Dass der aktuelle BMW 1er F40 auf der neuen Frontantriebs-Architektur basiert, ist nichts Neues. Dass das Top-Modell M135i für Puristen und Enthusiasten niemals an den alten M140i anknüpfen kann, ist ebenfalls ein offenes Geheimnis. Darum bläst jetzt BMW mit einer ganz neuen Herangehensweise zum Angriff: Bühne frei für den 128ti (Tusimo Internazionale), der sich im Gegensatz zum M135i mit Frontantrieb ins Haifischbecken der Kompaktsportler stürzt! Die Frage ist: Fressen oder gefressen werden?
Optisch ist der 128ti serienmässig mit dem M-Sport-Paket ausgerüstet. Rote – je nach Aussenfarbe schwarze – Akzente kennzeichnen das neue Sport-Modell, welches ansonsten eher dezent auftritt. Sie können auch abbestellt werden, womit der schnelle Frontantriebs-Einser sich gar nicht mehr abheben würde. Ein Eyecatcher ist er also nicht, aber das muss er auch nicht sein, denn Geschmäcker sind verschieden.
Funktionaler Charme
Auch der Innenraum geht bewährte Wege. Da wären das tolle Infotainmentsystem, welches via Touch, Dreh-Drücker oder mittels Sprache bedient werden kann. Auf der anderen Seite das bekannte Digital-Cockpit, welches immer noch nicht konfiguriert werden kann und weder Tacho, noch Drehzahlmesser zentral darstellt. Das zeigt exemplarisch, wie unnütz moderne Technik sein kann, wenn sie falsch eingesetzt wird.
Weniger unnütz ist dafür die Interieur-Gestaltung an sich. Optische Highlights sind die mit Ambiente-Beleuchtung versehenenen Zierleisten, die 128ti-Stickung auf der Mittelkonsole sowie die roten Akzente im Innenraum. Die Ergonomie passt bestens, wer etwas mehr sportliches Flair will, kann im Gegensatz zum Testwagen Sportsitze ordern. Wer etwas auffälligeres will, kann auch die gesamte Bestuhlung in Rot ordern. Das allgemeine Platzangebot befindet sich im Klassendurchschnitt. Es ist ein deutlicher Schritt nach vorne im Gegensatz zum Vorgänger, aber eine besondere Stärke des 1er ist das Innenraum-Angebot nach wie vor nicht.
Selbst schalten bleibt ein frommer Wunsch
Aber als 128ti soll die besondere Stärke auch anderswo liegen. Motorstart, der leicht gedrosselte Zweiliter-Turbo aus dem M135i erwacht zum Leben. Da «Adaptive» als Fahrmodus hier entfällt, ist die Wahl mit Eco, Sport und standardmässigem Comfort übersichtlich. Als Widerspruch zur Freude am Fahren muss die Fahrstufe D eingelegt werden, eine so gut zum Auto passende Handschaltung ist unverständlicherweise nicht verfügbar.
Nun ist der 128ti aber nicht bloss ein elektronisch limitierter M135i mit entkoppelter Hinterachse, da hat sich BMW schon etwas mehr ins Zeug gelegt. So wurde das nicht-adaptive Fahrwerk neu abgestimmt und trägt zweifelsfrei die Bezeichnung Sport, denn der 128ti ist ganz schön straff unterwegs. Darüber hinaus ist die Vorderachse mit einem mechanischen Sperrdifferential ausgerüstet. Last but not least, das Gewicht, welches mit 1520 Kilo nicht aus dem Ruder läuft.
Wildes Wesen
Der neue Muskelprotz im 1er-Portfolio ist schon im Comfort-Modus ziemlich auf Sportlichkeit gebürstet. Zackiges Einlenken, feinfühlige Bremse, spontanes Getriebe. Im Sport-Modus gibt es dann kein Halten mehr: Das Getriebe hält im Automatik-Modus lange die Gänge, im manuellen Modus haut es sie mit Nachdruck rein. Der Motor baut bis 5000 Umdrehungen ordentlich Druck auf und schiebt kräftig, darüber lässt die Kraft etwas nach.
Dafür kommt die Kraft insbesondere dank griffigen Michelin-Pneus sowie des mechanischen Sperrdifferentials auch perfekt auf die Strasse. Auch das starke Rausbeschleunigen aus Kurven beherrscht der 128ti tiptop, doch dann zerrt es deutlich vernehmbar in der rückmeldungsfreudigen Lenkung.
Gut, aber nicht mehr einzigartig
Sportliche Kompaktflitzer mit Frontantrieb waren bislang die Domäne von Mini, nun mischt auch BMW mit. Der erste Wurf ist durch und durch gelungen, aber die Konkurrenz ist enorm. In meinen Augen kann sich der 128ti mit seinen Eigenschaften nicht deutlich genug von der Konkurrenz abheben. Ich weiss, es ist die alte Leier, aber ich kann es nicht oft genug wiederholen: Mit der Vorgänger-Generation hatte BMW mit dem 1er in der Paradedisziplin Fahrdynamik einen klaren USP. Dagegen ist der 128ti nur noch Einheitsbrei – zwar ein gut gemachter, aber trotzdem. Der Preis von 61’690 Franken dürfte die Situation nicht einfacher machen, da gibt es performantere und gleichzeitig günstigere Alternativen.
Alltag
Wer die straffe Federung verträgt, kann den 128ti problemlos als Daily nutzen. Im Zuge des Generationenwechsels hat sich das Platzangebot verbessert, ein Raumwunder ist der 1er deswegen aber noch lange nicht.
Fahrdynamik
Insbesondere im Sport-Modus ist der 128ti ziemlich aggressiv. Der Motor drückt vor allem im mittleren Drehzahlbereich stark, oben geht ihm etwas die Luft aus. Der straffe 1er fährt sehr agil, lenkt spitz ein und bleibt dank der mechanischen Sperre stramm in der Spur. Ein sehr sportliches Handling, aber mit deutlichen Krafteinflüssen in der Lenkung und einem faden Motorsound.
Umwelt
Mit einem Testverbrauch von 8,4 l/100 km reiht sich der Sport-Einser im Mittelfeld ein.
Ausstrahlung
Ein paar rote Farbtupfer, Elemente in Hochglanz-Schwarz sowie die zweiflutige Auspuffanlage verleihen dem 1er sportliche Akzente. Trotzdem bleibt der 128ti optisch und vor allem akustisch zurückhaltend.
Fazit
+ Gute Ergonomie, tiefe Sitzposition
+ Super Infotainment-System mit erstklassiger Bedienung und weitreichenden Online-Diensten
+ Sehr gute Verarbeitungsqualität
+ Klarer Fokus auf der Sportlichkeit
+ Kraftvoller Motor mit massig Drehmoment
+ Unauffälliges Automatikgetriebe mit absoluter Kontrolle im manuellen Modus
+ Sehr hohes Grip-Niveau
+ Ultra direkte Lenkung, agiles Einlenkverhalten
+ Straffes Fahrwerk bewirkt stabile Karosserie
+ Zurückhaltende Assistenzsysteme
+ Matrix-Licht optional erhältlich
– Verwechselbares Design, vor allem ohne Farbakzente
– Motorsound nicht der Rede wert
– Unnötiges Digital-Cockpit in der jetzigen Konfiguration
– Keine Handschaltung verfügbar
– Deutlich spürbare Krafteinflüsse in der Lenkung
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | BMW 128ti |
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Preis Basismodell / Testwagen | 51 900 CHF / 61 690 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Hubraum / Zylinder | 1998 ccm / R4 |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 195 kW bei 4750 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1750 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,1 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,5 l/100 km / 170 g/km / D |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 8,4 l/100 km / 190 g/km / +12% |
Länge / Breite / Höhe | 4,32 m / 1,80 m / 1,43 m |
Leergewicht | 1520 kg |
Kofferraumvolumen | 380 - 1200 l |
Bilder: Koray Adigüzel