Der Leon ST hat als richtiger Cupra, also als reiner Verbrenner, riesiges Potenzial. Doch wer in den Genuss davon kommen will, muss etwas Eigeninitiative an den Tag legen, denn es wirkt beinahe so, als wollte man andere Modelle besser verkaufen. Dabei hat der Leon gerade als Kombi bombastische Qualitäten zu einem fairen Preis. Er ist meiner Meinung nach keine Alternative zu den SUVs Ateca und Formentor, sondern schlicht das bessere Auto. Doch es gibt zum einen die Ausnahme, welche die Regel bestätigt sowie eine andere Tatsache, die das Potenzial dieses Power-Kombis hemmt.
So wie der Testwagen da steht, könnte er glatt einem Werbeprospekt entsprungen sein. Er verkörpert all das, was Cupra sein will: Frech, dynamisch, schick und modern. Mit der Matt-Lackierung, den kupferfarbenen Akzenten sowie der vierflutigen Abgasanlage auch etwas verrucht. Erfreulich finde ich, dass der Wagen nicht zu aggressiv wirkt, unter dem Label Seat wirkt der Leon nur geringfügig unschuldiger.
Pluspunkt Kombi
Im Innenraum spielt der Leon seine Vorteile voll aus. Vorne sitzen die Fahrer und Beifahrer auf tief montierten Sportsitzen mit starkem Seitenhalt. Das Interieur wirkt luftig, zahlreiche Ablagemöglichkeiten sind gegeben. Im Fond geniesst man gute Bein- und Kopffreiheit, selbst mit Panoramadach, auch hier zahlt sich der Vorteil der tieferen Sitzposition aus.
Besonders punkten kann der Leon schliesslich mit dem kubischen und sehr tiefen Kofferraum. Seine technisch verwandten SUV-Brüder können mit dieser Ladekapazität nicht mithalten. Zu guter Letzt ist sogar noch eine Anhängerkupplung mit an Bord, womit der Cupra Leon bis zu 1700 Kilo an den Haken nehmen darf.
Digitalisierung verkorkst
Leider hat der Cupra Leon wie viele andere aktuelle Modelle des Volkswagen-Konzerns mit Defiziten im Bereich des Infotainments zu kämpfen. Selbst während des kurzen Testzeitraums gab es eklatante Aufhänger des Systems oder kurzfristige Ausfälle von Radio oder Rückfahrkamera. Völlig willkürrlich und nicht nachvollziehbar, aber absolut nicht tolerierbar. Ein Update ist immer noch ausstehend.
Doch selbst im stabilen Zustand wäre das System nicht befriedigend. Es muss zwangsläufig beinahe alles über den Touchscreen gesteuert werden, was während der Fahrt sehr mühsam ist, zumal das System gerne mal träge hinterherhinkt. Klima-Bedienung, Sitzheizung, Start-Stopp-System, Einparkhilfe, Lautstärkeregler – für all das und noch mehr vermisse ich im Cupra Leon schmerzlich physische Knöpfe.
Wandelbarer Kombi
Wie so typisch für die Cupra-Modelle sind sie fahrerisch echte Wölfe im Schafspelz. Im Comfort-Modus ist von der Cupra-Schärfe so gut wie gar nichts zu spüren: Motorsound ist praktisch keiner vorhanden, das Fahrwerk ist richtig komfortabel und das Doppelkupplungsgetriebe schaltet möglichst schnell hoch. Einzig die sehr direkte Lenkung verrät, dass hier mehr im Busch stecken könnte.
Einerseits hat das zur Folge, dass man im Cupra völlig unauffällig und tief entspannt im Alltag durch die Gegend cruisen kann. Im Gegensatz zu anderen Sportgeräten, die den Fahrer fast schon piesacken, es doch endlich mal gröber anzugehen, ist der schnelle Spanier sehr zurückhaltend. Einige mögen dies, andere finden es zu langweilig – letztendlich ist es eine Frage der persönlichen Präferenzen.
Via Lenkradtaste ist es möglich, die Fahrmodi zu wechseln oder durch langen Druck in den Cupra-Modus zu wechseln. In den sportlichen Fahrmodi lässt sich dem Cupra Leon tatsächlich der eine oder andere Auspuffknaller entlocken, doch der einmal mehr unsägliche Sound Symposer macht insbesondere den Cupra-Modus aufgrund des nicht aushaltbaren Lärms unbrauchbar. Es muss der Individual-Modus herhalten, in welchem der Sound Symposer weitgehend (aber immer noch nicht komplett!) deaktiviert und die Antriebseinheit dennoch auf Angriff gestellt werden kann.
Schnell, aber nicht heissblütig
Einen wilden Ritt gibt es auch in den sportlichen Einstellungen nicht. Der Cupra Leon ist zwar deutlich wacher, reagiert agil und schaltet blitzschnell. Wird der Motor gefordert, schiebt er massiv an, vor allem im oberen Drehzahlbereich blüht der Zweiliter-Turbo richtig auf, die Kraft gelangt dank Allradantrieb perfekt auf die Strasse. Übrigens ist der Cupra Leon nur als Kombi mit Allrad erhältlich.
Nichtsdestotrotz fehlt dem Cupra Leon das wilde, emotionale, das sein Design und seine Marke verspricht. Er ist eher ein eiskalter Vollstrecker, der nicht nur längsdynamisch gewaltig auf den Putz haut, sondern auch in Kurven gut abliefert. Das Ganze geschieht aber unaufgeregt, fast schon effizient. Es ist ein Leichtes, schnell mit dem Leon unterwegs zu sein. Doch dass das Ganze so unspektakulär vonstatten geht, liegt auch am Allradsystem, welches weiterhin nur stumpf bis zu 50 % der Antriebskraft nach hinten leitet. Das vielversprechende Torque Vectoring System an der Hinterachse, welches die Dynamik von VW Golf R und Audi RS 3 auf ein neues Niveau hebt und die Hinterachse deutlich lebendiger macht, bleibt dem Cupra verwehrt.
Es lebe der Kombi
Wer den dynamischeren Allradantrieb in einem Cupra will, muss zum limitierten Formentor VZ5 greifen. Er ist auch die eingangs erwähnte Ausnahme, wonach ein Cupra-SUV dem Leon überlegen ist. Die ordinären SUVs Ateca und Formentor können mit dem Leon auf einer wirklich rasanten Kurvenhatz nicht mithalten. Es ist sehr deutlich zu spüren, wie sich der flache Leon stabiler verhält.
Aber nicht nur die sportlichen Qualitäten überzeugen. Auch beim Raumangebot können sie SUVs mit dem Kombi nicht mithalten. Zu guter Letzt kann der Leon mit dem tiefsten Basispreis punkten. Kurz: Er ist schlicht das bessere Auto/Angebot, doch die SUVs werden deutlich besser vermarket. Und auch innerhalb des Leon Antriebsportfolios scheint der Testwagen keine tragende Rolle zu spielen, denn beworben wird lediglich die Plug-in-Hybrid-Variante.
So muss der Freund des sportlichen Fahrens den Cupra Leon mit reinem Benzinantrieb fast schon selber entdecken. Vom PHEV-Antrieb darf man sich nicht täuschen lassen: Wenn weniger Leistung auf mehr Gewicht trifft, kann man sich die fahrdynamische Konsequenz selber zusammenreimen, das ist dann nur noch Lifestyle und nicht mehr Fahrspass.
Davon hat aber der schnelle Leon einiges zu bieten, obwohl er vom Charakter her kein Heisssporn ist. Dafür bietet er exzellente Alltagstauglichkeit und ein breit aufgestelltes Technologie-Arsenal, wobei lediglich das Matrix-Licht fehlt. Der voll ausgestattete Testwagen ist mit 65’000 Franken zwar kein Schnäppchen, aber für einen geräumigen Sportkombi ist der Cupra Leon fair eingepreist.
Alltag
Mit einem grosszügigen Fond, riesigem Kofferraum, Dachreeling und Anhängerkupplung bietet der Cupra Leon alles, was das Herz begehrt. Zu guter Letzt ist die Karosserie recht übersichtlich.
Fahrdynamik
Dank des Allradantriebs setzt der Leon den Punch ansatzlos und rabiat um. Der Schub ist kräftig, das Handling wenig spektakulär, aber extrem effektiv und präzise. Hoher Grip und ein absolut neutrales Handling zeichnen den Cupra aus. Schade: Das Torque Vectoring System an der Hinterachse bleibt ihm verwehrt.
Umwelt
VWs Zweiliter-Kraftpaket war noch nie für besonders tiefe Verbrauchswerte bekannt. Wer gemächlich fährt, muss zwischen 8 und 9 Liter rechnen. Bei sportlicher Fahrweise werden es schnell über 12 Liter. Im Schnitt waren es im Test 10,5 l/100 km.
Ausstrahlung
Der Cupra Leon ST ist ein bildschöner Kombi mit einer dezent-sportlichen Linienführung. Die Matt-Lackierung und die kupferfarbenen Akzente verleihen ihm das gewisse Etwas.
Fazit
+ Sportliches und schickes Design
+ Sehr hochwertige Verarbeitung
+ Bequeme und haltstarke Sportsitze, tiefe Sitzposition
+ Zahlreiche Online-Services und gute Sprachsteuerung
+ Grosszügige Platzverhältnisse, riesiger Kofferraum
+ Adaptiv-Fahrwerk mit stufenloser Spreizung
+ Druckvoller und drehfreudiger Motor
+ Spontanes und blitzschnelles Getriebe, im Alltag unauffällig
+ Üppige Ausstattung
+ Grosses Assistenzpaket
+ Fairer Preis
– Dezenter Motorsound
– Sehr schlechter Sound Symposer, der an die Fahrmodi gekoppelt ist
– Kein Torque Vectoring an der Hinterachse
– Umständiche Bedienung, Infotainmentsystem nicht vor Fehlern gefeit
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Cupra Leon ST |
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Preis Basismodell / Testwagen | 51 900 CHF / 65 000 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1984 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Max. Leistung | 228 kW bei 5450 - 6500 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 2000 - 5450 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 4,9 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 8,8 l/100 km / 199 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,5 l/100 km / 237 g/km / +19% |
Länge / Breite / Höhe | 4,66 m / 1,80 m / 1,44 m |
Leergewicht | 1719 kg |
Kofferraumvolumen | 620 - 1600 l |
Toller Wagen. Den würde ich gern mal waschen 🙂