Ein weisser Honda HR-V. Gibt es ein unschuldigeres Automobil? Normalerweise versuchen die SUVs immer, optisch Eindruck zu schinden, wirken häufig grösser und kräftiger, als sie es tatsächlich sind. Solches Gehabe ist dem Japaner fremd. Er wirkt so zurückhaltend und schüchtern, dass man ihm fast keine Vorwürfe machen kann. Ausserdem verzichtet er auf den eh überflüssigen Allradantrieb und hat einen vorbildlichen Verbrauch vorzuweisen. Anstatt auf Leistung setzt er auf Platz – viel Platz. Der HR-V ist der klassische Strebertyp: Langweilig, aber clever.
Obwohl der HR-V zwar sehr brav aussieht, ist er nicht unbedingt langweilig designt. Der schwarz abgesetzte Kühlergrill, die Sicken in der Seite, die abfallende Fensterlinie sowie die getarnten Türgriffe sind schöne Designmerkmale. Alles in allem wirkt der HR-V ruhig, aber nicht langweilig. Die sehr lang geratene Heckklappe verleiht im jedoch einen Hängearsch, was von hinten nicht besonders sexy wirkt.
Das Interieur wirkt da schon eher aufregender. Zum einen gibt es kaum ein Anderes, welches so clean ist. Ich habe gerade einmal sieben (!) Knöpfe gezählt (ohne jene auf dem Lenkrad). Die Klimaautomatik wird über ein schickes Touchpanel gesteuert und geht sehr einfach von der Hand. Keine fummeligen Sensoren, sondern schnelle Reaktion. Der Rest wird übers Mediasystem gesteuert, welches insbesondere bei der Navigation etwas altbacken daherkommt, ansonsten aber einfach zu bedienen ist. Die Materialien sind erfreulich hochwertig, auch die Türen sind komplett mit flauschigem Stoff verkleidet.
Der Clou kommt aber erst noch. Für seine 4,29 Meter Länge ist der Japaner enorm geräumig. Sein Geheimnis ist, dass sich der Tank unter den Vordersitzen befindet. So ist nicht nur der Kofferraum sehr flach und gross, sondern es befindet sich eine leere Fläche unter den Rücksitzen. Diese Magic Seats genannten Rücksitze lassen sich super einfach mit einem Handgriff hochklappen, womit hinter den Rücksitzen viel Platz für allerlei sperriges und vor allem hohes Zeugs entsteht. Beispielsweise könnte ein Fernseher auf diese Art und Weise transportiert werden.
Wie der HR-V aussieht, genauso fährt er sich: Zurückhaltend. Dies trifft aber leider nicht auf den Motorsound zu, denn der Diesel ist ein brummiger Geselle, der akustisch stets präsent ist. Beim starken Beschleunigen rumpelt er stark hörbar in den Innenraum. Für das gemütliche Mitschwimmen im Verkehr ist der Diesel gut geeignet, auch für ein Überholmanöver ist dank genügend Drehmoment Kraft vorhanden. Typisch für einen Japaner, ist das Getriebe herrlich knackig und präzise zu schalten. Am Berg geht dem Diesel dann aber schnell die Luft aus. Bereits ab 3000 Umdrehungen wird es sehr zäh. Überhaupt ist die Fahrdynamik nicht die Rede wert.
Das Handling vom HR-V ist so schwammig, dass man es besser beim Cruisen belässt. Doch selbst beim gelassenen Dahingleiten nervt der überempfindliche Kollisionswarner. Selbst wenn noch mehr als genügend Zeit zum runterbremsen besteht, piepst der HR-V nervös herum. Gott sei Dank lässt sich dieses nervige System deaktivieren. Auch der piepsende Spurhalteassistent bringt’s nicht, weshalb auch er stets deaktiviert war. Ohne das Piepsen ist die Fahrt im kleinen Japaner sehr entspannend. Der Fahrkomfort ist hoch, die Ergonomie passt. Leider sind auf der Autobahn deutliche Windverwirbelungen über dem Fahrerfenster auszumachen. Das ist schade, denn eigentlich wäre der HR-V ziemlich leise. Ein besonderes Lob verdient er aber für seine Trinksitten. Mit einem Verbrauch von nur 5,0 l/100 km gehört er zu den sparsamsten Autos, die ich jemals getestet habe. Hut ab!
Wer keinen Allradantrieb braucht und einen kleinen, geräumigen SUV sucht, ist mit dem HR-V goldrichtig. Da die angepeilte Kundschaft sowieso ein gewisses Alter hat, dürfte die mangelnde Fahrdynamik kein Thema sein. Der raue Diesel entschädigt durch den sehr tiefen Verbrauch. Es sind vor allem Details, die ein wenig stören: etwa die Windgeräusche, LED-Licht, welches sich aber nur aufs Abblendlicht bezieht, oder das altbackene Navi. Unter dem Strich ist der HR-V aber komfortabel, geräumig und mit einem Testwagenpreis von 32’250 Franken all inclusive auch ziemlich günstig.
Alltag
Für seine kompakte Grösse ist der HR-V ein echtes Raumwunder. Vor allem der Kofferraum, die Beinfreiheit und die Magic Seat überzeugen. In Fahrt gefällt sein hoher Komfort.
Fahrdynamik
Abgesehen vom knackigen Getriebe hat der HR-V leider nichts zu bieten, was auch im entferntesten Fahrspass bieten könnte. Das Handling ist schwammig und dem brummigen Diesel geht schnell die Puste aus.
Umwelt
Ein Verbrauch von 5,0 l/100 km im Test erlebe ich selten. Gute Leistung!
Ausstrahlung
Dezentes, aber feines Styling. Sieht gut aus, ohne aggressiv daherzukommen. Einzig die lange Heckklappe verleiht ihm einen Hängearsch.
Fazit
+ Enormes Platzangebot
+ Variabler Innenraum
+ Magic Seats
+ Cleanes, schickes Interieur
+ Gute Verarbeitung, schicke Materialien
+ Umfangreiche Ausstattung
+ Tiefer Verbrauch
+ Fairer Preis
+ Sehr komfortables Fahrverhalten
– Übereifriger Kollisionswarner (deaktivierbar)
– Deutliche Windgeräusche beim Fahrerfenster
– Schwammiges Handling
– Kein LED-Fernlicht
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell Honda HR-V Preis Basismodell / Testwagen 22 500 CHF / 32 250 CHF Antrieb Diesel, Frontantrieb Hubraum / Zylinder 1597 ccm / R4 Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Turbomotor Getriebe 6-Gang manuell Max. Leistung 88 kW bei 4000 r/min Max. Drehmoment 300 Nm bei 2000 r/min Beschleunigung 0–100 km/h 10,5 s Vmax 192 km/h NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz 4,1 l/100 km / 108 g/km / A Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz 5,0 l/100 km / 132 g/km / +22% Länge / Breite / Höhe 4,29 m / 1,77 m / 1,61 m Leergewicht 1404 kg Kofferraumvolumen 470 - 1533 l
(Bilder: Koray Adigüzel)