Er ist der Begründer des SUV-Coupé-Segments und geht nun bereits in die dritte Runde: Der BMW X6. Er polarisiert und das aus einem einfachen Grund: Er ist protzig, aggressiv, riesengross und dabei alles andere als praktisch – mit anderen Worten, total unnötig. Doch genau das ist andererseits auch der Reiz dieses Autos. Er sieht geil aus und drückt gleichzeitg aus, dass sich sein Fahrer wenig um pragmatische Dinge schert. Doch ist es wirklich nur das Design oder welche andere Reize versprüht der BMW X6 als M50i mit fettem V8-Biturbo?
Das Design ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Autos, wenn nicht sogar der einzige Grund, sich diesen coupéhaften Panzer auf Rädern anzuschaffen. Interessanterweise ist die Niere nicht auf Teufel komm raus überdimensional gestaltet worden, sondern passt sich dem extrovertierten Design an. Sie ist erstmals bei einem BMW optional beleuchtet, sogar während der Fahrt, sofern der Fahrer dies so einstellt. Show & Shine, Baby! Unabhängig davon, ob man jetzt auf SUV-Coupés steht oder nicht, hat BMW die Seiten- und Dachlinie gekonnt gezeichnet, sodass der X6 wie ein Gran Turismo auf Anabolika aussieht – im positiven Sinne natürlich.
Gediegenes Interieur
Nicht ganz so pornös ist es im Innenraum des Testwagens, wo schwarzes Leder und strukturiertes Aluminium dominieren. Die Komfortsitze mit Heizung und Lüftung sowie optionaler Massage sind optisch ebenfalls dezent. Doch individuelle Lederfarben oder Sportsitze geben dem extrovertierten Kunden auch im Innenraum die Möglichkeit, abseits des Mainstreams aufzutreten.
Die Qualität ist auf höchstem Niveau und auch vom Design her ist BMW weg vom Funktionalen, sondern schafft es, eine edle Umgebung mit Lounge-Atmosphäre zu schaffen. Besonders cool wirkt das Cockpit nachts mit der individuell einstellbaren Ambientebeleuchtung, die sogar die Lautsprecher und das Panoramadach passend in Szene setzt.
Ein Mysterium ist dafür die Raumökonomie des X6. Obwohl von aussen riesengross, bietet er innen weniger Platz als manches Kompakt-SUV mit cleverem Packaging. Sogar Fahrer und Beifahrer sitzen recht eingepfercht ohne grossen Freiraum und im Fond sind für Kopf und Knie nicht sonderlich viel Platz. Auch sperrige Gegenstände sind schwer im flachen Kofferraum unterzubringen, ausserdem ist die Ladekante unglaublich hoch. Klarer Fall: Hier wurde sämtlicher Platz dem Design geopfert.
Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen…
Wem dieser Zwischentitel nichts sagt, dem sei dieses Musikvideo von «Massive Töne» empfohlen, welches das Fahrgefühl des X6 recht reffend wiedergibt:
Zwar ist der Song überspitzt, aber nicht verkehrt: Wenn der X6 etwas beherrscht, dann cruisen und protzen. Und wenn sich jemand in den Weg stellt, dann nützt meistens auffahren und der Vordermann sucht freiwillig das Weite. Derweil lässt es sich bestens hinter dem Lenkrad aushalten, denn die über 6340 Franken teure Bowers & Wilkins Soundanlage bringt tatsächlich das Blech zum vibrieren. Fahrgeräusche schliesst der X6 effektiv aus, lediglich das sonore Grummeln des V8-Biturbos dringt in den Innenraum und sorgt für das passende Feeling. Eigentlich fehlt da nur noch das Bier im Cupholder, der das Getränk sogar kühlen kann, aber das ist nicht ganz im Sinne des Gesetzes…
Künstlich auf Sport getrimmt
Obwohl das komfortable Fahren die Kernkompetenz ist, hat BMW dem Coupé auf Stelzen versucht, sportliche Attitüden mit auf den Weg zu geben. Eine spitz reagierende Allradlenkung, straff eingestellte Dämpfer im Sportmodus und eine aktive Wankstabilisierung halten das Trumm auf Kurs. An Druck mangelt es dem 2443 Kilo schweren Vieh nicht, der V8 schiebt mächtig an, lediglich im oberen Drehzahlbereich wirkt der Motor zugeschnürt.
Angesichts der pompösen Ausmasse lässt sich der X6 recht zackig um Kurven scheuchen. Die im Test etwas ausgeprägte Untersteuer-Tendenz dürfte auf die Winterreifen und die milden Temperaturen zurückzuführen sein, ebenfalls das leichte Ziehen in der Lenkung bei Vollgas, was normalerweise sehr untypisch für BMW ist.
In der Praxis klappt das Kurvenräubern überraschend gut, allerdings haltet sich der Fahrspass auf engen Bergstrassen aufgrund der Breite von zwei Metern buchstäblich in engen Grenzen. Dass der X6 sehr neutral fährt, erkauft sich BMW mit einem etwas künstlichen Fahrgefühl. Es fehlt an Feedback, man ist zu sehr vom Fahrgeschehen abgekapselt, sodass es schwer ist, den Grenzbereich einzuschätzen.
Viel Geld für viel Prestige
Der BMW X6 ist klar ein Luxusprodukt. Man kauft ein riesiges Auto, dass je nach persönlichem Geschmack unglaublich gut ankommt und dieses besondere Etwas ausstrahlt. Allerdings kostet der Spass eine Menge Geld, der Testwagen ist mit saftigen 157’290 Franken angeschrieben. Dafür bekommt man aber «nur» das erhabene Gefühl sowie ein potentes Triebwerk, der praktische Nutzen ist extrem eingeschränkt. Ausserdem bedeutet hohe Motorleistung nicht gleich hohe Sportlichkeit, denn trotz oder vielleicht eben wegen der vielen Technik fehlt das einnehmende und natürliche Fahrfeeling. Aber manchmal geht Design eben wirklich über alles…
Alltag
Eigentlich braucht es hier nicht viel zu sagen. Die Raumökonomie ist miserabel, die Übersicht katastrophal, die Ladekante irrsinnig hoch und der Kofferraum viel zu unpraktisch. Ausserdem steht sich das Trumm bei beengten Verhältnissen trotz Allradlenkung zum Teil selber im Weg.
Fahrdynamik
Hier kann der X6 wieder punkten. Für seine gigantischen Ausmasse und sein Gewicht sind nicht nur der gewaltige Schub, sondern auch das Handling bemerkenswert. Obwohl hohe Kurvengeschwindigkeiten möglich sind, fehlt eine innige Verbindung zum Auto. Die verhältnismässig hohe Agilität wird durch ein künstliches Fahrverhalten erkauft.
Umwelt
Hier bedient der X6 sämtliche Vorurteile: Viel Gewicht fordert viel Leistung und das wiederum sorgt für einen überdurchschnittlich hohen Durst. 12,4 l/100 km Realverbrauch erfordern in der heutigen Zeit ein dickes Fell. Allerdings wurde trotz teils sportlichen Fahrten der Normverbrauch um 0,5 Liter unterboten – immerhin.
Ausstrahlung
Ihn liebt man oder ihn hasst man, aber Ausstrahlung hat der X6 für zwei Autos. Gut, hat BMW das Design nicht zu sehr in Richtung des asiatischen oder amerikanischen Geschmackes überstylt.
Fazit
+ Polarisierendes und aggressives Design als Statussymbol
+ Spitzenmässige Verarbeitungsqualität, top Ergonomie
+ Sehr bequeme, straff gepolsterte und vielfach verstellbare Sitze
+ Klasse Infotainmentsystem mit super Sprachsteuerung, top Display und einfache Bedienbarkeit
+ Fahrmodi stark personalisierbar
+ Hoher Fahrkomfort
+ Verhältnismässig hohe Agilität
+ Sehr starker Schub im mittleren Drehzahlbereich
+ Perfektes und unauffälliges Automatikgetriebe
+ Spitz reagierende Lenkung
+ Perfektes Matrix-LED-Licht
+ Zahlreiche ausgereifte Assistenzsysteme, ebenfalls stark personalisierbar
– Im Verhältnis zur Grösse extrem schlechtes Raumangebot
– Hoher Verbrauch
– Schlechte Übersicht
– Motor verliert bei hohen Drehzahlen spürbar an Druck
– Hoher Preis
– Bei sportlicher Fahrweise künstliches Handlinggefühl
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | BMW X6 M50i |
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Preis Basismodell / Testwagen | 122 100 CHF / 157 290 CHF |
Antrieb | Benzin / Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 4395 ccm / V8 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Biturbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 390 kW bei 5500 - 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 750 Nm bei 1800 - 4600 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,3 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 12,9 l/100 km / 293 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 12,4 l/100 km / 282 g/km / -4% |
Länge / Breite / Höhe | 4,94 m / 2,00 m / 1,70 m |
Leergewicht | 2443 kg |
Kofferraumvolumen | 580 - 1530 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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