Ford Mustang Ecoboost: Die halbe Portion, die gerne eine Ganze wäre

Ich nenne ihn zwar liebevoll Baby-Mustang, aber eigentlich begegne ich ihm alles andere als wohlwollend. Noch selten bin ich einem Testauto mit mehr Vorurteilen und Abneigung begegnet als diesem Stilbruch auf Rädern. Was habe ich im Review des V8-Mustang über den Ecoboost gelästert. Trotzdem habe ihn mir zum Test geholt. Weil ich es einfach wissen muss. Mustang und Vierzylinder: Wie fühlt sich das an? Kann das funktionieren? Oder ist nur ein V8-Mustang ein wahrer Mustang? Mal schauen…

Das Design ist die reinste Mogelpackung, denn optisch ist auch der Ecoboost ein waschechter Mustang. Das führte dazu, dass mein autobegeisterter Cousin einen Blick unter die Haube werfen wollte – und seinen Augen kaum trauen konnte. «Wo ist denn der Motor?! Der Motorraum ist ja halb leer!», war seine Reaktion. Tja, dies sei halt der sogenannte Ecoboost Mustang mit Vierzylinder-Motor musste ich ihm beibringen. Er lobte zwar das gelungene Mustang-Design, aber ansonsten schwand seine Begeisterung ziemlich rasch. Klar, geil aussehen tut auch der kleine Mustang, vor allem in diesem kräftigen Gelb, was eine echt coole Farbe ist.

Ford Mustang Ecoboost
Den abgeänderten Kühlergrill und der kleinere Frontspoiler erkennt man nur bei genauem Hinsehen.

Echte Kenner entlarven den Ecoboost anhand des leicht geänderten Kühlergrills, dem fehlenden 5.0 Schriftzug an der Flanke sowie dem fehlenden GT-Emblem am Heck. Ich bin mit dem V8-Mustang auf der Strasse keinen anderen Mustang-Fahrern begegnet, mit dem Ecoboost dafür gleich dreien – und alle haben mich gegrüsst. Offenbar ist es eine schöne Tugend unter Mustang-Fahrern, sich gegenseitig zu grüssen. Alle meine Begegnungen hatten einen V8-Mustang. In Fahrt haben sie meine Mogelpackung aber nicht erkennen können. Ob sie den Baby-Mustang auch grüssen würden, wenn sie wüssten, was da unter der Haube steckt?

Ford Mustang Ecoboost
Das Mustang Design ist einfach geil. Die Farbe steht ihm fantastisch!

Es reicht nicht, dass mir der halbe Motor fehlt, nein, auch die sonstige Ausstattung ist das pure Gegenteil von dem, was ich mir wünschen würde. Statt den tollen Recaro-Schalensitzen sind ziemlich weiche Sportsitze inklusive Sitzlüftung und teil-elektrischer Sitzverstellung verbaut. Alles Zeugs, was ich finde, braucht ein Mustang nicht. Und – noch schlimmer – er ist mit einem Automatikgetriebe ausgestattet. Ich lasse also den Motor anspringen und, nun, ich lasse das Meme für mich sprechen…

Mustang Ecoboost

Ich glaube, da springt selbst der 1,0-Liter Ecoboost Motor mit mehr Lärm an! So funktioniert das nicht. Ich muss versuchen, mich von der «Mustang = V8» Blockade zu lösen. All diese lustigen Dinge, die ich mit V8-Mustang erlebt habe – Burnout, geiler Sound, knackiges Getriebe, giftiges Heck – ich muss mir ein für alle mal klar werden, dass das mit dem Ecoboost einfach nicht möglich ist. Deshalb rolle ich mit einer möglichst neutralen Einstellung los.

Ford Mustang Ecoboost
Auch die Auspuffanlage ist optisch identisch zum V8. Aber beim Klang, da sind Welten dazwischen…

Obwohl der brummelnde V8-Sound fehlt, stellt sich das Mustang-Feeling erstaunlicherweise trotzdem ein. Die Blicke der Leute auf der Strasse, die Aussicht über die lange Motorhaube und die lässigen Instrumente sagen mir eben doch «Junge, du cruist gerade mit einem verdammten Mustang die Strasse entlang». Und weil die Temperaturen gerade ziemlich hoch sind, ist mein Finger völlig unbemerkt zur Sitzlüftung-Taste gewandert, diese Funktion, die doch ein Mustang angeblich eh nicht braucht. Ausserdem ist es doch gemütlich, die Automatik für sich arbeiten zu lassen, denn die Schalterei im Mustang ist aufgrund der harten Kupplung und der widerstandsfähigen Schaltkulisse echte Arbeit.

Ford Mustang Ecoboost
Den Ecoboost ziert ein Mustang, beim V8 prangt ein GT-Schriftzug im Kreis.

Zugegeben, ein Punkt geht an den Ecoboost. Cruisen kann er wie kein Zweiter und auch ohne V8-Sound stellt sich das Mustang-Gefühl vollends ein. Nun ist bereits der V8-Mustang kein Hardcore-Sportler, aber die V8-Power richtet eben schon mal vieles. Nominell gesehen ist der Baby-Mustang gar nicht so viel schwächer (-77 kW und -90 Nm) als sein grosser Bruder, ausserdem ist er rund 70 Kilo leichter. Es sind klare Sportwagen-Werte, die der Ecoboost und den Tag legt. Fährt er sich auch wie ein solcher?

Ford Mustang Ecoboost
Der Motorraum wirkt in der Tat etwas verlassen.

Beim richtig sportlichen Fahren ist es ein wenig ein Kampf meiner Sinne. Mein Gleichgewichtssinn gibt mir sehr deutlich zu verstehen, dass es ordentlich vorwärts geht, während mein Hörsinn «ach, tatsächlich?» dazwischen ruft. Ich habe schon lange aufgehört, mir V8-Sound zu wünschen. Aber. Zwar klingen Vierzylinder-Motoren nicht extrem aufregend, doch man kann dafür sorgen, dass auch diese Triebwerke attraktiven Sound generieren. Das ist beim Mustang scheinbar untergegangen. Sein Motor klingt nach gar nichts, und wenn er klingt, dann ist es angestrengt und irgendwie lustlos. Mit geschlossenem Fenster kriegt man einen dezenten, künstlichen Sound um die Ohren gehauen, aber was soll das hochverehrte Publikum da draussen denken? So ein Gerät, in so einer extrovertierten Farbe und dann klingt das so, als ob ein VW Polo mit 1,4-Liter TSI Motor Gas gibt. Das gibt ein ganz dickes Minus.

Ford Mustang Ecoboost
Coole Instrumente. Im V8 färben sie sich im Sport-Modus Rot, hier blieben sie Weiss.

Ich bin echt gerade ziemlich angepisst vom Sound, während ich am Berg herauszufinden versuche, was mit dem Baby-Mustang geht. Da erlebe ich ein Déjà-vu, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Es ist ein schönes Stück Strasse, drei Geraden, drei Serpentinen und in den ersten zwei Haarnadelkurven geht der Mustang schön kontrolliert und neutral ums Eck. Also habe ich jedes Mal noch eine Schippe draufgelegt und beim dritten Mal passiert’s: Zack, Heck rutscht. In genau der selben Kurve wie beim V8-Mustang! Und wie sein grosser Bruder pflegt auch Baby-Mustang den Schwenker nicht anzukündigen, sondern lässt einfach mal giftig den Arsch rausschwenken, während das ESP gar nicht zu realisieren scheint, was hier gerade abgeht. Vor allem dank den 70 Kilo weniger auf der Vorderachse habe ich in engen Kurven sogar das Gefühl, dass das Baby etwas flinker als der V8 ist.

Ford Mustang Ecoboost
Die Sportsitze sind weich und somit sehr bequem.

Das zeigt, dass tief im Inneren des Baby-Mustangs eben doch ein wahrer Mustang schlummert. Aber es kann einfach nicht durchbrechen, dieses wilde Pferd. Viel zu verhalten dreht der Ecoboost-Motor hoch, viel zu leise ist der Auspuff und viel zu träge ist die Automatik. Wahre Fahrfreude will sich so nicht wirklich einstellen. Dabei fehlt gar nicht viel. Würde man den aufgemotzten Focus RS Antrieb (in der Basis ist es ja derselbe Motor) in den Baby-Mustang einpflegen, würde das Pferd schon viel forcierter voranpreschen. So bleibt aber der Eindruck, dass das Auto eigentlich mehr will, aber nicht mehr kann. Vor allem wegen dem Automatikgetriebe ist der Ecoboost mehr Cruiser als Sportler. Man fühlt den Mustang-Groove zwar, aber dieses Auto ist der Inbegriff von mehr Schein als Sein.

Ford Mustang Ecoboost
Retro meets Moderne. Ein gelungener Mix.

Darum finde ich, kommt es auf die zwei Liter Benzin, die der grosse Mustang mehr verbraucht und die 8000 Franken Aufpreis, die er mehr kostet, echt nicht mehr darauf an. Wenn schon, denn schon. Zwar ist der Baby-Mustang an und für sich kein schlechtes Auto, trotzdem finde ich, ist das Pferd an diesem Auto etwas fehl am Platz. Ich habe das Gefühl, da wird künstlich Potenzial gedrosselt. Vielleicht ist es das ja sogar gewollt, ich weiss es nicht. Ich werde die Beweggründe der immerhin 30% an Mustang-Käufer, die sich für das Baby entscheiden, jedoch nie verstehen können.

Ford Mustang Ecoboost
Auch nach dem Test halte ich an meiner Behauptung fest: Nur ein V8-Mustang ist ein wahrer Mustang.

Alltag 3 out of 5 stars

Für zwei Personen reicht der Mustang bestens, die Rückbank taugt aber nur für Kinder. Der Kofferraum ist ausreichend gross.

Fahrdynamik 4 out of 5 stars

Eigentlich geht auch der Baby-Mustang ziemlich ab, er hat genügend Leistung. Der Automat hemmt aber, ausserdem wird man das Gefühl nicht los, dass er künstlich etwas eingebremst wird.

Umwelt 2 out of 5 stars

Mit einem Verbrauch von 10,5 l/100 km ist auch der Ecoboost Mustang alles andere als sparsam.

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

Solange der Motor nicht angelassen wird, ist alles in Ordnung. Auch der kleine Mustang schaut aus wie ein Grosser. Aber das 5.0 Emblem, das fehlt einfach…

Fazit 4 out of 5 stars

+ Geiles Design
+ Top Fahrfeeling beim Cruisem
+ Komfortables Fahrgefühl
+ Gutes Handling
+ Sehr lasches ESP
+ Bequeme Sportsitze mit Heizung und Lüftung
+ Simples Mediasystem
+ Top Soundanlage
+ Fairer Preis

– Träges Automatikgetriebe
– Schwacher Sound
– Hoher Verbrauch
– Hässliches Tagfahrlicht (Halogen-Spots)

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellFord Mustang Ecoboost
Preis Basismodell / Testwagen41 900 CHF / 48 000 CHF
AntriebBenzin, Heckantrieb
Hubraum / Zylinder2261 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang Automatikgetriebe
Max. Leistung231 kW bei 5500 r/min
Max. Drehmoment432 Nm bei 3000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h5,8 s
Vmax234 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz9,8 l/100 km / 225 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz10,5 l/100 km / 242 g/km / +7%
Länge / Breite / Höhe4,78 m / 1,92 m / 1,38 m
Leergewicht1653 kg
Koffer­raum­volumen408 l

(Bilder: Koray Adigüzel)

3 thoughts on “Ford Mustang Ecoboost: Die halbe Portion, die gerne eine Ganze wäre”

  1. Hallo, ich habe die beiden Berichte über den GT und den Ecoboost mit einem Schmunzeln gelesen :-). Der erwähnte Vorteil vom EcoBoost betreffend Sitzkühlung liegt nur daran, dass im GT die Recaro-Sitze verbaut sind. Demgegenüber ist der EcoBoost im Nachteil, weil das Automatikgetriebe träge ist? Es gibt auch EcoBoost mit Schaltgetriebe und auch GT’s mit Automatik. Die Automatik ist ja erst jetzt beim 2018er ziemlich gut gelungen. Ich bitte aber für objektive Vergleiche wie hier in Zukunft nicht ausstattungsbedingte Unterschiede zu beurteilen, sonder die Autos selbst. Die Leute, die sich für den GT entscheiden werden wissen wieso und alle die, die sich für den EcoBoost entscheiden wohl ebenfalls. Ich gehöre zu den Leuten, die sich von niemandem vorschreiben lassen, was für einen Motor sie im Auto haben. So hatte ich schon einmal einen Jeep Cherokee mit einem italienischen 2.8l Turbodiesel und jetzt, Du hast es schon erraten, einen Mustang EcoBoost mit einem deutschen 2.3 Liter EcoBoost-Motor :-). Die Verbrauchswerte dürften aber wohl in der Realität bei 8.5 Litern/100 km für den EcoBoost (getestet über 12’000km) und 13.2 Liter/100 km für den GT (getestet über 4500 km) liegen. Für einen Vielfahrer mit 30’000 km/Jahr ist das schon ein Unterschied.

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    • Hi! Danke für dein Kompliment, ich versuche, unterhaltsam zu schreiben. 😉
      Ich hatte vor dem Facelift beide Mustangs (GT manuell und Ecoboost Automatik) im Test. Der Ecoboost war in meinen Augen vor allem eine ganz schlechte Wahl, weil der Vierzylinder vom alten 6-Gang-Automat zusätzlich eingebremst worden war. Mit dem neuen 10-Gang-Getriebe läuft bestimmt auch der Ecoboost besser und ab MY19 bekommt er sogar einen Klappenauspuff, wodurch der Sound etwas, sagen wir, männlicher, wird. 😀
      Natürlich schreibe ich niemandem vor, was er zu kaufen hat. Ich publiziere nur meine Meinung, aber die muss niemand teilen. Es freut mich, wenn du mit deinem EcoBoost-Mustang zufrieden bist, zumal 8,5 l/100 km ein guter Verbrauchswert ist.

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