Hand aufs Herz, da ich mich bereits beim normalen Mustang Mach-E über die unpassendste Modellbezeichnung in der Automobilhistorie ausgelassen habe, wollte ich mich beim GT ausschliesslich auf die Performance fokussieren. Doch ausgerechnet der GT, der hohe Erwartungen schürte, bietet Stoff, um auf seinem Namen – achtung, Wortspiel – herumzureiten. Leider keinen guten Stoff. Das ist schade, denn im Grunde macht der Mach-E GT richtig Laune und ist das deutlich fahraktivere Auto als die zivile Version. Aber wenn es so richtig zur Sache gehen soll, wird das Auto leider bockig.
Die Optik des GT ist sehr dezent. Im Vergleich zu den normalen Versionen unterscheidet er sich mittels der aggressiveren Front inklusive Frontspoiler und schwarzem «Kühlergrill». Hinter den exklusiven 20″-Felgen schimmert die Brembo-Bremsanlage durch und auf der Heckklappe prangt gross das GT-Logo. Ein dezenter Diffusor sorgt für den nötigen sportlichen Abgang.
Amerikanisch sportlich
Auch das Cockpit erfuhr nur eine geringe Anpassung. Im GT-Modell nimmt man auf gut ausgeformten Sportsitzen Platz, die keinen Schönheitswettbewerb gewinnen und auch bei grösserer Körperfülle nicht zu eng sind. Schwarzes Velours ziert die Türen sowie einen Teil des Armaturenbretts, ansonsten ist auch der GT wie alle anderen Mach-E. Er bietet sehr gute Platzverhältnisse, aber die Rückbank ist sehr platt und nicht sonderlich bequem. Die Verarbeitungsqualität ist sehr amerikanisch, heisst, es gibt Verbesserungspotenzial.
Das Infotainment wirkt sehr modern und ist dank grossen Flächen gut bedienbar, auch dank der guten Sprachsteuerung. Jedoch sind Lade- und Reaktionszeiten immer noch nicht dort, wo sie in einem Hightech-Elektro-Modell sein sollten. Auch die native Funktion der Ladesäulen-Suche funktioniert bei weitem nicht so gut und flüssig wie bei Dritt-Anbieter-Apps. Einen echten Mustang würde man sich nicht wegen, sondern eher trotz seines Infotainmentsystems kaufen. Doch hier ist die Ausgangslage eine andere, deshalb sollte Ford diesbezüglich schnell nachbessern.
Der GT zeigt Härte
Kurzes Flashback: Der zivile Mach-E wies zwar beim sportlichen Fahrmodus eine Tendenz zum Powerslide auf, ansonsten war er aber hauptsächlich ein gutes E-SUV ohne allzu grosse sportliche Ambitionen. Das geänderte Wesen des GT hingegen kommt auf den ersten Metern zur Geltung. Das serienmässige MagneRide-Fahrwerk ist ziemlich hart, für ein SUV ist der Federungskomfort unterdurchschnittlich. Die Lenkung bietet ordentlichen Widerstand, reagiert aber sehr direkt mit guter Rückmeldung. Überhaupt lässt einen der Mach-E GT gut spüren, was so läuft, wodurch man schnell Vertrauen zum Auto aufbaut.
Wie vom Mach-E gewohnt heissen die Fahrmodi Zahm, Aktiv und Temperamentvoll, was quasi Eco, Normal und Sport entspricht. Zahm ist wortwörtlich zu nehmen, da kauft man ihm das üppige Drehmoment auch nicht ab. Dafür lässt er sich ganz gemütlich fahren. In aktiv ist dann schon deutlich mehr los, während Temperamentvoll das Gaspedal nochmals schärft und auch das Fahrwerk nachstrafft.
Die Performance ist da…
Vollstrom, doch der zu erwartende Elektro-Kick bleibt aus. Anstatt wie ein Berserker reinzuhauen, baut der Mach-E GT die Kraft schnell auf und hält sie dann linear, bis sie bei ca. Tempo 130 allmählich abnimmt. Die Beschleunigung ist mühelos und mitreissend, Power ist mehr als genug da. Ebenfalls sehr kurzen Prozess macht die Brembo-Bremsanlage. Sie beisst sehr aggressiv zu, bremst bei voller Kraft so hart wie ein waschechter Sportwagen und bleibt vor allem konstant, auch wenn man als Pony-Bändiger bei bergab-Fahrten eskaliert. Zudem ist der Gegendruck im Pedal trotz Rekuperation sensationell. Unter allen Elektroautos definitiv eine der besten Bremsanlagen überhaupt, das rechne ich Ford hoch an.
Generell könnte man bei einem Elektro-Allrad-SUV davon ausgehen, dass der Fokus auf neutrales Fahren gelegt ist. Doch der Mach-E GT beruft sich dabei auf seine, nun ja, Rasse und schickt gerne mehr Kraft an die Hinterachse. Das Ergebnis ist ein sehr hecklastiges und sehr spassiges Fahrerlebnis, zarte Slides sind im Temperamentvoll-Modus auch mit ESP drin. Einen ESP-Sport-Modus gibt es leider nicht und wer das ESP ganz deaktiviert muss wissen, dass dieser Wagen unter Umständen sehr heftig und manchmal auch plötzlich quer gehen kann.
Kurios ist nämlich, dass der Elektro-Mustang sich nicht immer gleich verhaltet. Manchmal ist die Traktion bombastisch und bei der nächsten Kurve fühlt sich der Wagen an wie ein Hecktriebler. Das macht das Fahrverhalten zwar unterhaltsam, aber auch etwas unberechenbar. Hinsichtlich des Mustang-Logos aber ein coole Sache und definitiv ein Alleinstellungsmerkmal unter der mittlerweile doch recht grossen Auswahl an Elektro-SUVs mit Power.
…doch sie lässt nach
Definitiv weniger unterhaltsam und leider ein Alleinstellungsmerkmal im negativen Sinne ist die Ausdauer des Mach-E GT. Wer das Auto aus der Reserve lockt und auf einer Bergfahrt wiederholt voll aus jeder Kurve beschleunigt, spürt bereits nach rund fünf Beschleunigungen einen deutlichen Leistungsverlust. Es wird auch im Cokpit sichtbar, dass nicht mehr die volle Power zur Verfügung steht. Gönnt man dem Auto eine kurze Pause, ist schnell die volle Kraft wieder da, aber wenn man mal richtig auf einen Pass fliegen will, dann regelt das Auto bis zu einem Drittel Leistung weg und gibt sie auch nicht mehr frei.
Das ist absolut nicht das, was man von einem Performance-Auto erwartet. Es gibt zwar einen Temperamentvoll Plus Modus, der genau diesem Problem entgegen wirken soll. Allerdings nimmt dieser Modus das ESP weitgehend zurück und Ford weist im Menü ausdrücklich darauf hin, dass dieser Modus für die Rennstrecke gedacht ist. Für mich sind das noch lange keine Gründe, den Modus nicht zu aktivieren, jedoch war der Modus fast immer ausgegraut und somit nicht aktivierbar.
Mit dieser Kritik konfrontiert meinte der Produktverantworliche von Ford, dass die bei hoher Belastung auftretende Leistungseinschränkung grösstenteils durch thermische Gründe zur Schonung der Batterie bzw. des Antriebsstrangs bedingt sei. Die thermische Belastung ist auch eine Einschränkung, die den Temperamentvoll Plus Fahrmodus zeitweise ausgraut. Jedoch heisst es seitens Ford Schweiz, dass dieses dauerhafte Ausgrauen nicht normal sei und möglicherweise beim Testwagen ein Fehler vorliegt.
Der Ansatz ist gut
Leistungsstarke Elektro-SUVs gibt es immer mehr. Daher ist es ein kluger Schachzug von Ford, den Mach E-GT nicht als eiskalten Vollstrecker sondern als spassiges Sport-Auto auf die Strasse zu schicken. Man weiss nicht immer genau, wohin er jetzt die Kraft verteilt, man weiss nie genau, ob er jetzt mit dem Heck zucken wird. Das sorgt für sehr viel Fahrspass, zumal das Handling für ein fast 2,4 Tonnen schweres Schiff verdammt knackig und präzise ist.
Die Bremse beweist unbändiges Durchsetzungsvermögen doch leider kann man das vom Antrieb nicht behaupten. Wäre die Beschleunigung so anhaltend kompromisslos wie die Brems-Leistung, würde ich diesem Auto wohl das Prädikat des spassigsten Performance-Stromers geben. So aber bleibt zwar der Preis von rund 85’000 Franken sehr fair, allerdings gibt das Auto den Takt vor und nicht der Fahrer.
Alltag
Die Alltagstauglichkeit ist mit grossem Frunk, üppigen Platzverhältnissen, zahlreichen Ablagen und vernünftigem Wendekreis durchwegs gegeben. Die Ladeleistung von 150 kW ist zwar nicht überragend, aber ausreichend.
Fahrdynamik
Der Durchzug ist – sofern die volle Leistung anliegt – mächtig und schön linear. Besonders hervorzuheben sind die sehr bissige und standfeste Bremse, das straffe aber sehr effektive MagneRide-Fahrwerk und generell das willige und scharfe Handling trotz hohem Gewicht. Das Feedback des Autos ist gut, man spürt was es macht mit Ausnahme der Kraftverteilung. Das Heck ist etwas unberechenbar, aber eigentlich steigert das die Fahrfreude.
Umwelt
Trotz hoher Leistung bleibt der Verbrauch mit 22,3 kWh/100 km in einem vernünftigen Rahmen. Trotzdem ist die realitische Reichweite von 345 Kilometern nicht gerade herausragend.
Ausstrahlung
Das Thema Mustang lassen wir jetzt mal sein, da kann jeder davon halten, was er will. Klar ist aber, dass das Auto auffällt und über eine sehr sportliche und dennoch nicht prollige Präsenz auf der Strasse verfügt.
Fazit
+ Auffälliges, sportliches Design
+ Grosser Touchscreen und einfache Bedienung
+ Umfangreiche Online-Dienste und gute Sprachsteuerung
+ Üppige Platzverhältnisse, grosser Frunk
+ Bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt
+ Lineare, leicht aufbauende Beschleunigung
+ Direkte Lenkung mit sehr guter Rückmeldung
+ Williges Einlenkverhalten, knackiges Handling
+ Kräftige und standfeste Bremse mit sehr angenehmem Gegendruck
+ Amüsant hecklastiger Antrieb
+ Matrix-Licht
+ Akzeptabler Verbauch
+ Fairer Preis
– Infotainmentsystem reagiert zuweilen träge
– Mässige Verarbeitungsqualität
– Nachlassende Leistung im sportlichen Fahrbetrieb
– Notbremsassistent generiert hin und wieder Fehlalarme, respektive reagiert zu sensibel
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Ford Mustang Mach-E GT |
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Preis Basismodell / Testwagen | 81 500 CHF / 84 950 CHF |
Antrieb | Elektrisch, Allradantrieb |
Akkukapazität | 98,7 kWh (brutto) / 91,0 kWh (netto) |
Max. Leistung | 358 kW |
Max. Drehmoment | 860 Nm |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,4 s |
Vmax | 200 km/h (elektronisch abgeregelt) |
WLTP-Verbrauch / Energieeffizienz | 20,0 kWh/100 km / A |
Test-Verbrauch / Differenz | 22,3 kWh/100 km / +12% |
WLTP-Reichweite | 500 km |
Ø Test-Reichweite | 345 km |
Max. Ladeleistung (DC) | 150 kW |
Länge / Breite / Höhe | 4,71 m / 1,88 m / 1,61 m |
Leergewicht | 2360 kg |
Kofferraumvolumen | 519 - 1420 l + 100 l Frunk |