. Ausserdem – und das finde ich persönlich sehr bemerkenswert – steht auch noch der wasserstoffbetriebene Clarity dort, der ebenfalls dieses Jahr zu uns kommen soll. Aber auch für den scheint sich niemand zu interessieren…

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Nach Toyota und Hyundai bringt auch Honda ein Hydrogen-Serienmodell.

Bei Toyota, Lexus und Infiniti ist etwas mehr los als bei Honda, aber bahnbrechendes gibt es eigentlich nicht zu sehen. Toyota zeigt nebst dem hässlichen Entlein Prius einen skurrilen Crossover, von dem ich noch nicht so recht weiss, ob ich ihn doof oder cool finden soll. Lexus zeigt mit dem LC500 ein wunderschönes Coupé, aber ich frage mich, warum man damit den hauseigenen RC konkurrenziert. Auch Infiniti zeigt mit dem Q60 ein schönes Coupé, aber zu mehr Verkaufszahlen kommen sie deswegen auch nicht. Ah, da ist ja noch Mazda aus dem fernen Osten. Wäre nicht die herzerwärmende Studie RX-Vision zu sehen, könnte man sich den Besuch glatt schenken, denn was Neues gibt es dort nicht. Suzuki, Mitsubishi und Subaru kann man auslassen. Gibt weder schöne Autos, noch schöne Mädels zu sehen.

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Der Lexus LC500 ist wahnsinnig schön.

Auch bei Mercedes sind keine Hostessen zu sehen. Die haben sich gedacht, mit so vielen Cabrios sei der Sexappeal vom Mercedes-Stand so hoch, dass es keine Damen braucht. Was die Ladys betrifft, kann ich Kia, Skoda und Seat empfehlen. Dort sind hübsche, adrette Damen zu sehen. Etwas mehr nackte Haut wird es bei den Tunern gezeigt und das ist dort in der Regel auch das einzig sehenswerte, denn ansonsten sind bloss reihenweise verunstaltete Ferraris, Rolls-Royces, Lamborghinis, Cayennes, Panameras, G-Klassen und GLE Coupés ausgestellt. Aber es gibt leider Mitmenschen, die einfach keinen Stil haben. Manhatten oder nöd, wie Bligg treffend zu rappen pflegt.

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Kein Kommentar.

Viel und doch wenig gibt es bei VW zu sehen. Ein frisch geschminkter Up! und komische Studien sind bei VW anzutreffen. Das Highlight steht beim Golf GTI Clubsport. Das Auto selber ist zwar auch cool, aber die beiden Hostessen, ich nenne sie Adam & Eva, haben sich jeden Tag in ein anderes Kostüm geworfen, eines schräger als das andere. Definitiv einen Blick und ein Foto wert.

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Adam & Eva beim Golf GTI Clubsport.

Ebenfalls einen Blick wert ist der seit langer Zeit echte, neue Aston Martin. Der DB11 ähnelt stark der Studie DB10, die James Bond vorbehalten war. Unter der Haube gibt es zwar keine Sauger mehr, aber der vom Aussterben bedrohte V12 ist geblieben, neu halt als Bi-Turbo. Man muss halt die Emissionen senken, auch bei Aston Martin…

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Auch der neue Aston Martin ist eine Beauty.

Nur eine Randrolle spielen die Emissionen beim Porsche 911 R, der gemäss NEFZ 13,3 l/100 km verbrauchen soll. Eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass die ganz neuen, gelifteten Elfer weniger als neun Liter verbrauchen sollen. Gelobt und gehypt wird der auf 991 limitierte 911 R und ich behaupte: Die haben das Ding schon lange geplant. Aber weil er nicht sofort gekommen ist, hat die Fangemeinde geschreit und nun ist das Ding da und der Run ist riesig. Man muss halt wissen, wie es geht, aber im weniger Auto für mehr Geld zu verkaufen ist Porsche ohnehin Weltmeister.

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Ein Klassiker von morgen? Wer weiss…

Weltmeisterlich benimmt sich auch Bugatti mit dem Chiron, der eigentlich bloss ein Veyron-Facelift ist. 1500 PS, 420 km/h Spitze, damit reklamiert Bugatti, im Besitz des schnellsten Serienautos zu sein. 500 Stück à 2,4 Millionen € wollen sie bauen (eine Million mehr als damals der Veyron) und auch hier wird eigentlich etwas Altes als brandneu verkauft und die Scheichs werden Bugatti die Hütte einrennen, schliesslich besteht allein das Logo vorne aus Silber.

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Veyron Face… Entschuldigung, Chiron. Leicht abgehoben. Aber nur ein bisschen.

Apropos Scheich. Der Star aus Fast & Furios 7, der W Motors Lykan Hypersport ist auch in Genf vertreten (allerdings beim Magna Stand, weil er dort teilweise gebaut wird) und kein Schwein schnallt, was für ein Schmuckstück unter ihnen weilt. Die meisten halten ihn für eine abgespacte Studie, dabei ist er ein Serienmodell. Wobei: Soweit ich weiss sollen bloss sieben Stück von ihm gebaut werden, also kann von Serie kaum die Rede sein. Auf jeden Fall ist das Teil weit exklusiver als der niedliche Chiron.

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Lykan Hypersport. Und keiner weiss, was es ist.

Richtig schräg ist dafür das Zeugs, was diverse Kleinsthersteller präsentieren. Von Autos über vier Elektromotoren + einen 6,2-Liter V8, über einen reinen Stromer mit über 8000 Nm und 2000 Kilometer Reichweite bis zum Elektrolyt-Antrieb (was ist das eigentlich?) ist alles zu sehen. Und da eh niemand so unbekannte, fragwürdige Gefährte kauft, frage ich mich, woher diese Firmen das Geld für die Entwicklung der Showcars nehmen…

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Krasse, unbekannte Autos gibt es ebenfalls zu sehen.

Und sonst? Wie eingangs erwähnt gibt es viele SUVs zu sehen. Beispielsweise den Maserati Levante, der hinten aussieht wie ein abgeschleckter Cayenne oder das Tesla Model X, das eine Linienführung wie ein Buckelwal hat. Aber wer mit offenen Augen durch die Hallen läuft, entdeckt so manches schicke Kleinod, welches im Schatten der global Players steht. Ich weiss, ich habe bei weitem nicht alles aufgezählt, aber in der Bildergalerie gibt es fast alles zu sehen. Und ihr sollt euch ja auch noch selber ein Bild von der Ausstellung machen können. Darum empfehle ich euch einen Besuch in Genf. Es lohnt sich.

Autosalon Genf 2016
Sie hat den Grössten. Definitiv.

(Bilder: Koray Adigüzel)

2 thoughts on “Autosalon Genf 2016: Schönes und weniger Schönes”

  1. Vielen Dank für diesen wunderschönen Bericht. Letztes Jahr wollte ich schon zum Autosalon hingehen. Jedoch konnte mein Freund nicht! Dieses Jahr werden wir aber bestimmt dort hingehen. Die unbekannten Autos sehen ja auf den Bildern sehr schön aus. Man verwechselt den schwarzen auf dem Bild mit einem Lamborghini…..

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