Fiat 500: Die grosse E-volution

Der Fiat 500 ist zwar klein, aber in der Automobiltechnik eine der grössten Errungenschaften Italiens. Der süsse Kleinwagen stösst auf grosse Sympathien und sichert Fiat den finanziellen Erfolg. Nun sind die Italiener den nächsten Schritt gegangen und haben den kultigen Kleinwagen in die Elektromobilität transformiert, denn andere Motorisierungen werden nicht mehr angeboten. Bleibt der kultige Charakter enthalten? Und was bedeutet die reine Elektromobilität bei einem Kleinstwagen?

Beim Fiat 500 ist es wie beim VW Golf oder dem Porsche 911: Am grundlegenden Design wird nicht geschraubt. Die typische, leicht bogenförmige, hohe Silhouette und das halbkugel-förmige Design blieb erhalten. Die Front ist praktisch komplett glatt und die Scheinwerfer geteilt. Türgriffe gibt es keine mehr, dafür öffnet die Tür bequem halb-elektronisch. Am Heck wurde noch weniger getan, doch auch hier ist das Design insgesamt cleaner, sodass der neue 500 wie aus einem Guss wirkt. Nette Design-Details sind der Schriftzug der Ausstattungslinie auf der hinteren Fensterlinie, die blitzförmigen Blinker auf den vorderen Kotflügeln sowie die Grafik der Rücklichter im E-Design.

2022 Fiat 500e
Eine wie keine: Die Silhouette des kultigen Fiat 500.

Modernes Cockpit

Das Cockpit wirkt luftig, aufgeräumt und modern. Es gibt ein konfigurierbares, digitales Cockpit sowie ein Infotainmentsystem, welches ebenfalls mit personalisierbaren Kacheln arbeitet. Das System reagiert flink, ist intuitiv zu bedienen und verfügt über eine fortschrittliche Navigation sowie Sprachsteuerung. Für einen Kleinstwagen nicht ganz selbstverständlich, umso mehr gefällt es!

2022 Fiat 500e
Modernes und intuitives Cockpit. Leider viel Hartplastik.

Grosse Platzzuwüchse darf man aber nicht erwarten, denn bis auf die fehlende Mittelkonsole vorne ist der Elektroantrieb vom Raumangebot nicht zu spüren. Unter der Haube befindet sich die Technik, vorne sitzt man zwar zu hoch, aber bequem auf ziemlich weichen Sitzen.

2022 Fiat 500e
Die Sitze sind weich und bequem, Seitenhalt ist kein Thema.

Die beiden Sitze im Fond sind eher als zusätzliche Gepäckablage oder als Notsitze zu betrachten. Obwohl das Design des Innenraums insgesamt hübsch ist, setzt Fiat leider auf jede Menge Hartplastik, welches die Haptik ziemlich versaut und den optisch guten Eindruck wieder zunichte macht. Immerhin knorzt oder knarzt nichts, auch während der Fahrt nicht.

2022 Fiat 500e
Dem Retro-Charme muss Genüge getan werden.

Mit italienischem Temperament voran

Obwohl der Akku mit 42 kWh absolut betrachtet eher klein ist, ist der Fiat 500 dadurch kein Leichtgewicht mehr. Wog die Vorgängergeneration nur knapp über 1000 Kilo, so bringt es der neue Stromer auf fast 1400 Kilo. Dem Antritt tut das jedoch keinen Abbruch. Der kleine Fiat startet temperamentvoll und fühlt sich dank des drehmomentstarken Elektromotors auch über Tempo 50 verhältnismässig stark an. Erst ab etwa Tempo 80 wird es langsam zäh, was bei einem Kleinstwagen jedoch zu erwarten ist.

2022 Fiat 500e
Der frech grinsende Fiat 500e fühlt sich subjektiv spritzig an.

In urbanen Gegenden kann der 500e sämtliche Vorteile ausspielen: Er ist flink, unglaublich handlich, sehr übersichtlich und dank häufiger Rekuperation obendrein sehr sparsam. Das heisst aber nicht, dass er jenseits der Ortsgrenze keinen Spass mehr macht, im Gegenteil: Auch auf der Landstrasse schlägt sich der 500e überraschend gut. Das spontane Ansprechverhalten, der tiefe Schwerpunkt sowie das allgemein quirlige Verhalten aufgrund des kurzen Radstandes sorgen für ein unterhaltsames Fahrfeeling. Einzig die sehr leichtgängige und recht gefühllose Lenkung wurde zu sehr mit dem Fokus auf den Grossstadt-Dschungel konzipiert.

2022 Fiat 500e
Der kurze Radstand sorgt für ein leicht hoppeliges und agiles Fahrgefühl.

Kaum Langstrecken-tauglich

Der Ur-500 verhalf eine ganzen Nation und deren Generation zu erschwinglicher Mobilität. Nach meinem Verständnis hört die Mobilität jedoch nicht im alltäglichen Umfeld auf. Richtig aufregend wird es doch erst, wenn man zu grossen Reisen aufbricht. Das erfordert im neuen 500 allerdings viel Geduld und sorgfältige Planung. Zwar ist er mit einer angemessenen Schnell-Ladefunktion von 85 kW ausgerüstet, das ändert jedoch nichts daran, dass dem kleinen Akku bei konstanter Autobahnfahrt nach 200 Kilometern der Saft ausgeht. Da man nicht bis auf Null runterfährt und die Schnell-Ladung nur bis 80% effektiv ist, heisst das folglich, dass man ca. alle 140 Kilometer eine Ladesäule ansteuern muss. Nicht unbedingt etwas, das man sich gerne antun möchte.

2022 Fiat 500e
Das Cockpit ist gestochen scharf und recht frei anpassbar.

Teures Vergnügen

Einerseits ist der Fiat 500 das prädestinierte Auto, um elektrisch angetrieben zu sein. Andererseits leidet wie bereits beschrieben die Reisefreude. Ausserdem wirkt sich die Batterie auf den Preis aus, der in diesem Segment deutlich relevanter als in der Oberklasse ist. Der 500 als kleines Designerstück war noch nie besonders günstig, doch die aktuelle Generation erklimmt neue Preisniveaus. Der mittelmässig ausgestattete Testwagen ist bereits mit rund 35’000 Franken ausgechrieben.

2022 Fiat 500e
Das Infotainmentsystem ist sehr flink und simpel zu bedienen.

Viele hochwertige und in dieser Klasse auch nicht selbstverständliche Annehmlichkeiten wie Ledersitze, LED-Licht, Abstandstempomat, 360-Grad-Kamera oder ein Premium-Soundsystem sind der obersten «La Prima»-Ausstattungslinie vorbehalten und können nicht separat geordert werden. Ein «La Prima» 500e kostet knapp 40’000 Franken, das beliebte Cabrio kratzt mit voller Ausstattung sogar gefährlich an der 45’000-Franken-Grenze. Ich verzichte jetzt auf eine Aufzählung dessen, was man für dieses Geld sonst bekommen könnte. Ein Fiat 500 ist somit mehr denn je eine Herzenssache und keine rationale Entscheidung.

2022 Fiat 500e
Der Fiat 500e bezirzt nach wie vor mit seinem Charme. Der Elektroantrieb bringt Vor- und Nachteile.

Alltag 4 out of 5 stars

Das hängt vom Zweck ab. In der Stadt ist der kleine Wagen sehr handlich und übersichtlich und für die täglichen Besorgungen reicht er vollkommen aus. Insgesamt ist das Platzangebot aber dürftig und für längere Autobahnetappen ist dieses Auto trotz Schnelllade-Technik einfach nicht gemacht.

Fahrdynamik 3 out of 5 stars

Für einen Winzling wie der Fiat 500 einer ist, ist der Vorwärtsdrang mehr als ausreichend. Insbesondere unter 60 km/h ist der Antrieb sogar recht spritzig. Der kurze Radstand und der tiefe Schwerpunkt sorgen denn auch für eine gute Kurvendynamik. Die Lenkung ist aber sehr leichtgängig und vermittelt wenig Gefühl.

Umwelt 4.5 out of 5 stars

Keine 2,8-Tonnen E-SUVs sondern kleine Elektroautos wie der Fiat 500 sind effizient und umweltfreundlich, da insgesamt ressourcenschonend.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Es gibt kaum ein anderes Auto in dieser Grösse, das einen derartigen Charme ausstrahlt wie der Fiat 500. Und obwohl es irgendwie abgelutscht klingt, so ist dieses Auto eben einfach ein Frauenmagnet – und zwar mehr als ein Sportwagen.

Fazit 4 out of 5 stars

+ Eigenständiges, verspieltes Design
+ Bequeme Sitze, viel Platz vorne
+ Modernes und intuitives infotainmentsystem
+ Spritziger Elektroantrieb
+ Sehr agil und handlich
+ Sehr gute Übersicht
+ Gutes Kurvenverhalten dank tiefem Schwerpunkt
+ Schnell-Ladetechnik
+ Guter Fahrkomfort trotz sehr kurzem Radstand
+ Optional diverse Assistenzsysteme verfügbar
+ Hoher Grad an Individualisierung möglich

– Hoher Preis, viele Annehmlichkeiten nur in der teuersten Top-Linie erhältlich
– Sehr enge Notsitze
– Zu hohe Sitzposition
– Viel Hartplastik im Interieur
– Auf der Langstrecke zu kleine Reichweite
– Sehr leichtgängige, ziemlich gefühllose Lenkung

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellFiat 500e
Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen28 690 CHF / 34 690 CHF / 35 590 CHF
AntriebElektrisch, Frontantrieb
Akkukapazität42 kWh (brutto) / 37 kWh (netto)
Max. Leistung87 kW
Max. Drehmoment220 Nm
Beschleu­nigung 0–100 km/h9,0 s
Vmax150 km/h (elektronisch abgeregelt)
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz13,9 kWh/100 km / A
Test-Verbrauch / Differenz16,9 kWh/100 km / +22%
WLTP-Reichweite298 km
Ø Test-Reichweite223 km
Max. Ladeleistung (DC)85 kW
Länge / Breite / Höhe3,63 m / 1,75 m / 1,53 m
Leergewicht1390 kg
Kofferraumvolumen185 - 550 l

2 thoughts on “Fiat 500: Die grosse E-volution”

  1. Schon witzig … ich habe mir 2019 für (damals scheinbar sauteure) 17.000 € ein Smart Cabrio mit dem 90 PS-Benziner gekauft – Jahreswagen mit Extra-Garantie, Brabus-Ausstattung und allem Pipapo. HEUTE würde mir jeder Benz-Händler den Wagen für ca. 15.000.- € jederzeit ABKAUFEN … weil Kult und nicht mehr zu kriegen. Und das bei Daten, an denen der kleine Fiat sich messen muss: Meiner braucht ebenfalls 9 sek auf 100, läuft 155 und hat (bei 4,5-5.5 l Verbrauch mit dem 35l-Tank eine Reichweite von über 600km. Dazu 5,5 m Wendekreis, grandiose City-Taugleichkeit und auch für längere Landstraßen-Ausflüge geeignet. Lange Rede, kurzer Sinn: Gemessen an den absurden Fiat-Preisen ein wahres Schnäppchen … vom zu erwartenden Wert(nicht)verlust im Vergleich ganz zu schweigen …. Meinung dazu? GRÜEZI & SERVUS!

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    • Hallo Christian
      Trotz den absurden Preisen wird der Fiat 500 – zumindest in der Schweiz – rege gekauft. Ausserdem wird die Vorgänger-Generation mit Benziner bis auf weiteres weiter produziert. Bei Smart ist das nicht der Fall.

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