Mit dem G70 Shooting Brake hat Genesis sein Europa-Debüt hingelegt. Mittlerweile ist das Portfolio kräftig gewachsen, auch mehrere Elektrofahrzeuge sind dazugekommen. Der G70 dagegen ist noch ganz klassisch mit einem Verbrenner ausgerüstet und wirkt generell nicht so digital und modern wie manch anderes neues Auto. Seine Distanzierung zur automobilen Gegenwart und Zukunft ist sowohl sein Plus, als auch seine Achillesferse. Aber die kann er vielleicht mit seinem Design wieder ausgleichen…
Der Genesis G70 hat im asiatischen und amerikanischen Raum bereits bekannt, denn in den dortigen Märkten kam er bereits 2017 als Limousine auf den Markt. 2021 folgte ein Facelift und rechtzeitig zum Europa-Debüt schob Genesis exklusiv für die hiesigen Märkte den Shooting Brake nach, die Limousine wird hierzulande ebenfalls angeboten. Der schnittige Kombi hebt sich optisch stark von seinen Konkurrenten ab, denn abgesehen von Mercedes mit dem CLA Shooting Brake setzen immer mehr Hersteller auf Crossover als Lifestyle-orientierte Autos.
Der Tribut des Designs
Ein Raumwunder ist der G70 nicht, denn mit seiner langen Haube aufgrund der Längsmotor-Architektur und dem stark abfallenden Dach geht im Verhältnis zur Länge einiges an Raum «verloren». Vorne sitzt es sich sportlich tief, im Fond ist es ebenfalls, wie soll ich es ausdrücken, sportlich kuschlig. Der Kofferraum ist zwar recht tief und reicht für den Alltag oder sportliche Freizeit-Aktivitäten aus, für sperrige Gegenstände wie Hundezwinger oder Kinderwagen ist der G70 Shooting Brake nicht die erste Wahl.
Ein Musterbeispiel an Benutzerfreundlichkeit
Dass der G70 im Grunde bereits sechs Jahre auf dem Buckel hat, sieht man dem Cockpit an. Es ist sehr konventionell gestaltet, mit einer Mittelkonsole, welche mit einer Vielzahl an Knöpfen versehen ist. Sieht vielleicht nicht fancy aus, aber dafür ist die Bedienung – auch während der Fahrt – so simpel wie sie nur sein kann. Das digitale Cockpit ermöglicht ein paar Darstellungsoptionen, imitiert aber stets klassische Rundinstrumente. Das Infotainmentsystem gewinnt zwar keinen Technik-Award, ist aber mit Online-Navigation und einer fähigen Sprachsteuerung der Positionierung des Autos angemessen.
Der G70 ist im Genesis-Portfolio unten angesiedelt und zählt zu den Einstiegsmodellen. Doch was die Qualität und die Verarbeitung angeht, macht Genesis generell keine halben Sachen. Auch hier werten grosszügig hochwertiges Leder, Aluminium-Applikationen und ein Mikrofaser-Dachhimmel das Ambiente auf. Hier und da kommt Kunststoff zum Einsatz, aber der ist geschäumt und genauso hochwertig eingebettet wie alles andere auch. Ebenfalls lobenswert: Während viele Hersteller im Fond sparen und weniger hochwertige Materialien wie im Cockpit verwenden, zieht Genesis seinen Qualitäts-Anspruch voll durch und verkneift sich irgendwelche mehr oder weniger offensichtlichen Spar-Kniffs.
Bruder im Geiste
Genesis positioniert die G70-Modellreihe selbstbewusst als sportliche Autos. Ein Blick unter die Haube mit zwei überdeutlichen Verstrebungen sowie eine kurze Recherche im Internet bestätigen, dass die keine heisse Marketing-Luft ist. Der G70 basiert nämlich auf derselben Plattform wie der Kia Stinger und wird ausserhalb Europas auch mit dem V6-Motor angeboten. In anderen Worten: Wäre dieses Auto ein Kia, so würde nichts Geringeres als ein Kia Stinger Shooting Brake hier stehen.
Dass der G70 Shooting Brake kein Kuschel-Kombi ist, wird bereits im Comfort-Modus deutlich. Bereits hier zeigt sich eine verbindliche Fahrwerksabstimmung in Verbindung mit einer präzisen Lenkung. Ausreichend Restkomfort ist zwar mehr als genügend vorhanden, da er mit 19-Zöllern nicht so hart abrollt. Aber die vorhanden Sportlichkeit ist spürbar. Schön ist, dass auf der Autobahn die Geräuschdämmung sehr effektiv ist, sodass der schicke Kombi auf der Langstrecke ebenfalls eine ausgezeichnete Wahl ist.
Das Problem mit dem Motor
Unter der Haube werkelt ein Zweiliter-Turbo mit 147 kW. Dieses Aggregat macht aus dem Genesis natürlich keine Rakete, doch dank seines breit anliegenden Drehmoments reicht es aus, um den Wagen druckvoll zu beschleunigen. Der Klang ist dabei weder prickelnd noch störend. Was den G70 im Sport-Modus wirklich sportlich macht ist nicht sein Motor, sondern das straffe Fahrwerk sowie der heckbetonte Allradantrieb.
Bereits ohne die optionale Brembo-Bremse des Sport-Pakets bietet der Kombi einen guten Druckpunkt der Bremse. Die Lenkung vermittelt ein gutes Feedback und spricht erfreulich direkt an. In Zusammenspiel mit dem spontan agierenden Getriebe kommt so ordentlich Fahrspass auf, der sich mit dem Sport+ Modus mit deaktiviertem ESP sogar noch weiter steigern lässt: Stichwort heckbetonter Allrad.
Mit dem Benziner käme man grundsätzlich ganz gut klar, obwohl man sich im Geiste den Shooting Brake gerne mit dem V6 aus dem Kia Stinger vorstellt. Doch das Problem ist, dass der Vierzylinder für seine Leistung zu viel Benzin schluckt. Bereits im normalen Betrieb kriegt man ihn kaum unter 9 Liter, am Ende waren es im Schnitt gar 10,1 l/100 km. Um diese Leistung zu rechtfertigen, müssten aber rund 100 kW mehr im Datenblatt stehen.
Ansprechendes Gesamtpaket
Der Verbrauch trübt das ansonsten glanzvolle Bild des G70 Shooting Brakes. Der Testwagen kostet 71’640 Franken und bietet dafür gewohnt brillante Qualität in Genesis-Manier, extrem umfassende Ausstattung und ein Handling, das wirklich Spass macht. Ausserdem sind derart stylische Kombis rar geworden, was den G70 Shooting Brake nur umso begehrenswerter macht. Dass er insgesamt nicht der praktischste Wagen ist und sich als durstig erweist, muss man wissen. Ansonsten ist der G70 ein Blickfang, der sich stark von seinem Umfeld abhebt.
Alltag
Das Raumangebot im Verhältnis zur Grösse ist lediglich durchschnittlich. Die schmalen Fenster und breiten Säulen schränken die Rundumsicht ein, der Wendekreis ist ziemlich gross.
Fahrdynamik
Das schwächste Glied im G70 ist der Motor, der zwar genügend Druck liefert, aber seinen Dienst emotionslos und austauschbar verrichtet. Viel fröhlicher wird man vom agilen Einlenkverhalten, des knackigen Fahrwerks und des tollen Druckpunktes der Bremse gestimmt.
Umwelt
Für einen ordinären Vierzylinder ist der Motor im G70 zu durstig. 10,1l/100 km Testverbrauch lassen sich nicht schönreden. Auch auf der Langstrecke lässt sich der Motor kaum auf unter 9 Liter bringen, was definitiv nicht mehr zeitgemäss ist.
Ausstrahlung
Optisch überzeugt der G70 Shooting Brake auf ganzer Linie. Sportlich-elegant mit gewagten Scheinwerfern und einzigartiger Kombiheck-Interpretation.
Fazit
+ Elegantes und sportliches Design, bringt frischen Wind ins Kombi-Segment
+ Sehr hohe Verarbeitungsqualität, wertige Materialien
+ Sportliche Sitzposition, bequeme Sitze mit gutem Seitenhalt
+ Sehr einfache Bedienbarkeit dank vieler Knöpfe
+ Online-Navigation mit guter Sprachsteuerung
+ Deutliche Spreizung der Fahrmodi
+ Niedriger Geräuschpegel
+ Zuverlässige und fehlerfreie Assistenzsysteme
+ Heckbetonter Allradantrieb
+ Knackiges Handling
+ Fairer Preis
– Raumangebot eher knapp bemessen
– Hoher Verbrauch
– Grosser Wendekreis, schlechte Rundumsicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Genesis G70 Shooting Brake |
---|---|
Preis Basismodell / Testwagen | 47 600 CHF / 71 640 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1998 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 147 kW bei 6200 r/min |
Max. Drehmoment | 353 Nm bei 3500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 6,6 s |
Vmax | 240 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 9,6 l/100 km / 217 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,1 l/100 km / 228 g/km / +5% |
Länge / Breite / Höhe | 4,69 m / 1,85 m / 1,40 m |
Leergewicht | 1787 kg |
Kofferraumvolumen | 465 - 1535 l |