Schon putzig, der Ford Fiesta ST. 4,07 Meter kurz, zwar sportlich gekleidet, aber alles in allem ziemlich dezent. Unter der Haube werkelt ein Dreizylinder, aber auf der Motorabdeckung sowie unter dem digitalen Tacho trägt der Fiesta stolz den Ford Performance Schriftzug. Wie süss, ein Kleiner, der gerne ein Grosser wäre! Naja, Träumen darf man ja. Doch der Fiesta ST träumt nicht, er lehrt der Konkurrenz das Fürchten! Was der kleine Kraftprotz auf der Strasse abliefert, ist kaum zu fassen. Er wirkt so zahm von aussen, dabei steckt ein echtes Raubtier hinter der zierlichen Fassade!
Dass die Ford Performance Ingenieure ein paar Schrauben locker haben, dürfte seit dem Mustang-Facelift allseits bekannt sein. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ein gesunder Geist auf die Idee kommen könnte, einem Serienauto einen Dragstrip-Modus sowie eine Burnout-Funktion mit auf den Weg zu geben! Doch erste Daten und Bilder des neuen Fiesta ST liessen mich ernsthaft an der Kompetenz der Ford-Truppe zweifeln.
Wie kann man nur ein Auto, das für kompromisslosen Fahrspass steht, mit einem Dreizylinder UND Zylinderabschaltung kastrieren? Ausserdem ist das Design nicht gerade der Brüller. Sportliche Felgen, Wabengrill mit ST-Logo, zwei Endrohre – das war’s. Als ob sich der kleine Sportler für sein ST-Dasein schämen müsste und sich deswegen zurückhaltend gibt.
Schämen muss sich hier aber höchstens einer und zwar ich selber: Weil ich den Fiesta ST wegen seines Antriebes quasi schon im Voraus verurteilt habe. Dabei hätte ich es – wieder einmal – besser wissen sollen. Erstens macht Ford Performance keine halben Sachen und zweitens steckt in einem Dreizylinder aufgrund der ungeraden Zylinderzahl ein gewaltiges Soundpotenzial, was Ford erkannt hat.
Bisher war der Dreizylindermotor stets der Inbegriff des Downsizing-Trens, ein Ökomotor schlechthin. Wenn der Fiesta ST jedoch gestartet wird, verflüchtigen sich sämtliche Zweifel und Umweltgedanken. Mit seinem rauen und kehligen Klang klingt er nach viel mehr und könnte glatt als kleiner Fünfzylinder durchgehen! Weiter kommt dazu, dass die Recaro-Sitze zwar recht komfortabel aussehen, in Wirklichkeit aber wie ein Schraubstock einengen. Schon als ich über den Alu-Schaltknauf den ersten Gang des knackigen Getriebes einlege wird mir klar, dass dieses Auto eine Spassgranate sein wird, die seinesgleichen sucht.
Ford wagt es aber tatsächlich, in der Pressemitteilung von «Komforteigenschaften» zu sprechen. Was die in Köln wohl unter Fahrkomfort verstehen? Den stets präsenten Dreizylinder-Klang? Die schwergängige Lenkung? Den Hang des Autos, Spurrillen hinterherzufahren? Die Balance zwischen unauffälligem Alltagseinsatz und Sportlichkeit kippt beim Fiesta ST deutlich in Richtung Sportlichkeit. Dass im Vergleich zum normalen Fiesta der Notbremsassistent sowie der Parkassistent nicht verfügbar sind, spricht ebenfalls für die sportliche Einstellung.
Nichtsdestotrotz braucht man sich vom Fiesta ST nicht zu fürchten. Zwar ist die Karosserie ständig in Bewegung, aber die fiesen, harten Schläge verkneift sich das Auto. Man hüpft also nicht wie ein Gummiball über die Autobahn, wie es im Vorgänger noch der Fall gewesen ist. Ein weiteres Plus ist das Geräuschniveau, das stets auf einem angenehmen Niveau bleibt. Dass Ford an gewissen Stellen weniger hochwertigen Kunststoff einsetzt und die Türverkleidung ordentlich knarzt, wenn man sich mit dem Knie abstützt – geschenkt. Denn eigentlich geht hier doch um etwas ganz anderes.
Nebst dem Normal-Modus stehen nämlich noch der Sport- sowie der Track-Modus zur Wahl. Bereits im Sport-Modus wird der Klang eine Spur sonorer und es kommt animierendes Auspuffblubbern dazu. Von einem Dreizylinder! Faszinierend ist aber, wie vollkommen der Sound ist, er klingt richtig authentisch und überhaupt nicht künstlich. Am faszinierendsten ist es jedoch, den Track-Modus mit reduziertem ESP anzuwählen und nicht mehr aus dem Staunen zu kommen, was für ein kleines Biest Ford auf die Räder gestellt hat.
Der 1,5-Liter grosse Dreizylinder schiebt den kleinen Fiesta ST auch bergauf mühelos voran und gefällt mit einer linearen Kraftentfaltung. Lediglich im obersten Drehzahlbereich geht im etwas die Luft aus, was aber nichts daran ändern, dass der Topspeed vom 243 km/h den Fiesta zum Tempokönig in seinem Segment macht. Aber was heisst da Tempokönig, diese Krawallbüchse gibt generell ohne Wenn und Aber den Ton an unter den Kleinwagen. Wichtig ist nur, das ST-Performance Paket mit einem Sperrdifferential für 1000 Franken mitzuordern.
Ist der Wagen damit ausgerüstet, gibt es eigentlich kein Halten mehr. Man kann den Fiesta ST um schnelle Kurven prügeln, um enge Haarnadeln knechten und auf welligen Strassen malträtieren – es ist ihm scheissegal. Als würde er die gewünschte Linie ahnen, lässt sich das Auto nicht aus der Ruhe bringen, haltet die Spur und fährt mit Tempi aus Kurven heraus, wie man es so einem kleinen Fronttriebler nie und nimmer zugetraut hätte. Dasselbe gilt für die Bremse, selbst unter harten Bedingungen bleiben die Leistung sowie der angenehme Gegendruck des Pedals konstant.
Am Ende der schnellen Fahrt bin ich fix und fertig und es stellt sich die Frage, wer jetzt eigentlich wen auseinander genommen hat: Ich das Auto oder umgekehrt? Der Punkt geht, wie ich eingestehen soll, an den Fiesta. Wahrscheinlich könnte man ihn noch härter durchprügeln, so sehr, dass jeweils ein Rad in der Luft hängt und selbst das würde seinen Vorwärtsdrang nicht hemmen.
Für 33’000 Franken kriegt man einen durchaus alltagstauglichen Kleinwagen mit toller Ausstattung, der auf der Bergstrasse zum waschechten Sportwagen mutiert. Bemerkenswert ist nicht nur seine sensationelle fahrdynamische Leistung, sondern auch, wie sicher und vertrauenerweckend sich das Auto fährt. Mit einer Vermutung hatte ich allerdings recht: Dass die Ford Performance Jungs nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Man muss schon ziemlich besessen und durchgeknallt sein, um aus einem Dreizylinder-Kleinwagen so ein Geschoss zu konstruieren. Wer auf weichgespülte Mini-Sportler verzichten kann, findet im Ford Fiesta ST seinen Meister. Um diesen Hot Hatch an die Grenzen zu bringen, bedarf es verdammt gutes fahrerisches Talent.
Alltag
Die Platzverhältnisse sind halt so gut, wie sie in einem Kleinwagen sein können. Die schwergängige Lenkung sowie das harte Fahrwerk sind im Alltag nichts für zartbesaitete. Darüber hinaus sind die engen Sitze auf längeren Strecken nur schlanken Leuten bekömmlich.
Fahrdynamik
Ford hat eindrucksvoll gezeigt, welch enormes Potenzial in einem Dreizylinder-Motor steckt, wenn man ihn auf Performance trimmt! Der Fiesta ST knurrt und bollert wie ein kleiner Fünfzylinder. Dazu kommen eine messerscharfe Lenkung mit toller Rückmeldung sowie irrer Grip dank des mechanischen Sperrdifferentials. Definitiv die fahrdynamische Referenz in seinem Segment!
Umwelt
Es ist fast schon unnötig zu erwähnen, dass mit dem Fiesta ST im Test kein Eco-Driving betrieben wurde. Im Gegenteil: Die kleine Spassgranate wurde mehrmals hart rangenommen! Am Ende pendelte sich der Testschnitt dennoch bei akzeptablen 7,2 l/100 km ein. Wer anständig fährt, schafft unter 6,5 Liter. Schade, zeigt das Auto nicht an, wann die nicht wahrnehmbare Zylinderabschaltung aktiv ist. Die Start-Stopp-Automatik ist im Test durch ihr sehr launisches Verhalten aufgefallen, meistens liess sie den Motor einfach weiterlaufen.
Ausstrahlung
Optisch macht der Fiesta ST nicht auf dicke Hose und ist weniger keilförmig geschnitten als sein Vorgänger. Immerhin setzt Ford für den ST optional LED-Scheinwerfer ein, denn der normale Fiesta ist nur mit Halogen-Licht erhältlich.
Fazit
+ Als 3- und 5-Türer erhältlich
+ Enge Sportsitze mit erbarmungslosem Seitenhalt, aber bequemer Polsterung
+ Einwandfreie Ergonomie
+ Tolles B&O Audiosystem mit kräftigem Klang
+ Intuitives Infotainmentsystem mit Smartphone-Integration
+ Rauer Motorsound, blubbert und bollert im Schubbetrieb
+ Knackiges Getriebe
+ Extrem direktes Einlenkverhalten
+ Auf trockener Strasse enormer Grip
+ Sehr agiles Einlenkverhalten, exzellente Rückmeldung
+ Dreistufig deaktivierbares ESP
+ Fernlichtautomatik auf exzellentem Niveau
+ Akzeptabler Verbrauch
+ Sehr fairer Preis
– Teilweise mässige Materialgüte und Verarbeitungsqualität
– Geringere Auswahl an Assistenzsystemen als im normalen Fiesta
– Launch Control hat nie einwandfrei funktioniert, direkte Wiederholung wurde vom Auto stets unterbunden
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Ford Fiesta ST |
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Preis Basismodell / Testwagen | 24 950 CHF / 33 020 CHF |
Hubraum / Zylinder | 1497 ccm / R3 |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Max. Leistung | 147 kW bei 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 290 Nm bei 1600 - 4000 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 6,5 s |
Vmax | 243 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 6,0 l/100 km / 136 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 7,2 l/100 km / 163 g/km / +20% |
Länge / Breite / Höhe | 4,07 m / 1,74 m / 1,47 m |
Leergewicht | 1308 kg |
Kofferraumvolumen | 311 - 1093 l |
Bilder: Koray Adigüzel
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