Der Ford Mondeo verkehrt endlich auf unseren Strassen und auch wenn das Thema mittlerweile ausgelutscht ist, einmal muss es noch erwähnt werden: Es ist höchste Zeit. Über ein Jahr Verspätung hat der neue Mondeo und weil die Konkurrenz nicht schläft, fürchtete ich, dass Ford ein neues, altes Auto an den Start bringt. Gott sei Dank ist dem jedoch nicht so, im Gegenteil, der Mondeo braucht sich überhaupt nicht zu verstecken, optisch schon gar nicht.
Ich habe ein Herz für Exoten und Nischenmodelle. Nun, der Mondeo ist wahrlich keines von beidem, aber mit der voraussichtlich meist verkauften Variante, dem 08/15 Diesel-Kombi, damit dürfen sich gerne die traditionellen Medien herumschlagen. Für meine Wenigkeit darf es ruhiger ein wenig edler sein, weshalb bei mir die Fliessheck Limousine mit dem stärksten Benziner zum Test antritt.
Die Schweiz ist ein Kombi Land, aber meiner bescheidenen Meinung nach sieht die Limousine im Vergleich zum Kombi in neun von zehn Fällen eleganter und edler aus, der Mondeo macht da keine Ausnahme. Die lange und flachere Dachlinie, das weniger plump wirkende Heck und die insgesamt sportlichere Erscheinung – da kann der Kombi einfach nicht mithalten. Von vorne gibts nicht viel zu sagen, der Mondeo sieht gut, wirklich richtig gut aus. Präsenter, aber nicht aufdringlicher Chrom-Grill, schlanke Scheinwerfer, lange, konturierte Haube – das macht Eindruck. Von hinten gibt er sich schon dezenter, aber die schönen, ins Design integrierten Auspuffblenden lassen auch die Kehrseite fesch wirken.Die Hecklichter erinnern mit ihrer Form an jene des Tesla Model S.
Ich muss zugeben, ein wenig hat meine Begeisterung schon nachgelassen, nachdem ich das Cockpit geentert habe. Die elegante, moderne Erscheinung von aussen überträgt sich leider nicht auf das Cockpit, das sehr klassisch gehalten ist und auch nicht über schöne Details verfügt. Insbesondere die Mittelkonsole mit den vielen kleinen Knöpfchen für die Klimaanlage wirkt altbacken und nicht besonders hochwertig.
Modern wirken dafür die volldigitalen Instrumente, allerdings hätte sich Ford besser etwas mehr auf die Übersichtlichkeit konzentriert. Der Tacho ist nämlich nicht besonders gut ablesbar und digitale Instrumente ohne die Möglichkeit, einen digitalen Tacho einzublenden, sind meiner Meinung nach nicht ganz zu Ende gedacht worden. Ein Hauch Extravaganz würde schon ganz gut zum Mondeo passen. Nur schon die Mittelkonsole aus dem Focus zu transplantieren würde das Bild stark verändern. Das heisst natürlich nicht, dass das Cockpit wüst ist, ganz und gar nicht. Es ist sehr wohnlich und meist hochwertig verarbeitet, so, wie es in dieser Klasse auch sein sollte.
Dennoch sind Details wie die Mittelarmlehne oder die Abdeckung des Panoramadaches in ihrer Qualität nicht so berauschend, da es mal knackt oder wackelt. Das fällt umso mehr auf, da der Mondeo sehr leise fährt. Die Sitze sind sehr bequem, auf Wunsch sind sogar eine Sitzlüftung und -Massage erhältlich. Eine wahre Weltneuheit gibt es aber im Fond zu sehen: den Gurtairbag! Dabei ist der Sicherheitsgurt von einer Art Schlauch ummantelt. Dieser Schlauch bläht sich im Crashfall innert 40 Millisekunden auf, wodurch der Gurt eine wesentlich grössere Fläche bietet und sich die Aufprallkräfte besser absorbieren lassen. Den Gurz anzuhaben wirkt anfangs etwas befremdlich, aber man wird sich sehr schnell daran gewöhnen, sodass der Gurtairbag nicht stärker wahrgenommen wird, als ein konventioneller Sicherheitsgurt. Der Platz selber ist im Fond grosszügig, aber doch nicht so üppig, wie man es angesichts der Länge erwarten würde.
Die Rede war vorhin vom stärksten Benziner, wobei dieser im Falle des Mondeo mit einer Leistung von rund 176 kW zu Werke geht. Klar, dass der Motor somit zu der kräftigen Sorte gehört, allerdings ist kräftig nicht mit sportlich gleichzusetzen. Der Motor im Alfa Romeo 4C beispielsweise bietet genau die gleiche Leistung und doch wird er sie völlig anders freigeben, als es das Aggregat im Mondeo tut. Der 2,0-Liter Turbobenziner schüttelt seine Leistung ganz locker und souverän aus dem Ärmel, ohne grosses Brimborium. Auch bei 6000 Umdrehungen bleibt der Motor zurückhaltend und klingt weder sportlich, noch angestrengt. Der Schub ist in allen Lebenslagen mehr als ausreichend, allerdings ist der grosse Benziner ein Schluckspecht. Anstelle der versprochenen 7,4 l/100 km waren es im Test 9,5 Liter. Das ist schon eine ganze Menge für eine gediegene Limousine.
Ford-Fahrwerke sind konstruktionsbedingt immer für eine Kurvenhatz zu haben, das schwächste Glied in der Kette ist jedoch das Automatikgetriebe. Man merkt schnell, dass es Stress nicht besonders mag. Da es sich um eine konventionelle Wandlerautomatik handelt, bleibt stets eine kleine Verzögerung, auch im S- oder manuellen Modus. Gemäss Ford soll die Wandlerautomatik sparsamer sein als eine Doppelkupplung, wobei ich die Sparsamkeit im Test nicht erfahren konnte… Während das Hochschalten eine saubere Angelegenheit ist, ruckelt es beim Runterschalten immer wieder mal ein bisschen, was auf Dauer leicht störend wirkt. Somit ist der Mondeo zwar immer für einen Abstecher auf eine Bergstrasse zu haben, aber seine Kernaufgabe ist das Wedeln zwischen engen Kurven freilich nicht. Vielmehr fallen auf der Autobahn die hervorragende Geräuschdämmung und das weiche, aber nicht schaukelige Fahrwerk auf. Und ja, dieses auf der Autobahn so weiche Fahrwerk kann auch ziemlich sportlich, ohne hart zu sein und dennoch ohne grosse Seitenneigung zuzulassen. Es ist immer wieder ein Genuss, auf den Fahrwerken von Ford zu fahren.
Passend zu seinem Charakter bietet Ford viele Assistenzsysteme an. So ziemlich alles, was der Markt heute hergibt, lässt sich in den Mondeo packen. Unbedingt empfehlenswert sind die dynamischen LED-Scheinwerfer, da sie eine hervorragende Ausleuchtung zustande bringen. Das Tüpfchen auf dem I, nämlich ein dynamischer Fernlichtassistent, der andere Fahrzeuge gezielt ausblendet, gibt es für den Mondeo leider nicht. Nicht überzeugt hat dafür der Tot-Winkel-Warner, der zahlreiche Fehlalarme signalisierte, so dass ich ihm im Test nicht vertraute und weiterhin den Seitenblick benutzte. Bei Assistenzsystemen gilt für mich die Devise: Wenn schon, denn schon. Ein System, das so lala funktioniert, stresst letztendlich mehr, als dass es nützt.
Obwohl mein Testwagen sehr gut ausgestattet war, bleibt der Preis äusserst fair. 56’400 Franken kostet mein Testwagen, bereits ab 35’300 Franken geht es los. Aber Ford möchte sich auch nach oben orientieren, denn schon bald ist die Edel-Linie Vignale mit extra üppiger Ausstattung und zusätzlichen Dienstleistungen, beispielsweise Hol- und Bringservice, erhältlich. Ob Ford damit Erfolg haben wird, muss sich zeigen. Der Mondeo überzeugt jedenfalls als äusserst leise uns komfortable Limousine mit sehr hübschem Design. Das Interieur würde zwar noch etwas Feinschliff vertragen, aber angesichts seines Preises kann man darüber hinwegschauen. Übrigens: Mitte Jahr (also sehr bald) ist der Mondeo auch mit einem 154 kW starken Bi-Turbo Diesel erhältlich. Der dürfte um einiges sparsamer als der getestete Benziner sein, ausserdem wird er mit einem Doppelkupplungsgetriebe erhältlich sein. Wer es also gerne etwas sportlich hat, sollte sich für den starken Diesel entscheiden.
Alltag
Als Limousine mit Fliessheck bietet der Mondeo eine gigantische Kofferraumöffnung, ausserdem fasst der Kofferraum mit aufrechter Rückbank sogar ein paar Liter mehr als der Kombi. Dank der effektiven Geräuschdämmung, dem komfortablen Fahrwerk und der Fülle an verfügbaren Assistenzsystemen ist der Mondeo ein hervorragender Kilometerfresser und Alltagsbegleiter.
Fahrdynamik
Es ist vor allem das Getriebe, das den Mondeo einbremst. Das Fahrwerk ist wunderbar ausgewogen, die Lenkung leichtgängig, aber präzise. Der Motor hat zwar Kraft, aber die Leistungsentfaltung ist mehr souverän als sportlich.
Umwelt
Obwohl der Mondeo ganz schön gross ist, ist er mit einem Gewicht von 1600 Kilo normalgewichtig. Die Gänge sind zudem eher lang übersetzt, daher wundert es mich schon ein wenig, dass der Motor rund 9,5 l/100 km säuft.
Ausstrahlung
Der Mondeo wirkt durch seine fliessende Linie und dem mächtigen Kühlergrill sehr elegant und sportlich. Bis auf den störenden Heckscheibenwischer ist das Aussendesign schlicht perfekt. Das Interieur würde schon etwas mehr Pepp vertragen.
Fazit
+ Sehr schönes Aussendesign
+ Dynamische LED-Scheinwerfer
+ Ausgewogenes Fahrwerk
+ Sehr bequeme Sitze, optional mit Massagefunktion
+ Modernes und intuitives Infotainmentsystem
+ Zahlreiche Assistenzsysteme erhältlich
+ Sehr leises Fahrverhalten
+ Gurtairbag als Innovation
– Hoher Verbrauch
– Getriebe ruckelt manchmal beim Runterschalten
– Unzuverlässiger Tot-Winkel-Warner
– Unübersichtliche Instrumente
– Interieur nicht durchgehend sauber verarbeitet, Mittelkonsole wirkt altbacken
Steckbrief
Marke / Modell | Ford Mondeo |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 35'300 CHF / 56'400 CHF |
Antrieb | Benzin, Frontantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1997 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 6-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 176 kW bei 5300 r/min |
Max. Drehmoment | 340 Nm bei 2300 - 4900 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 7,9 s |
Vmax | 240 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,4 l/100 km / 176 g/km / F |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 9,5 l/100 km / 226 g/km / +28% |
Länge / Breite / Höhe | 4,78 m / 1,85 m / 1,48 m |
Leergewicht | 1599 kg |
Kofferraumvolumen | 550 - 1446 l |
(Bilder: Koray Adigüzel)
Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen