Wir alle kennen sie. Diese Machos, die nächtens noch die Sonnenbrille tragen, rauchend und Bier trinkend an der Hauswand lehnen und die Ärmel hochgekrempelt haben. Ihre Tattoos sind genauso unergründlich wie ihr Blick. Beiläufig wird auf den Boden gespuckt und dem Mädel mit dem knackigen Arsch hinterhergeschaut. Manieren sind schliesslich was für Weicheier. Das Bild wäre perfekt, wenn besagter Typ anschliessend in den neuen Mustang steigen würde, denn: Gleich und gleich gesellt sich gern. Auch der frisierte Hengst schert sich einen Dreck darum, was das Umfeld von ihm haltet. Mit aggressiver Optik, noch aggressiverem Sound und genauso geilen wie gestörten Features ist das Muscle Car komplett auf Krawall gebürstet. Manieren muss man ihm schon selber beibringen – sofern man das überhaupt will!
Das fängt beispielsweise beim Motorstart an. Tatsächlich bietet Ford die Möglichkeit, den V8 permanent oder zu vorgegeben Zeiten leise zu starten – im Sinne des nachbarschaftlichen Friedens. Wie bünzlig! Wer das gut findet, der soll bitte hier klicken und sich den Post des Mustang Ecoboost durchlesen, denn so eine spiessige Person hat nichts in einem Mustang GT zu suchen. Wer sich dagegen wie ich schon voller Vor- und Schadenfreude dem Auto nähern würde, weil gleich das ganze Quartier was zu hören bekommt, der ist hier richtig!
Ohne diesen Nachbarschafts-Quatsch brüllt der Wagen nämlich alles in seinem Umfeld zusammen und macht auch Nachbars Nachbar klar, dass er startbereit ist! Womit wir gleich beim ersten Highlight angelangt sind: Der neuen, klappengesteuerten Auspuffanlage. Dagegen ist das Vorfacelift-Modell das reinste Mauerblümchen. Aber dazu später mehr, schliesslich will sich das Pony erstmal warm galoppieren. Auf geht’s!
Wenig getan hat sich im Interieur. Der Testwagen verfügt über die teilelektrischen Komfortsitze mit Heiz- und Kühlfunktion. Nicht ganz mein Ding, ich würde die Recaro-Sitze empfehlen, die nicht nur perfekt stützen, sondern obendrein viel cooler aussehen! Ebenfalls cool sind die Alcantara-Verkleidungen und die Carbon-Zierelemente, die Teil eines der vier sogenannten Custom Packs sind. Das Infotainmentsystem wurde mit Smartphone-Integration auf den neusten Stand gebracht, während einen das neue, digitale Cockpit über den Stand der Dinge informiert – und für Staunen sorgt. Tempo 50, Gang 8, 1000 Umdrehungen steht dort. Wie bitte?
Möglich macht das die komplett neue 10-Gang Automatik, die das alte 6-Gang Geschwür in Rente schickt und somit erstmals eine Alternative zur Handschaltung ist. Beim gemütlichen Cruisen im Normal-Modus wählt sie schon fast absurd hohe Gänge und hält die Drehzahlen im Keller. Das Fünfliter-Triebwerk grummelt zufrieden vor sich hin, ist aber bei Bedarf blitzschnell bei der Sache, da die Automatik sowohl beim Hoch-, als auch beim Runterschalten Gänge überspringen kann.
Dass der Mustang der perfekte Cruiser ist, ist nichts Neues. Seine Reisefähigkeiten haben sich durch Annehmlichkeiten wie LED-Licht und Abstandstempomat aber weiter verbessert und dank der neuen Automatik sind auf der Langstrecke Verbräuche von rund acht Litern möglich. Damit sei fürs Protokoll gesagt, dass der Mustang durchaus in der Lage ist, einigermassen manierlich am Strassenverkehr teilzunehmen! Aber nun wird es höchste Zeit, sich dem interessanten Teil zu widmen: Dem ohne Manieren.
Um das Benehmen vom Mustang zu verschlechtern, klickt man sich über die Mustang-Taste am Lenkrad ins Auspuff-Menü und wählt dort «Race» aus. Zwar warnt das System vor irgendwas und meint, man möge doch bitte die Bedienungsanleitung konsultieren, aber ich will nur eines: Motorsound! Und den kriegt man ab sofort zu genüge. Der Mustang röhrt, brüllt und rotzt so hemmungslos und laut, dass einem insbesondere in Tunnels und Unterführungen beinahe Freudentränen kommen!
Aber das ist nur der Anfang. Die «Line Lock» genannte Burnout-Funktion ist zwar nichts Neues, doch die Geilheit der Zeremonie steigert sich angesichts des infernalischen Motorsounds noch weiter! Und weil ein Burnout alleine nicht viel bringt, haben die Ingenieure dem Mustang gleich noch einen Dragstrip-Modus implementiert, der quasi die Launch Control aktiviert. Und ich versichere, noch nie habe ich eine derart gewaltige Launch Control erlebt!
Mit angeheizten Reifen steht man also da, drückt Bremse und Gas voll durch, das ganze Auto zittert und wenn man die Bremse loslässt passiert in der ersten Sekunde – nicht ganz so viel. Die Hinterräder suchen angestrengt Traktion, doch sobald der Grip besteht, geht das Spektakel los. Der erste Gang wird ausgedreht und der Nächste mit einer Brutalität reingehauen, dass die Hinterräder beim Gangwechsel kurz durchdrehen (!) und das ganze Auto einen Satz nach vorne macht! Ohne Zugkraftunterbrechung ist da die Untertreibung schlechthin, es fühlt sich an, als sei hinten einer reingeknallt. Drehmoment Overkill, aber sowas von. Noch nie habe ich ein Auto erlebt, das dermassen aggressiv und rücksichtslos mit sich selber umgeht!
Show und Krawall beherrscht der Mustang aus dem Effeff, aber er ist vor allem zu einem ernstzunehmenden Sportwagen mutiert. Der Vorgänger kämpfte mit seinem Gewicht und förderte mit teils bösartigen wie unerwarteten Heckausbrüchen die Schweissproduktion des Fahrers. Diese Zeiten sind nun vorbei, denn neue, griffige Michelin-Sportreifen und insbesondere das optionale Magnetic Ride Fahrwerk heben das Handling auf ein ganz neues Niveau, obwohl das Pony nicht leichter geworden ist.
Beim harten Anbremsen vor der Kurve schaltet das Getriebe blitzschnell direkt mehrere Gänge runter, der V8 brüllt auf, willig lenkt das Auto ein. Wer ab dem Scheitelpunkt Vollgas gibt, erntet mahnende ESP-Eingriffe, doch bei progressivem Beschleunigen baut der Mustang erstaunlich viel Grip auf. Wie der Motor auf über 7000 Touren hochjagt, wie das Getriebe die Gänge reinballert und wie vehement die Brembo-Bremsen die Fuhre wieder einfangen – ganz grosses Kino. Zur Erinnerung: Vor fünf Jahren gab’s noch nicht einmal Einzelradaufhängung rundum…
Doch diese Zeiten sind definitiv vorbei und der Mustang schafft den Spagat zwischen gemütlichem GT und aggressivem Sportwagen besser denn je. Praktisch auf Knopfdruck kann das Wesen des Mustang zwischen «liebevoll» und «ihr könnt mich alle mal» geändert werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn man am ESP Hand anlegt. Bereits der Track-Modus ist ein verdammt heisses Eisen und lässt höchst gewagte Driftwinkel zu. Klingt unterhaltsam, kann aber böse enden, denn die Zügel des ESP sind unter Umständen länger als der Weg in die Mauer oder in den Graben.
Kaum ein Sportwagen hat heute noch einen so starken und eigenwilligen Charakter – allein deswegen muss man das Auto schon feiern. Die ganz grosse Party steigt jedoch, wenn man sich die Preise anschaut. Ab 52’400 Franken ist man dabei und selbst wer sich mit Kreuzchen auf der Aufpreisliste austobt, bleibt bei 60’000 Franken. Wo sonst bekommt man mehr motorisierten Wahnsinn für dieses Geld?
Alltag
Sofern man Städte meidet und dem Hengst auf dem Lande Auslauf gönnt, ist alles in Ordnung. Der grosse Wendekreis und die ausufernden Masse machen die Parkplatzsuche nämlich alles andere als leicht. Aber das Nachhallen des röhrenden Soundes entschädigt die Strapazen beim Manövrieren…
Fahrdynamik
Show and Shine? Von wegen! Die unaufhörliche Kraft des V8-Triebwerks sorgt für gewaltigen Schub, während das Pony dank neuer Sportreifen und optionalem Magnetic Ride Fahrwerk auch in Kurven lange stabil bleibt und mit direktem Einlenkverhalten überzeugt. Trotz verbessertem Grip ist der Mustang jedoch alles andere als harmlos und wer am ESP herumspielt, sollte wirklich wissen, was er tut.
Umwelt
12,1 l/100 km will der Mustang gemäss Norm verbrauchen, im Test waren es 12,3 l/100 km. Aber: Das Pony wurde zu Höchstleistungen getrieben, teilweise fast geschunden, so hart habe ich ihn im Test rangenommen. Ausserdem wurde jede Unterführung, jede Gasse und jeder Tunnel dazu genutzt, dem V8-Echo zu horchen. Und trotzdem: Nur 0,2 Liter Abweichung. Jeder sportliche Vierzylinder würde unter diesen Umständen locker über zehn Liter schlucken. Auf der gemütlichen Langstrecke sinkt der Verbrauch dagegen auf bis zu 8 Liter. Vielleicht sollte sich Ford ernsthaft überlegen, den Mustang GT EcoGT zu nennen…
Ausstrahlung
Dazu braucht es nun wahrlich keine Worte. Das Strahlen von Autofans jedes Alters, wenn sie den Mustang sehen und vor allem hören, sagt alles aus. Ford kann Stolz auf seine Ikone sein.
Fazit
+ Legendäres Design – jetzt auch als EU-Verion mit anständigem Lichtdesign
+ Infernalischer V8-Sound
+ Durchgeknallte Line-Lock-Funktion (Burnout)
+ Noch durchgeknallterer Dragstrip-Mode (Launch Control)
+ Sehr schnelle 10-Gang-Automatik, überspringt mehrere Gänge
+ Hoher Grip dank Magnetic Ride (optional)
+ Williges Einlenkverhalten
+ Hoher Fahrkomfort
+ Grosse Auswahl an Fahrmodi mit guter Spreizung
+ Tiefer Geräuschpegel im Innenraum
+ Bequeme Sitze, exzellente Ergonomie
+ Diverse Assistenzsyseme verfügbar, halten sich im Hintergrund
+ Mässiger Verbrauch beim Cruisen
+ Hammer Preis
– Sitzposition etwas zu hoch
– Riesiger Wendekreis
– Teilweise recht billige Materialien im Innenraum
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Ford Mustang GT |
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Preis Basismodell / Testwagen | 52 400 CHF / 60 200 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Saugmotor |
Hubraum / Zylinder | 5038 ccm / V8 |
Getriebe | 10-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 331 kW bei 7000 r/min |
Max. Drehmoment | 529 Nm bei 4500 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,3 s |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 12,1 l/100 km / 270 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 12,3 l/100 km / 274 g/km / +2% |
Länge / Breite / Höhe | 4,79 m / 1,92 m / 1,38 m |
Leergewicht | 1831 kg |
Kofferraumvolumen | 408 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Der beste Artikel zum Mustang, den ich je gelesen habe. Du scheinst die Seele des Autos erkannt zu haben. Kompliment!
PS: Es heisst „Line Lock“ (im Fazit) 😉 Und eine Soundprobe auf dem Blog wäre hier echt cool…
sehr schöne Bilder des Fahrzeugs. Schwarz steht dem Fzg sehr gut. Wie sie es aber geschaft haben sollen 12,3l Testverbrauch zu erreichen – obwohl Sie das Fzg “fast geschunden” haben sollen? Das wäre ja ein phantastischer Wert. Ich gehe eher von 14l (sparsame Fahrt) bis 16l+ aus.
Danke fürs Kompliment! Solche grossvolumigen Sauger sind gar nicht so durstig. Die Schere ist sehr gross. Bei wirklich soarsamer Fahrt sind weniger als 9 Liter möglich, wenn man den Berg hoch heizt, dann natürlich über 20 Liter. Doch der Fahranteil, wo moderat gefahren wird, überwiegt, deshalb waren es in meinem Test am Ende 12,3 Liter.