Mit der DS 9 Limousine möchte Frankreich das etablierte Premium-Segment angreifen. Doch angesichts der ausschliesslichen Fertigung in China (da dort der grösse Absatz erwartet wird) darf man die Frage stellen, wie ernst es DS mit der Etablierung in Europa wirklich meint. Die Zulassungszahlen sind nach wie vor sehr tief und die DS 9 Limousine wäre prädestiniert um zu zeigen, was man will und kann. Komfort und Handwerkskunst sind auf ganz hohem Niveau, während die Assistenztechnik sowie der Antrieb leider zu wünschen übrig lassen.
Wie luxuriös der DS 9 ist, lässt sich von aussen kaum feststellen, da setzen die Franzosen auf bescheidenes Understatement. Lediglich die langen Fondtüren oder der grosszügige Radstand verraten, dass es sich hier nicht um eine ordinäre Limousine, sondern um ein Auto von Format handelt, welches nichts geringeres als der Dienstwagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist. Das elegante und zurückhaltende Design passt bestens zur oberklassigen Limousine. Nichtsdestotrotz gibt es schöne und feine Details zu bewundern, wie etwa die kristallenen Scheinwerfer, die Zierleiste auf der Motorhaube, die bündigen Türgriffe oder die Positionsleuchten oberhalb der Heckscheibe, welche eine Reminiszenz an die originale DS von anno dazumal sind.
Raffinierte Handwerkskunst
Das Interieur ist eines der am liebevollsten gestalteten im gesamten Segment. Das Auge kann sich an den Details gar nicht satt sehen, als da wären: Die analoge Uhr, welche sich nach dem Druck auf den Startknopf aus der Versenkung erhebt. Die mittig platzierten Schalter, deren filigranes Design wie kleine Kunstwerke aussehen. Die handgenähte Perlennaht, die sich quer von Tür zu Tür zieht. Und, last but not least, das Leder mit Patina-Effekt.
Das sind alles Designelemente, die man so in einem Auto nicht erwartet. Was man dafür erwartet: Astreine Qualität. Und hier übertrifft der DS 9 sogar die Erwartungen. Das gesamte Interieur ist in hochwertigstes Leder und Alcantara gehüllt. Die Verarbeitungsqualität hält selbst kritischsten Blicken stand. Mit dem DS 9 betritt DS für französische Autos ein ungewöhnlich hohes Preissegment, doch rein qualitativ würde der DS 9 sogar einem deutlich teureren Preis gerecht werden.
Jeder Platz ist 1. Klasse
Im DS 9 gibt es keine zweite Klasse. Fahrer und Beifahrer nehmen auf herrlich gepolsterten Sitzen Platz, welche mit einer Vielzahl von Massageprogrammen sowie Heizung und Lüftung aufwarten. Die Sitzposition ist angenehm tief, die Ergonomie vorbildlich und der Seitenhalt ausreichend. In der zweiten Reihe reist es sich ebenfalls fürstlich. Die Beinfreiheit ist gigantisch, die Kofpfreiheit trotz schöner Dachlinie mehr als ausreichend. Die Rückbank bietet eine beispiellose Polsterung und üppige Beinauflage und auch die hinteren Passagiere kommen in den Genuss von Massage, Heizung und Lüftung. Der Kofferraum taugt halt nicht für sperriges Transportgut, aber fürs Reisegepäck von vier reicht es allemal.
Hohe Leistung, noch höherer Komfort
Der Testwagen ist mit der Topmotorisierung ausgestattet, welche identisch ist mit dem Hybridantrieb des Peugeot 508 PSE. Der Approach ist freilich ein gänzlich anderer. Der DS 9 ist ein Gleiter mit Leistungsreserven. Seine Stärken liegen im Komfort, obwohl die getestete, starke Hybridversion zwei Zentimeter tiefer liegt als die anderen Varianten und als einzige mit 20-Zoll-Felgen ausgestattet ist.
Das ändert jedoch nichts am geradezu fluffigen Abrollen des Autos. Das Active Suspension System scannt mit Hilfe einer Kamera die Fahrbahn, damit das Fahrwerk nicht nur reagieren, sondern vorsorgen kann. Das Ergebnis ist ein Fahrkomfort, der in der höchsten Liga spielt und nur von einem sehr aufwendigen Luftfahrwerk getoppt werden könnte. Die schallisolierende Verglasung rundum trägt ihren Rest dazu bei, dass man im DS 9 so unvergleichlich entspannt reist.
Sport? Wenn es denn sein muss
Obwohl die Leistung es suggerieren könnte, so will auch der stärkste DS 9 nicht als Sport-Limousine verstanden werden. Es gibt zwar einen entsprechenden Modus und die Kraft ist beeindruckend, aber das Auto scheint die Leistung nur widerwillig freizugeben, von einem bissigen Performance-Setup, wie es der Peugeot 508 PSE fährt, ist man hier weit entfernt.
Das Fahrwerk ermöglicht zwar eine erstaunliche Stabilität im Sport-Modus, die Spreizung im Vergleich zum Comfort-Modus ist riesig und beeindruckend. Richtig angetan war ich sogar von der Bremse, die den Fahrer die Rekuperation überhaupt nicht spüren lässt und stattdessen permanent einen klaren und harten Druckpunkt liefert. Da könnten sich viele andere Hersteller ein Beispiel nehmen. Jedoch haben es die DS-Ingenieure offensichtlich versäumt, auch der Lenkung zumindest etwas Sportlichkeit einzuhauchen. Die sehr leichtgängige und um die Mittellage befremdlich indirekte Lenkung ist zwar angenehm weich im Comfort-Modus. Wenn man aber etwas zügiger fahren möchte, wären etwas mehr Feedback und Präzision als bei einem Boot wünschenswert.
Sensible Technik
Die Assistenzsysteme sowie die Technik insgesamt konnten im DS 9 leider nicht überall überzeugen. Der Radar für den Abstands- oder Autobahn-Assistenten erwies sich im Test als anfällig bei schlechter Witterung. Matrix-Licht gibt es trotz überdeutlichem Premium-Anspruch gar nicht. Und die Qualität des Kamerasystems enstpricht etwa einer 15-jährigen Handykamera ohne Autofokus. Noch nerviger sind das Fahreraufmerksamkeits-Überwachungssystem sowie der Nachtsichtassistent. Beide Systeme piepsen so oft und grundlos, dass man sie bereits nach kurzer Zeit entnervt permanent deaktiviert. Da könnte man von der Liebe zum Detail von DS meiner Meinung nach deutlich mehr erwarten.
Ambitionierter Preis
Mit einem Testwagen-Preis von 99’000 Franken zielt der DS9 auf eine anspruchsvolle Kundschaft. Was den Innenraum angeht, so werden die Ansprüche rundum erfüllt. Auch puncto Fahrkomfort fährt der DS 9 ganz vorne mit. Doch technisch hapert es. Der auf dem Papier starke Hybridantrieb wirkt in der Praxis eher zugeschnürt. Der Stromverbrauch ist hoch, die Batterie bereits nach rund 30 Kilometern leer. Die gefühllose Lenkung ist nur etwas für Rentner, etwas mehr Präzision und Feedback dürfte es schon sein. Auch die Assistenzsysteme könnten etwas mehr Feinschliff vertragen und weniger sensibel reagieren. Unter dem Strich ist der DS 9 eine sehr schöne Limousine mit viel Liebe zum Detail – aber leider nicht überall.
Alltag
Der DS 9 bietet vorzügliche Platzverhältnisse für alle Passagiere. Der Akustik- und Fahrkomfort ist top, die Handlichkeit angesichts der Grösse ebenfalls. Allerdings ist der Kofferraum nicht für sperrige Gegenstände geeignet.
Fahrdynamik
Im Sport-Modus spürt man die Leistung des Wagens, allerdings schaltet das Getriebe oft hin und her und bietet keinen manuellen Modus. Das Fahrwerk ist im Sport-Modus tatsächlich sportlich, die Bremse ist sogar sehr gut. Die gefühllose und indirekte Lenkung lässt jedoch schnell alle sportlichen Ambitionen versanden.
Umwelt
Besonders ausdauernd ist der DS 9 im Elektromodus nicht. Der Testverbrauch von 7,0 l/100 km geht angesichts der Leistung in Ordnung.
Ausstrahlung
Der DS 9 gefällt mit dezenter Linienführung und vielen schönen Details anstatt eines zu pompösen Auftritts.
Fazit
+ Elegantes, eigenständiges Design
+ Extrem wertige Materialen, spitzenmässige Verarbeitungsqualität
+ Viel Liebe zum Detail
+ Fürstliche Platzverhältnisse
+ Erstklassige Sitze rundum, Massagefunktion auf allen Plätzen
+ Verschiedene Fahrmodi mit deutlicher Spreizung
+ Elektrischer Allradantrieb
+ Exzellenter Fahrkomfort, sehr niedriger Geräuschpegel
+ Kräftige Bremse mit gutem Druckpunkt
+ Kleiner Wendekreis
+ Kurze Ladezeit
+ Fürs Premium-Segment fairer Preis
– Gefühllose Lenkung
– Geringe Reichweite im Elektro-Modus
– Zu sensible Assistenzsysteme
– Verhältnismässig kleiner Kofferraum
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | DS 9 E-Tense |
---|---|
Preis Basismodel / Motorisierung / Testwagen | 74 200 CHF / 85 700 CHF / 99 000 CHF |
Antrieb | Benzin Plug-in-Hybrid / Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1598 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor + 2 Elektromotoren |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Systemleistung | 265 kW |
Max. Systemdrehmoment | 520 Nm |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,6 s |
Elektrische Reichweite nach WLTP | 48 km |
Batteriekapazität | 15,6 kWh |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 1,9 l/100 km / 49 g/km / A |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,0* l/100 km / 181 g/km / +311% |
Länge / Breite / Höhe | 4,93 m / 1,93 m / 1,45 m |
Leergewicht | 2048 kg |
Kofferraumvolumen | 473 l |
*Hoher Testverbrauch: Aufgrund mangelnder privater Lademöglichkeit werden Plug-in-Hybride während des Testzeitraums unregelmässig geladen. Dies resultiert in überdurchschnittlich hohen Verbräuchen.