Töten Elektroautos den Fahrspass?

Das ist ein sehr subjektiver und persönlicher Text. Noch vor wenigen Jahren dachte ich, dass sich ein Zusammenspiel von puren Verbrennerautos und Elektroautos einpendeln wird. Mittlerweile ist mein Optimismus verschwunden. Die Politik pocht auf die Elektromobilität, die Hersteller müssen aufgrund drohender Bussen in Millionenhöhe folgen und der Verbraucher muss halt kaufen, was die EU für richtig befindet. Ist das noch ein freier Markt? Kaum. Aber mir geht es gar nicht um Elektroautos an und für sich oder wie schlau ein 700 Kilo schweres Akkupack nun wirklich ist. Mir geht es um die Fahrfreude, also jene Freude, die sich einstellt, wenn man einfach mal ziellos herumfährt und sich an dem erfreut, was einem das Auto bietet und spüren lässt. Fans und Enthusiasten wissen, was ich damit meine. Diese Freude sehe ich mit der Elektromobilität zunehmend bedroht. Wer mir bis dahin folgen kann, ist herzlich eingeladen, weiterzulesen und seine eigene Meinung kundzutun. Die anderen dürfen sich ihre Zeit an der Ladesäule gerne mit dem Lesen eines anderen Artikels weiter vertreiben.

Ich gebe offen zu, ich habe ein schwieriges Verhältnis zu Elektroautos. Es gibt zwar viele sehr gute E-Autos, aber es gibt kaum gute, sportliche Elektroautos. Und das ist mein Hauptproblem. Sportlichkeit definiert sich nämlich nicht durch geisteskranke Beschleunigung. Logisch finde ich diese Beschleunigungsorgien von drehmomentstarken Elektroautos lustig, ich feiere das Ansprechverhalten des Elektromotors und finde es spannend, was sich für neue Antriebslayouts mit mehreren Motoren realisieren lassen. Aber nochmals: Beschleunigung ist nicht alles, sie ist sogar nur ein Bruchteil dessen, was vollkommende Fahrfreude ausmacht. Und jetzt wird mein Problem in seine Bestandteile zerlegt.

Charakter

Der Verbrennungsmotor ist die facettenreichste Maschine, die ich kenne. Es gibt auf gut Mundart Konstruktionstechniken «bis an Bach abe» und das macht den Verbrennungsmotor einzigartig. Er hat Charakter. Jeder Motor hat einen anderen Klang, ein unterschiedliches Ansprechverhalten, eine eigene Leistungs- und Drehmomentkurve. Manche Motoren sind scharf wie Skalpelle, andere so brutal wie Abrissbirnen. Dazu kommt, dass jeder Motor auch noch anders an das gekoppelte Getriebe reagiert, was nochmals eine ganz andere Welt ist. Von der Handschaltung ganz zu schweigen. Es gibt kein besseres Gefühl, wenn man die Power des Motors am rechten Handgelenk förmlich spürt und wortwörtlich in der Hand hat.

Beim Elektromotor fehlt es komplett an Charakter. Es gibt zwar sehr wohl viele unterschiedliche Bauarten von Elektromotoren, aber am Ende spürt man davon als Fahrer herzlich wenig. Zudem ist nicht der Motor, sondern die Batterie der limitierende Faktor. Aber auch hier: Egal, um was für einen Elektromotor oder was für eine Zellchemie es sich handelt: Fürs Fahrfeeling ist das alles weitestgehend irrelevant. Beinahe alle Elektromotoren fühlen sich gleich an und kein künstlicher Sound der Welt kann den glorreichen Verbrennerklang auch nur ansatzweise ersetzen. Es geht einfach nicht; Punkt, Ende und aus.

Gewicht

Lotus-Gründer Colin Chapman brachte es auf den Punkt: «Mehr Power macht dich geradeaus schneller, weniger Gewicht macht dich überall schneller.» Wenn er den Lotus Eletre sehen würde; der Mann würde sich im Grabe umdrehen. SUVs sind aus fahrdynamischer Sicht ein konstruktiver Blödsinn und Elektro-SUVs treiben diesen Blödsinn auf die Spitze – und das ganz «smart» unter dem Deckmantel des Klimaschutzes. Ein 2800 Kilo schwerer Elektrobrocken kriegt automatisch die beste Effizienzkategorie zugeteilt, einfach, weil er keine Abgase emittiert. Aber dass er anderswo völlig unnötige Ressourcen verbraucht, wird schlicht ignoriert.

Jetzt will die Autoindustrie natürlich auch Leute abholen, die gerne schnelle und sportliche Autos fahren. Bislang aber nur mit mässigem Erfolg. Aktuelle sportliche Autos sind alles teure, grosse, schwere Autos, die zwar den tiefen Schwerpunkt nutzen, aber ihr viel zu hohes Gewicht mit extrem aufwendigem Fahrwerk zu kaschieren versuchen. Das geht bis zu einem gewissen Grad, aber am Ende sind 2,5 Tonnen einfach nicht auszuradieren. Dieses Gefühl der Leichtigkeit, diese unmittelbare Reaktion auf Inputs und der adrenalingeladene Ritt auf der Rasierklinge im Grenzbereich, das geht einfach nur in einem leichten Auto. Und ein leichtes, sportliches Elektroauto gibt es noch nicht und wird es wohl auch in naher Zukunft nicht geben.

Verbrauch

«Turbo läuft, Turbo säuft», sagt der Volksmund und er hat recht. Wird ein potenter Benziner hart über den Berg geprügelt, resultieren schnell Verbräuche zwischen 15 und 20 l/100 km. Aber das weiss man, dann wird halt vor oder nach der Fahrt getankt und weiter geht’s. Bei Elektroautos ist die Situation ungleich komplizierter. Elektroautos reagieren noch sensibler als Verbrenner auf einen schweren Gasfuss, den man halt unweigerlich hat, wenn man sportlich fährt. Da kann der Stromverbrauch schnell mal auf 40 oder sogar 50 kWh/100 km ansteigen. Wenn man nun von einer durchschnittlichen Akkukapazität von rund 80 kWh netto ausgeht, kann man selber ausrechnen, wie weit der Strom unter sportlichen Bedingungen reicht.

Rekuperieren geht nämlich nicht, wenn man hart am Limit am Berg unterwegs ist. Wird spät und hart gebremst, greift nämlich immer die mechanische Bremse, die Rekuperation wird komplett übersprungen. Und Schnell-Ladestationen stehen vorwiegend in Agglomerationen oder entlang von Autobahnen und nicht in Hinterwaldistan, wo die lustigen Strassen verlaufen. Pässetour in einem Elektroauto? Schwierig und wenn man es doch durchzieht, altert der Akku aufgrund der Strapazen der dauernd geforderten Spitzenleistung sowie dem wiederholten Schnellladen an einem Tag wahrscheinlich um ein Jahr.

Sitzposition & Ergonomie

Der Akku ist das mit Abstand schwerste Bauteil eines Elektroautos, also wird er so tief wie möglich eingebaut: Im Boden. Der ganze Rest, inklusive Fahrer? Kommt obendrauf. Viele Elektroautos, auch Limousinen und Kompaktwagen, haben deswegen einen höheren Aufbau und demzufolge eine höhere Sitzposition. In ganz schlimmen Fällen ist der Boden sogar so hoch, dass man richtig unbequem angewinkelte Beine hat und mit dem Sitz unnötig weit nach hinten muss.

Will ich sportlich unterwegs sein, will ich aber so tief und so nah an der Strasse wie möglich sein. Mangelnde Ergonomie war lange Zeit bei kaum einem Hersteller ein Problem, doch dann kamen die Elektroautos und mit ihnen die unsportlichen oder sogar nicht zufriedenstellenden Sitzpositionen. Der einzige Hersteller, der das verstanden hat, ist Porsche. Das Chassis des Taycan (und des Bruders Audi e-tron GT) ist so gebaut, dass sich die Batterie T-förmig unter der Rückbank und im Mitteltunnel befindet. Das macht das Auto zwar innen eng, aber dafür sitzt man gefühlt direkt über dem Asphalt und in einem Sportwagen ist das die einzig richtige Sitposition. Akku im Unterboden, wie es alle anderen Gross-Serienhersteller machen, ist aus sportlicher Sicht nicht befriedigend.

Digitalisierung

Viele Hersteller verfallen dem Irrglauben, ein Elektroauto – auch ein sportliches – müsse über möglichst viele Einstellungsmöglichkeiten verfügen, das ist schliesslich modern. Zugegeben, das betrifft auch viele moderne Verbrenner-Autos, aber im Elektroauto verkommt das Autofahren immer mehr zur fahrenden PlayStation. Gaspedal voll durch, es geht vorwärts. Bremse drücken, man wird langsamer, Lenkung bewegen, es geht nach links oder rechts. Das fühlt sich je länger je digitaler an, man spürt die zugrunde liegende Mechanik immer weniger. Aber Autofahren ist kein Spiel, es ist Mechanik, die sich realer Physik bedient und keiner Spiel-Engine.

Ich will ein Gefühl dafür haben, wie viel Leistung ich gerade abrufe; so, wie es mir ein Verbrenner mit dem Drehzahlbereich gibt. Ich will eine Bremse mit klarem Druckpunkt, die linear immer höhere Kräfte aufbaut und keinen Rekuperations-Matsch. Ich will spüren, wie in der Kurve die Kraft auf die Achse(n) wirkt; ich will spüren, wie viel mehr noch geht oder eben nicht geht. Bei vielen Elektroautos ist das Feedback der Autos mangelhaft. Es ist schwierig bis unmöglich, einzuschätzen, wie viel Kraft bei Allradautos an der Hinterachse wirkt. Es ist schwierig einzuschätzen, wie viel mehr Kurventempo es noch verträgt. Bei (teilweise) deaktiviertem ESP gibt es dann manchmal eine böse Überraschung, weil das Auto sich nicht so verhält, wie man es vermutet hat. Wie erwähnt: Wenig Gefühl für die Kraftverteilung oder das Drehmoment. Klar, ich bin kein Rennfahrer, aber ich bin gut. Und wenn ein Auto im Grenzbereich heimtückisch reagiert, dann ist das für alle, die Freude am Fahren suchen, gefährlich.

Es ist noch ein langer Weg zu gehen

Nochmal: Diese Absätze richten sich nicht gegen Elektroautos, die keine grossen sportlichen Ambitionen hegen. Diesbezüglich ist alles in Ordnung und im urbanen Umfeld fährt sich ein Elektroauto auch super, ein Sportwagen hat beim ziellosen Cruisen durch die Stadt hingegen nichts verloren. Aber Sportwagen gehören auf die Landstrassen, auf Bergstrassen und Pässe, wo sie puncto Fahrspass jedem Stromer mit Abstand davonziehen, selbst wenn sie gar nicht mal so schnell sind. Ich bin da draussen garantiert nicht der einzige Petrolhead und die Luft für einigermassen bezahlbare feuchte Benzinerträume wird langsam, aber sicher dünn.

Mein grosses Anliegen ist, dass die langsam aussterben Benzinerautos, die für hohen Fahrspass stehen, nicht durch ein adäquates Elektroauto ersetzt werden – und wenn doch, dann nur halbherzig und mit zahlreichen in diesem Artikel erwähnten Unzulänglichkeiten. Ein potenter Elektro Hot Hatch? Gibt es bis heute nicht. Ein kleiner, leichter Elektrosportwagen? Gibt es bis dato ebenfalls nicht. Und so, wie es aussieht, ist derzeit auch nichts dergleichen in Planung. Zwar kommen die ersten elektrischen Hypercars, die eine unglaubliche Faszination auslösen und aufzeigen, dass der Elektroantrieb für Leistungen und Antriebslayouts sorgen kann, die mit einem Verbrenner schlicht nicht machbar sind. Aber für den durchschnittlichen Autofan nützen diese Hypercars auch nichts, zumal die Automessen, an denen man sie bestaunen könnte, auch zunehmend rarer werden.

Wer also Freude am Fahren verspürt und diese Freude auch in Zukunft noch ausüben möchte, ist gut damit beraten, sich eher früher als später noch einen Benziner zu kaufen. Fahrfreude und Elektroautos sind zwei paar Schuhe, die sich nach heutigem Stand einfach noch nicht miteinander verbinden lassen. Und es ist aktuell leider unklar, ob dies überhaupt jemals möglich sein wird.

Was ist deine Meinung zu diesem Thema? Lass es mich in den Kommentaren wissen!

5 thoughts on “Töten Elektroautos den Fahrspass?”

  1. Sehr gut verfasster Artikel, der die Situation (und auch meine persönliche Meinung) auf den Punkt trifft! 👍

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  2. Als früherer Lambofahrer und heutiger Jaguar I-Pace – Fahrer muss ich Dir völlig recht geben.

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  3. Hammer Artikel !
    Unsere Politiker sind so unsagbar blöd, dass sie glauben es gäbe eine CO2 Schranke um die EU ! Den Dreck schön in Afrika oder sonst wo auf der Kugel. Hauptsache wir sind ein bisschen sauber !

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  4. Toyota bringt nächstes Jahr das erste E-Auto mit simuliertem 6-Ganggetriebe, Schaltkulisse inclusive Kupplungspedal. Die Elektronik imitiert die Leistungscharateristik des Verbrennermotors perfekt ( Leistungsabgabe, Drehmomentverlauf und Bremswirkung ). Man kann gespannt sein, ob das tatsächlich funktionert. Natürlich wird das Ganze akustisch mittels Soundgenerator untermalt.

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