Es ist kein Geheimnis, dass der Fiat 124 Spider, der einen grossen Namen bei Fiat wieder belebt, eigentlich technischer Bruder des Mazda MX-5 ist. Umso erfreulicher ist es zu sehen, dass die Italiener ihrem Roadster nicht nur optisch eine grosse Eigenständigkeit verleihen, sondern der Fiat und der Mazda ihren Fahrer allgemein ganz unterschiedlich ins Geschehen einbetten. Oder um es weniger abstrakt auszudrücken: Während der japanische MX-5 völlig bestrebt und pflichtbewusst auch harte sportliche Einsätze mit grosser Motivation angeht, verfügt der Fiat eher über eine italienische Lässigkeit.
Schon optisch verspricht der Fiat etwas anderes. Während der sehnige und athletische Mazda schon im Stand loszurennen scheint, macht der 124 Spider mit seinen Kulleraugen, der rundlicheren Formen und dem freundlichen Gesicht eher einen auf guten Kumpel. Das Verdeck lässt sich lässig mit einer Hand öffnen, auch während der Fahrt bei etwas höherem Tempo. Sowohl offen, als auch geschlossen gefällt die geschwungene Linienführung.
Beim entern des engen Cockpits geht die Eigenständigkeit leider flöten und nur noch die schicke, braune Lederausstattung sowie das Fiat-Logo auf dem Lenkrad erinnern an den italienischen Stil. Der ganze Innenraum ist komplett identisch mit dem Mazda, hier wurden offenbar Kosten gescheut, auch dem Interieur eine persönliche Note zu geben.
Abgesehen von der stilistischen Frage hat das aber wenig Nachteile. Die Sitze sind top, die Sitzposition tief, wie es sich für einen Sportwagen gehört. Die Bedienung ist eingängig, der Schalthebel liegt in perfekter Reichweite – etwas, was heutzutage leider oft nicht so stark berücksichtigt wird. Dafür sollte man nicht zu viel Kram mit ins Auto nehmen. Die Ablagemöglichkeiten sind beschränkt, ein Handschuhfach fehlt gänzlich. Wer grösser als 1,90 Meter ist, bekommt auch Probleme, sich selber im Auto zu verstauen, auf der Beifahrerseite wird es sogar ab 1,80 Meter eng.
Bei der Motorisierung gehen die Italiener eigene Wege und genau das hätten sie vielleicht lieber lassen sollen. Das 1,4-Liter Turboaggregat ist mit seinem tiefen Turboloch unterhalb 2500 Touren und der ausgeprägten Atemnot oberhalb von 5000 Umdrehungen nicht gerade erste Wahl, um einen Sportwagen anzutreiben. Der Motor knurrt zwar fröhlich vor sich hin und gefällt mit gutem Durchzug im mittleren Bereich. Trotzdem kommt die Freude am Gas geben nie so stark zum Vorschein wie beim super direkt ansprechenden Zweiliter-Sauger des MX-5.
Überhaupt kommt der Roadster ordentlich ins Schwitzen, wenn man ihn richtig fordert. Im Test beim sehr sportlichen Fahren hat der Mitteltunnel eine so starke Wärme abgesondert (von der Antriebswelle), dass es sich anfühlte, als wäre die Sitzheizung auf der höchsten Stufe. Ich wurde gezwungen, eine Pause einzulegen. Eine klare Ansage des Autos, es doch etwas ruhiger angehen zu lassen und das Fahrfeeling an sich zu geniessen. Volle Kraft voraus ist nicht so das Ding des zierlichen Italieners.
Im Gegensatz zum MX-5 ist der 124 Spider auch nicht mit all den feinen Sport-Ingredienzen ausgerüstet. Sowohl die strafferen Bilstein Dämpfer, als auch das Sperrdifferential an der Hinterachse fehlen ihm. Mit dem präzisen und Nachdruck erfordernden Getriebe und dem keck zuckenden Heck kommt dennoch eine ordentliche Portion Fahrspass aus, zumal man das ESP bedenkenlos auch ganz deaktivieren kann. Dieser kleine Roadster will schliesslich niemandem etwas böses.
Dass der 124 Spider eher der Geniesser-Typ ist merkt man vor allem auf der Autobahn. Das besser isolierte Stoffverdeck bringt zwar im Gegensatz zum Mazda ein paar zusätzliche Kilos, dafür ist der Geräuschpegel auch angenehmer. Ausserdem wird man vom etwas sanfterem Fahrwerk weniger durchgeschüttelt. Puristisch ist der Fiat dennoch: Auf Assistenzsysteme wird in diesem Auto gänzlich verzichtet, hier steht das Fahrerlebnis an erster Stelle.
Auch wenn der Fiat 124 Spider und der Mazda MX-5 im Geiste Brüder sind, differenzieren sie sich recht deutlich. Für Bleifüsse wie mich ist der 124 Spider zu kultiviert. Der Mazda MX-5 mit strafferen Dämpfern, Recaro-Sitzen und Sperrdifferential lässt sich schon viel besser engagiert bewegen. Wer bei den Italienern bleiben will, sollte vielleicht mal mit dem Abarth 124 Bekanntschaft schliessen.
Wer eher auf Sonnenschein im Gesicht und einen zügigen, aber geniesserischen Fahrstil pflegt, der ist beim 124 Spider genau richtig. Er bietet Fahrfreude, ohne einen im Alltag zu hart ranzunehmen. Was sich jedoch nicht wegdiskutieren lässt, ist der Turbomotor, der nur im mittleren Drehzahlbereich so richtig aufblüht. Los geht’s mit dem 124 Spider bereits bei 27’900 Franken, dies mit umfangreicher Serienausstattung. Der top ausgerüstete Testwagen ist für 36’050 Franken zu haben. Beim MX-5 sind für den Zweiliter-Motor schon mindestens 31’300 Franken fällig, für die volle Hütte müssen 38’500 Franken bereitstehen. Wer es also gemütlicher nimmt und sich für den Fiat entscheidet, spart nebenbei einen schönen Batzen Geld.
Alltag
Der Innenraum fällt sehr knapp aus, selbst auf der Beifahrerseite wird es für grosse Personen eng und ein Handschuhfach fehlt. Der Kofferraum reicht für den Alltag zwar aus, für eine Ferienreise zu zweit muss das Gepäck allerdings mit Bedacht ausgewählt werden. Besser flexible Sporttaschen anstatt harte Koffer.
Fahrdynamik
Allein durch den tiefen Schwerpunkt und das geringe Gewicht wird dem 124 Spider ein gutes Handling in die Wiege gelegt. Das knorrige Getriebe und das frech zuckende Heck fördern den Fahrspass. Allerdings muss der Motor ein deutliches Turboloch bezwingen und im oberen Drehzahlbereich geht ihm die Puste aus.
Umwelt
Sportliche Fahrten inklusive hat sich der Fiat im Test 7,6 Liter genehmigt. Das ist okay, obwohl der Normverbrauch von 6,4 Litern schwer zu erreichen sein dürfte. Dafür mag der Motor tiefe Drehzahlen und hohe Gänge einfach zu wenig.
Ausstrahlung
Der kleine, schnittige Roadster versprüht gute Laune, ohne aufdringlich oder protzig zu wirken.
Fazit
+ Cooles Design
+ Hervorragende Übersicht
+ Bequeme Sportsitze
+ Knurriger Motorsound
+ Präzises, knorriges Schaltgetriebe
+ Gutes Handling dank tiefem Schwerpunkt und guter Gewichtsverteilung
+ Sehr einfach zu beherrschen am Grenzbereich
+ LED-Scheinwerfer samt Kurvenlicht
+ Tolles Soundsystem mit Lautsprechern in den Kopfstützen
+ Sehr schneller und simpler Verdeckmechanismus
+ Geringes Gewicht
+ Angemessener Verbrauch
+ Fairer Preis
– Motor mit deutlichem Turboloch und fehlendem Drehwille
– Mag die harte Tour nicht besonders
– Enger Innenraum, wenig Ablagen
– Wenig eigenständiges Cockpit
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Fiat 124 Spider |
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Preis Basismodell / Testwagen | 27 900 CHF / 36 050 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1368 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 103 kW bei 5000 r/min |
Max. Drehmoment | 240 Nm bei 2250 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,5 s |
Vmax | 215 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,4 l/100 km / 148 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,6 l/100 km / 176 g/km / +19% |
Länge / Breite / Höhe | 4,05 m / 1,74 m / 1,23 m |
Leergewicht | 1150 kg |
Kofferraumvolumen | 140 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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