Honda Civic: Der will nur spielen

Der Honda Civic Type R ist aufgrund seines Nordschleifen-Rekords und der Tatsache, dass er einer der kompromisslosesten Hot Hatches ist, in aller Munde. Dabei bleibt der normale Civic beinahe auf der Strecke. Man sollte allerdings nie vergessen, dass der Type R niemals so scharf sein könnte, wenn nicht schon die Basis stimmt. Der Civic steht, milde ausgedrückt, nicht gerade zuoberst auf der Hitliste der beliebtesten Kompakten hierzulande. Doch seine Stärken werden massiv unterschätzt!

Der japanische Kompakte, der nunmehr schon in der zehnten (!) Generation antritt, hat sich deutlich gewandelt. Er sieht nicht mehr wie das klassische Kompaktauto aus, sondern eher wie eine Fliesshecklimousine. Das macht ihn rund 20 Zentimeter grösser als die Konkurrenz. Doch es ist nicht nur die Form, die ihn optisch abheben lässt. Im hier gezeigten Sport-Trimm sieht bereits der normale Civic ziemlich extrem aus, fast schon wie ein Badmobil. Mir gefällt’s, aber wem es so viel ist, dem sei gesagt, dass das Sportkit kein Muss ist. Es geht auch dezenter.

2017 Honda Civic
Die übergrossen Fake-Luftauslässe sind ziemlich übertrieben.

Das Cockpit ist bei den Japaner immer so eine Sache. Auch beim Civic ist man – obwohl aufgeräumt wurde – immer noch von der deutschen Akribie und Übersichtlichkeit ein Stück weit entfernt. Das mittlerweile digitale Cockpit ermöglicht diverse Nebenanzeigen. Bis man sich durch alles durchgeklickt und die Bedienung des überfrachteten Lenkrads kapiert hat, dauert es einen Moment. Das Ganze ist aber hübsch angeordnet und sieht ziemlich futuristisch aus, passend zum äusseren Look.

2017 Honda Civic
Verhältnismässig kleine 17-Zöller sorgen für wenig Reifengeräusche und geringen Rollwiderstand.

Doch der Japaner hat auch ganz rationale Argumente. Vom Grössenzuwachs profitiert das Platzangebot – und zwar überall. Die Beinfreiheit auf der Rückbank kann sich genauso sehen lassen wie das Kofferraumvolumen von 420 Litern, obwohl die leichte Erhöhung am Ende des Kofferraums störend ist. Ein regelrechtes Raumwunder ist dafür die Mittelkonsole. Wenn man das Teil, das zwei kleine Flaschen aufnehmen kann, entfernt und ins Handschuhfach stellt, dann würde beinahe ein kleiner Einkauf dort hinein passen! Doch der Civic hat nebst seinen praktischen Stärken auch noch andere Talente.

2017 Honda Civic
Futuristisch anmutendes Cockpit. Es dauert ein wenig, bis man sich zurechtfindet.

Unter der Haube werkelt ein komplett neuer, 1,5-Liter Turbobenziner mit 134 kW. Diese müssen lediglich 1378 Kilo in Schwung bringen – und das geht leicht von der Hand. Überhaupt, wenn man dieses Auto mit einem Wort beschreiben müssten, dann mit diesem: Leichtigkeit. Der Turbomotor dreht gerne und knurrig hoch und es ist eine Wonne, mit dem kurz gestuften, knackigen Schaltgetriebe die Gänge zu wechseln! Die Lenkung ist leichtgängig, aber sehr präzise und das Fahrwerk sorgt im Sport-Modus mit strafferen Dämpfern für weniger Seitenneigung. Der Civic ist definitiv eher ein Fall für die Bergstrasse, als die Autobahn!

2017 Honda Civic
Die Sitzposition ist tief (leider nur auf der Fahrerseite) und die Materialien sind solide.

Das heisst jedoch nicht, dass er eine schlechte Figur abgibt, sobald man cruist, oder auf der Autobahn Kilometer frisst. Obwohl auf der Autobahn aufgrund des kurz übersetzten Getriebes rund 3000 Umdrehungen anliegen, bliebt der Motor ruhig. Weiter kommen eine windschlüpfrige Karosserie und keine grossen Räder zum Einsatz – infolge dessen ist der Civic auf der Autobahn erstaunlich leise.

2017 Honda Civic
Der drehfreudige Vierzylinder passt besser zum Civic als der schwächere Dreizylinder.

Besonders erwähnenswert ist das umfangreiche Assistenzpaket. Während die meisten Hersteller daraus viel Geld machen, schenkt Honda einem fast alles. Notbremsassistent mit Fussgängererkennung, Abstandstempomat, aktiver Lenkassistent, Verkehrszeichenerkennung – alles Serie! Lediglich der Tot-Winkel-Warner kostet extra.

2017 Honda Civic
Ausgefeilte Aerodynamik am Heck.

Das bringt mich allgemein zum Thema Geld. Um es kurz zu machen: So ein Civic ist ein regelrechtes Sonderangebot! Der nahezu komplett ausgestattete Testwagen kostet gerade mal 33’950 Franken, das Einstiegsmodell mit Dreizylinder-Motor ist sogar bereits ab 21’900 Franken erhältlich. Dagegen sind die Preise von deutschen Herstellern geradezu Wucher, aber auch andere günstigere Marken wie Seat oder Hyundai können die Honda-Preise kaum unterbieten. Mit seinem sensationellen Preis, dem sportlichen Fahrverhalten und kaum negativen Überraschungen im Test ist der Civic ein echter Geheimtipp. Komischerweise scheinen viele die Marke Honda nicht auf dem Radar zu haben. Dabei zeigt der Civic eindrucksvoll, dass es sich lohnt, etwas weiter als bis zum nächsten VW-Händler zu denken.

2017 Honda Civic
Für wenig Geld bietet der Civic nicht nur Sportlichkeit, sondern auch noch viel Platz!

Alltag 5 out of 5 stars

Während Kompaktautos im Normalfall eher ein knappes Platzangebot anbieten, kann der Civic da deutlich mehr einstecken. Er bietet viel Platz sowie viele und grosszügig bemessene Ablagen. Ausserdem ist er trotz Grössenzuwachs immer noch handlich.

Fahrdynamik 4 out of 5 stars

Obwohl nur das Fahrwerk separat versteift werden kann, ist der Civic ein sportlicher Zeitgenosse. Seine leichtgängige Lenkung ist präzise und gibt gutes Feedback, die Balance ist so gut, dass sich das ESP praktisch nie genötigt fühlt, einzugreifen. Es macht richtig Spass, es in diesem Auto flotter anzugehen!

Umwelt 4 out of 5 stars

7,0 Liter inklusive sportlichen Testfahrten geben keinen Anlass, sich zu beschweren. Im Alltag dürfte man mit 6,5 l/100 km auskommen.

Ausstrahlung 4.5 out of 5 stars

Der Civic sieht so aus, wie er sich fährt: Sportlich. Die schnittige Front macht Eindruck, genauso wie die schicke Dachlinie und die zwei Endrohre. Einzig die grotesken Fake-Lüftungsgitter am Heck sind zu viel des Guten.

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Schnittiges, extrovertiertes Design
+ Bequeme Sitze, tiefe Sitzposition
+ Exzellentes Raumangebot
+ Tadellose Verarbeitung
+ Sehr agiles und direktes Handling
+ Drehfreudiger Motor
+ Knackige Handschaltung
+ Sehr viele Assistenzsysteme verfügbar, fast alle serienmässig
+ Akzeptabler Verbrauch
+ Sehr fairer Preis

– Empfindlicher Notbremsassistent (deaktivierbar)
– Teils träges Infotainmentsystem, angestaubtes Navi
– Beifahrersitz nicht höhenverstellbar

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellHonda Civic
Preis Basismodell / Testwagen21 900 CHF / 33 950 CHF
AntriebBenzin, Frontantrieb
Hubraum / Zylinder1498 ccm / R4
Motoranordnung / MotorkonzeptFrontmotor / Turbomotor
Getriebe6-Gang manuell
Max. Leistung134 kW bei 6000 r/min
Max. Drehmoment240 Nm bei 1900 - 5000 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h8,3 s
Vmax220 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz5,8 l/100 km / 133 g/km / E
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz7,0 l/100 km / 161 g/km / +21%
Länge / Breite / Höhe4,52 m / 1,80 m / 1,43 m
Leergewicht1378 kg
Kofferraumvolumen420 - 1187 l

Bilder: Koray Adigüzel

1 thought on “Honda Civic: Der will nur spielen”

  1. Gutes Erfahrungsbericht! Bin selber Liebhaber von japanischen Herstellern und suche nach einem passenden 4-Räder. Das würde mir gut passen!

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