Es gibt Autos wie den Alfa Romeo 4C, die nur für einen einzigen Zweck gebaut sind: Fahrspass. Natürlich gibt es auch Autos, die genau für das Gegenteil gebaut sind, nämlich den praktischen Zweck. Und es gibt Autos wie den BMW Einser M140i, der beides kombinieren soll – naja, mehr oder weniger zumindest. Der stärkste Einser verfügt immerhin über fünf Türen, einen ganz passablen Kofferraum und eine Optik, die überhaupt nicht auf die Potenz unter der Haube hinweist. Ein echter Alleskönner also? Nun, es wird ziemlich schnell klar, wo beim Einser die Prioritäten liegen: Nämlich am richtigen Ort!
Seit es die Zweier Reihe samt bösem M2 gibt, ist das verrückte Einser M Coupé Geschichte. De facto ist der Einser M140i der M Performance Reihe das stärkste Modell der Einser Reihe. Da es sich um kein richtiges M-Modell handelt, ist die Optik ausgesprochen dezent. Keine riesigen Lufteinlässe, keine gelochten Bremsscheiben, keine armdicken Endrohre – nur ein paar kleine M-Signets an Bremsklötzen, Kotflügeln und am Heck. Abgesehen davon hat dem Einser das Facelift allgemein richtig gut getan. Der Schlaftabletten-Blick ist passé, der neue Einser blickt grimmig wie seine grösseren Brüder in die Welt. Auch das Heck mit den grösseren Rücklichtern ist eine Aufwertung.
Der Innenraum ist sehr klassisch gehalten, man kann sogar fast schon sagen, dass man sich im Einser nicht wie in einem 2016er Modell fühlt. Einzige Ausnahme bildet das Infotainmentsystem mit toller Bedienung und Live-Traffic-Informationen. Besonders cool finde ich, dass die Spotify-App vom Smartphone auch ohne Apple CarPlay via Bluetooth ins Auto übertragen wird. Diese Form der Bedienung geht noch leichter von der Hand als bei Apple CarPlay. Apropos: BMW setzt leider, wie gewisse andere Hersteller auch, nur auf Apple. Android Auto wird nicht unterstützt.
Wenn man den Blick weiterschweifen lässt, versteht man wahrscheinlich, was ich mit klassisch meine. Eine schlichte Knopfreihe von 1 – 8 für die Radiosender zieht sich unter dem Display durch, ein klassischer Handbremshebel findet sich in der Mittelkonsole, die Tankuhr sieht aus, als hätte sie zwanzig Jahre auf dem Buckel, ein digitaler Tacho sucht man vergebens. Überhaupt ist das Infodisplay unter dem Drehzahlmesser meiner Meinung nach unglücklich gelöst. Je nach Lenkradposition wird ein Teil verdeckt und die permanente Anzeige des M140i Logos nimmt Platz weg für andere Informationen. BMW wäre besser beraten, es wie alle anderen zu machen und das Infodisplay zwischen den Instrumenten zu platzieren.
Abgesehen davon herrscht im Cockpit eine vorbildliche Ergonomie und eine angenehm tiefe Sitzposition. Die Sportsitze selber sind vielfach verstellbar und schmiegen sich schön um den Körper. Doch bereits vorne ist der Einser eher sportlich eng geschnitten, hinten ist dann nicht mehr sportlich eng, sondern unangenehm eng. Die Kopffreiheit ist zwar gut, doch die Beinfreiheit für einen Kompakten ziemlich beschränkt. Doch genau hier wird es Zeit, die Prioritäten ins Spiel zu bringen.
Der Einser verfolgt nämlich als einziger in seinem Segment eine völlig andere Antriebsphilosophie. Der Motor ist zugunsten der Gewichtsverteilung längs eingebaut, die Batterie sitzt unter dem Kofferraum, die Kraft wird nach hinten geschickt – auch wenn Xdrive drauf steht. Das kostet alles Platz, weshalb der Einser im Vergleich zur Konkurrenz bei der Raumausnutzung niemals punkten kann, das hat auch gar nichts mit dem M Performance Antrieb zu tun. Es ist das Grundkonzept des Autos.
Doch es ist mehr als nur ein Konzept, es ist der Kern der Marke: Freude am Fahren. Der Einser scheint im Zahlenwettrennen nicht mitspielen zu wollen, aktuell trägt AMG mit der A-Klasse die Krone, was die Leistung angeht. Doch auf der Strasse sind es nicht nur Zahlen, die zählen. Sondern das grosse Ganze. Klar, so ein Dreiliter-Sechszylinder ist vielleicht nicht das zeitgemässeste Aggregat, aber es ist einfach nur Geil und macht Spass.
Wie homogen und linear der M140i seine Kraft entfaltet, wie der Motor sonor, aber nicht pubertär seinen Klang in die Umwelt singt, das geht einfach nur, weil das Volumen stimmt. Mit seinem Drehmoment von 500 Nm sticht er alle in seinem Segment aus, gleichzeitig sorgt diese Kraft auch für eine gewisse Souveränität beim Fahren. Sein Handling lässt Fans von Sportwagen ihr Herz höher schlagen. Allrad ist eben nicht gleich Allrad und ob die Kraft von vorne nach hinten oder von hinten nach vorne geleitet wird, ist ein himmelweiter Unterschied.
Beim forschen Fahren im Sport+ Modus mit eingeschränktem ESP lässt das Auto sanfte Heckschwünge zu. Um das Auszugleichen sind jedoch weder ESP, noch Rennfahrer-Talente vonnöten. Es reicht, einfach auf dem Gas zu bleiben, die Lenkung zu öffnen und der Allradantrieb sorgt dafür, dass das Auto wieder gerade gezogen wird. Diese Form vom heckbetonten Fahren und die Präzision durch die optimale Gewichtsverteilung sind die Prioritäten, die BMW bei diesem Auto gesetzt hat. Und es sind verdammt nochmal genau die richtigen Prioritäten.
Dabei ist der Einser aber nicht von vorgestern. Adaptives LED-Licht, Abstandstempomat, Notbremsassistent mit Fussgängererkennung und ein automatischer Parkassistent sind auf Wunsch erhältlich. Einen Tot-Winkel-Warner bietet BMW leider nicht an und der Spurhalteassistent, der viel zu früh am Lenkrad rüttelt, nervt mehr als dass er nützt. BMW ist in Sachen autonomes Fahren zwar weit vorne dabei, doch im Einser wird einem dieses Gefühl nicht vermittelt. Doch auch hier finde ich es gut, dass man sich auf das Handling konzentriert hat, anstatt das Auto mit semi-autonomener Fahrtechnik vollzustopfen. Es ist schliesslich immer noch ein Kompakter und keine Business-Limousine.
Leider ist dieser Einser der letzte seiner Art. Die nächste Generation baut auf derselben Plattform auf wie Mini, das heisst: Klassisches Layout mit quer eingebautem Motor, wahrscheinlich keinem Sechszylinder mehr und Frontantrieb. Ob dieses Schicksal auch dem Zweier blüht, möchte BMW zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich persönlich finde es mehr als nur schade, dass BMW seinen Kern, der dieses Auto ausmacht, einfach über Bord wirft und auf Allerweltstechnik setzt. Klar bringt der Verzicht auf dieses platzfressende Antriebslayout auch Vorteile, aber sind das die Vorteile, die BMW Fahrer wollen? Sind es nicht eher die Vorteile, die der heutige Einser bietet, welche die BMW Kunden wollen? Ich weiss es nicht. So oder so ist dieser Einser mit seinem Antrieb wie ein Dinosaurier, der vom Aussterben bedroht ist. Ich kann aber allen Freunden des sportlichen Fahrens nur empfehlen, sich diesen Saurier zu schnappen, solange er noch unter uns weilt. Der Einser ist nämlich alles andere als ein veraltetes Fossil, sondern eines der lebendigsten und aktivsten Autos, die man in diesem Segment kaufen kann.
Alltag
Aufgrund des Antriebskonzepts ist das Raumangebot eher knapp, zudem ist der Wendekreis unangenehm gross. Die Rückfahrkamera ist ausserdem sehr unglücklich platziert und verdreckt extrem schnell. Kurz: Niemand interessiert sich wegen der praktischen Qualitäten für einen Einser.
Fahrdynamik
Mit seinem heckbetonten Allradantrieb, dem superdirekten Handling dank der ausgewogenen Gewichtsverteilung und dem drehfreudigen Sechszylinder ist der Einser der Inbegriff und der Massstab von Fahrdynamik in seinem Segment.
Umwelt
Der Sechszylinder folgt dem Motto «von nichts kommt nichts». Obwohl die Automatik die Drehzahlen beim Cruisen sehr niedrig hält, hat sich der Verbrauch im Test bei 10,1 l/100 km eingependelt – weit weg vom Normverbrauch von 7,4 l/100 km.
Ausstrahlung
Seit dem Facelift wirkt der Einser dank gerade gerückten Lichtern wieder attraktiv. Als M140i ist er sportlich dezent, jedoch nicht speziell aufregend gezeichnet.
Fazit
+ Dezent sportliches Design
+ Drehfreudiger Motor mit schönem Sound
+ Perfekte Gewichtsverteilung
+ Messerscharfes Handling
+ Heckbetonter Allradantrieb für viel Fahrspass
+ Perfektes Automatikgetriebe
+ Akzeptabler Fahrkomfort trotz straffem Setup
+ Tolles Infotainmentsystem mit vielfältigen Funktionen
+ Bequeme Sportsitze, perfekte Ergonomie
– Hoher Verbrauch
– Grosser Wendekreis
– Wenig Beinfreiheit im Fond
– Infodisplay unter den Instrumenten nicht optimal gelöst
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | BMW 1er M140i |
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Preis Basismodell / Testwagen | 48 700 CHF / 68 520 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 2998 ccm / R6 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 250 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 500 Nm bei 1520 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 4,4 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,4 l/100 km / 169 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,1 l/100 km / 231 g/km / +36% |
Länge / Breite / Höhe | 4,32 m / 1,77 m / 1,41 m |
Leergewicht | 1615 kg |
Kofferraumvolumen | 360 - 1200 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Hab mir einen geholt! Verbrauch ist dem 3 Liter Reihensechzylinder geschuldet nicht gerade wenig, aaaber hey, hab mir ja keinen Fiesta geholt!! Das ist ein Turnschuh für genau einen Zweck und der ist sicher nicht so effizient wie möglich von A nach B zu kommen.. Das ist purer Fahrspaß, purer!! Das Ding kickt mich jedes verdammte Mal. Ich bin leidenschaftlicher und emotional beinflussbarer Autofahrer und dieses Kraftpaket holt mich sowohl bei einer ruhigen Cruisefahrt als auch bie einer Tunnelblick erzeugenden Vollgasfahrt vollends ab. Der Spagat ist erfreulich gut gelungen und ich spreche schon zu ihm wenn er mal wieder 12 Liter reinkippt und ich trotzdem voller Freude die Tanke aufsuche. Eine reine Freude!11!!1 Wie gesagt, emotional 😉 Wow!