Hyundai – Emotionen? Nicht wirklich. Dabei wissen viele Leute wahrscheinlich gar nicht, dass die Südkoreaner einen richtigen Muskelprotz im Portfolio haben: Das Genesis Coupé, welches nicht nur unverschämt scharf aussieht, es lässt auch die Herzen von Sportwagenfans höher schlagen. Und wie bei Hyundai üblich, ist der Preis beinahe schärfer als das Auto selber. Zugegeben, das Genesis Coupé hat auch seine Schwächen, aber letztendlich muss nur das Bauchgefühl stärker sein als der Kopf – und das Coupé macht es dem Bauch ziemlich leicht.
Neu ist das Genesis Coupé eigentlich nicht, die erste Version wurde bereits 2008 lanciert. Im Jahr 2012 folgte das Facelifting, bei dem optisch vor allem die Front mit dem hexagonalen Kühlergrill deutlich geschärft wurde. Ebenfalls richtig geschärft wurden die Motoren, die ein ansehnliches Leistungsplus erhielten. 2013 schaffte es das Genesis Coupé schliesslich in die Schweiz, allerdings nur 50 mal. Von diesen 50 Autos sind immer noch welche zu kaufen. Wenn diese dann vergriffen sind, ist das Genesis Coupé leider nur noch eine schöne Erinnerung, denn in Europa wurde das schicke Coupé mangels Nachfrage bereits Ende 2013 eingestellt.
Abgesehen von der neuen Front, die hämisch zu grinsen scheint, hat sich beim Facelift nicht viel verändert. Nach wie vor verfügt der südkoreanische Sportwagen über die perfekten Proportionen. Auffällig sind die Sicke hinter der Türe in der Fensterlinie und der markante Heckspoiler. Schwach finde ich die beiden gefakten Luftauslässe auf der Motorhaube, da sie lediglich ein geschlossenes Stück Kunststoff sind und keinerlei Nutzen haben. Hyundai hätte besser zwei richtige Kühlöffnungen verbaut.
Der Innenraum ist vergleichsweise dezent, da alles schwarz in schwarz gehalten ist. Die Sportsitze sind da noch das auffälligste, gleichzeitig sind sie sehr bequem und bieten einen hervorragenden Seitenhalt. Ein netter Gag sind die drei Anzeigen für Beschleunigung, Drehmoment und Öltemperatur in der Mittelkonsole, an denen sich der Beifahrer amüsieren kann. Wenn die beiden Nadeln für Beschleunigung und Drehmoment allerdings am Anschlag sind, vermisste mein Beifahrer einen Haltebügel am Dach, wie es eigentlich Usus ist, schmerzlich. Vielleicht sollte Hyundai in Zukunft die Prioritäten etwas überdenken… Immerhin bleibt dem Beifahrer ein massiver Griff in der Türe.
Ansonsten ist das Interieur weitgehend wie in allen anderen Hyundais. Die Verarbeitung ist angesichts des Preises sehr gut und die beiden Notsitze im Fond sind im Gegensatz zu anderen Coupés für kleinere Passagiere durchaus zu gebrauchen. Schade, hat das Geld nicht mehr für ein Mediasystem inklusive Navi gereicht. Die Radioeinheit ist sehr umständlich zu bedienen und die Sprachsteuerung ein Graus. Zudem hat während dem Audiostreaming das Wechseln zwischen den Musiktiteln nicht funktioniert. Der Kofferraum fasst 332 Liter, was für ein Coupé in Ordnung ist. Als Entführungsfahrzeug taugt das Genesis Coupé übrigens nicht: Der Kofferraumdeckel lässt sich nämlich vom Kofferrauminnern entriegeln. Da merkt man, dass dieses Auto für die USA gedacht ist.
Unter der Haube steckt von Hyundai ungewohnt grobes Geschütz: Ein frei saugender 3.8 Liter V6 Benziner dreht bis fast 7000 Umdrehungen und lässt 255 kW und 400 Nm an der Hinterachse wirken. Natürlich verrichtet der mächtige Motor die Arbeit nicht umsonst, ganze 10.0 Liter möchte er sich pro 100 km dafür reinziehen. Auf dem Prüfstand, wohlgemerkt. Angesichts des happigen Verbrauchs, drängt sich im ersten Moment eventuell der ebenfalls verfügbare, 2.0 Liter Turbobenziner als Alternative auf. Der ist dem Sport mit einer Leistung von 202 kW und einem Drehmoment von 373 Nm ebenfalls nicht abgeneigt. Es stellt sich mir allerdings die Frage nach dem Nutzen des Downsizings, denn der Turbo will mit 9.6 Liter auf 100 km nur unwesentlich weniger mit Treibstoff genährt werden. Angesichts der vernachlässigbaren Einsparung gibt es für mich nur noch eine Alternative, nämlich den Druck auf den Startknopf, um den V6 ins Leben zu rufen. Mit einem heiseren Grollen beginnen sich dessen sechs Zylinder im Leerlauf zu wälzen. Ich setze die von Hyundai selbst entwickelte 8-Stufen-Automatik in die Stufe D und grinse mit der Front des Genesis Coupés um die Wette. 😀 Der V6 Motor besticht durch einen wunderbar tiefen und richtig aggressiven Sound bei niedrigen-mittleren Drehzahlen. Während er wunderbar linear hochdreht, wird sein Schub immer kräftiger und der Sound immer betörender. Dieses Triebwerk ist ein wirklich richtiges Prachtstück, schade nur, dass beim Herunterschalten keinerlei böse, vulgäre oder obszöne Töne der doppelflutigen Abgasanlage entweichen. Hier hätte es durchaus etwas (viel) mehr sein dürfen. Für das häufige Ausnutzen der Drehfreude verrechnet der V6 übrigens einen beachtlichen Zuschlag: Ganze 12.0 l/100 km schlürfte der Motor während dem Test. Das ist auch für einen Sportwagen mit sechs Zylindern ziemlich viel und nicht mehr zeitgemäss.
Sehr auf der Höhe der Zeit ist dafür das Automatikgetriebe, welches treffsicher seine acht Gänge verwaltet. Während es beim Cruisen einen perfekten Job macht, dürften die Gänge im Sportmodus oder beim Griff zu den Schaltpaddels knalliger und mit mehr Nachdruck gewechselt werden. Den Fahrspass beeinträchtigen tut das Getriebe aber freilich nicht. Ganz im Gegensatz zur Lenkung, bei dessen Abstimmung die Hyundai Ingenieure das Feierabend Bier offenbar etwas zu früh genossen haben. Beim Rangieren ist die Lenkung viel zu hart, während sie bei höheren Geschwindigkeiten zu leichtgängig ist. Ausserdem vermittelt sie kein besonders gutes Gefühl und das Lenkrad zittert während der Fahrt. Das Sportfahrwerk ist wiederum sehr gelungen und lässt das Coupé auch schnell gefahrene Kurven ohne Wankbewegungen und sehr stabil durchfahren. Kehrseite der Medaille ist, dass es sehr ruppig federt und während der Fahrt gerne Schläge austeilt. Ein bisschen mehr Feinschliff wäre da wünschenswert gewesen. Ebenfalls mehr Feinschliff hätte das ESP nötig, das zwar zartes Übersteuern zulässt, dann aber rigoros eingreift und die Motorleistung voll wegnimmt. Ein Sport-Modus mit feinnervigeren Eingriffen würden den Fahrspass abrunden, gleichzeitig wäre für den Ernstfall das ESP immer noch da.
Das Genesis Coupé bietet nichtsdestotrotz einen immensen Geilheitsfaktor für vergleichsweise wenig Kohle. Für 39’900 CHF bekommt man das Coupé mit dem Turbomotor, für 44’900 CHF gibts den V6. Extra kosten nur das Automatikgetriebe (2800 CHF) und die Metallic-Lackierung (900 CHF). Ein mickriges Audi S1 Baby mit süssen 170 kW Leistung kostet mit vergleichbarer Ausstattung mindestens genauso viel wie der Hyundai. Dennoch: Das Genesis Coupé fristet ein ewiges Singledasein. Wenn in über einem Jahr nicht einmal 50 Autos verkauft werden konnten, spricht das traurigerweise für sich. Das Coupé ist zwar nicht die automobile Perfektion, aber warum es so verschmäht wird, ist mir ein Rätsel. Möglicherweise liegt es, wie eingangs erwähnt, auch daran, dass der Allgemeinheit gar nicht bewusst ist, was Hyundai (noch) für ein Schätzchen hortet. In seiner Preisklasse hat das Hyundai Genesis Coupé nämlich nur einen natürlichen Feind: Ein grauer, heimtückischer Kasten, der am Strassenrand lauert und ungefragt eine Dienstleistung vollbringt, die teuer zu stehen kommt… Spätestens da wäre es wirklich angebracht, wenn das Coupé beim anschliessenden Gaswegnehmen eine richtig dreckige Fehlzündung fabrizieren würde. Irgendwie muss der Frust schliesslich abgebaut werden und da der V6 nur beim kräftigen Beschleunigen geil klingt, landet man früher oder später wieder beim grauen Kasten und dann… ja, eben.
Alltag ★★★☆☆
Die hinteren Plätze sind wirklich nur für kleine Passagiere zumutbar, der Kofferraum reicht für zwei Personen. Assistenzsysteme gibt es keine und der Verbrauch ist hoch. Das Genesis Coupé ist mehr Spass- als Alltagsauto und nicht familientauglich.
Fahrdynamik ★★★★☆
Das Hyundai Genesis Coupé bietet tollen Fahrspass, Motor, Getriebe und Fahrwerk sind sehr gut. Das Getriebe dürfte im Sportmodus noch etwas aggressiver sein. Schlecht ist die Lenkung, die wenig Gefühl vermittelt, während der Fahrt zu leichtgängig und beim Rangieren zu schwergängig ist.
Umwelt ★☆☆☆☆
Spritspartechniken? Fehlanzeige. Dafür hat das Coupé ganz andere, schlagkräftige Argumente, nämlich einen Durchschnittsverbrauch von 12.0 l/100 km.
Ausstrahlung ★★★★★
Hyundai hat das Coupé sehr knackig gezeichnet. Fliessende Linien, rahmenlose Türen, markante Sicken, selbstbewusstes Grinsen, ein schöner Spoiler und eine zweiflutige Abgasanlage sind klassische, aber wirksame Rezepte für einen optisch gelungenen Sportwagen.
Fazit ★★★★☆
+ Scharfes, knackiges Design
+ Sehr gute Verarbeitungsqualität
+ Betörender Sound
+ Dynamisches Fahrverhalten
+ Kräftiger Durchzug
+ Treffsicheres Automatikgetriebe
+ Super Preis-/Leistungsverhältnis
– Gefühlslose Lenkung
– Rigoroses ESP
– Sehr hoher Verbrauch
– Hohes Leergewicht
– Kein Mediasystem mit Navi verfügbar
Steckbrief
Marke / Modell | Hyundai Genesis Coupé 3.8 |
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Preis Basismodell / Testwagen | 39'900 CHF / 48'600 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 3778 ccm / V6 |
Getriebe | 8-Gang-Automatik |
Max. Leistung | 255 kW bei 6400 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 5300 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 5.9 s |
Vmax | 260 km/h |
Verbrauch Werk / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 10.0 l/100km / 235 g/km / G |
Verbrauch Test / CO2 Emissionen | 12.0 l/100km / 282 g/km |
Länge / Breite / Höhe | 4.63 m / 1.87 m / 1.39 m |
Leergewicht | 1697 kg |
Kofferraumvolumen | 332 l |
(Bilder: Hyundai)
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