Jaguar Erlebnis der neuen Art

Das Leben ist echt nicht fair. Da muss ich den XF zurückgeben und darf prompt nochmal Jaguar fahren. Mittlerweile ist nämlich jedes Modell von Jaguar mit dem in der Schweiz äusserst beliebten Allradantrieb verfügbar und das möchten die Briten demonstrieren und verbreiten. Aber: Die grösste Spassmaschine, den F-Type, hat Jaguar leider nicht vor Ort. Also wirklich! Doch der Spass kommt dennoch nicht zu kurz. Ich konnte das Fahren auf der «falschen» Seite erleben, den direkten Unterschied zwischen dem kleineren XE und dem grösseren XF erfahren sowie das sportliche Multitalent F-Pace in der schärfsten Ausführung auf eine Spritztour entführen. Es gibt also viel zu erfahren!

Doch zuerst möchte ich verraten, was ein Jaguar-Mitarbeiter mir erzählt hat. Anscheinend ist der typische Jaguar Kunde nicht besonders Auto-affin, sondern einfach solvent und auf der Suche nach etwas, was nicht jeder hat. Das Thema mit den Zulassungszahlen habe ich bereits beim XF Review thematisiert. So. Da war dann plötzlich der «kleine» XE erschienen und es hiess vereinzelt seitens der Kundschaft: «So was. Jetzt kann ja jeder Jaguar fahren». Deshalb, so Jaguar, befürchte man, den einen oder anderen Kunden an Maserati zu verlieren, da die Italiener noch exklusiver seien. Insbesondere der Levante wird offensichtlich als ärgster F-Pace Konkurrent angesehen. Doch dazu später mehr.

Alle haben den Allradantrieb

Das Ziel von Jaguar ist es aber nicht, möglichst exklusiv zu bleiben, sondern man macht kein Geheimnis daraus, dass man das deutsche Premium-Trio attackieren möchte. Auch das möchte ich vorerst mal im Raum stehen lassen und später nochmal darauf eingehen. Jedenfalls möchte man die Modellvielfalt steigern und bietet deshalb in jeder Baureihe den Allradantrieb an, der insbesondere in der Schweiz enorm wichtig ist. Bei der Präsentation hat man sich auf die Volumenmodelle XE, XF und F-Pace beschränkt, aber auch die selteneren Modelle F-Type und XJ sind mit Allradantrieb erhältlich. Nun könnte ich herrliche, technische Details erzählen, die ich selber nur dank der Pressemeldung einigermassen verstehe. Fakt ist: Man spürt den Allradantrieb nicht und das ist auch gut so. Anstatt mein geschätztes Publikum mit Kupplungen, Reaktionszeiten und Aluminium-Bauweise zu langweilen, möchte ich lieber schildern, was ich erlebt habe und was mir dabei so durch den Kopf gegangen ist. Für den Normalfahrer reicht es zu wissen: Auch Jaguar kann AWD.

Jaguar XF AWD
Jaguar, nicht unbedingt für AWD bekannt, hat seine Allrad-Modellpalette enorm ausgebaut.

Fahren auf der «falschen» Seite

Ich bin immer offen für neue Herausforderungen, deshalb melde ich mich sofort, als es darum geht zu bestimmen, wer den XE mit Rechtslenkung fahren möchte. Die Frage nach dem Getriebe stellt sich nicht, denn den Allrad-XE gibt es nur in einer einzigen Kombination: 132 kW Diesel und Automatikgetriebe. Auch Jaguar Schweiz bedauert, dass es keinen starken Benziner mit Allrad gibt, aber wenn die Erbsenzähler im Werk meinen, ein Modell rentiert nicht, dann wird es nicht gebaut. Punkt. Nun, meine Fahrt im XE ist vor allem deswegen aufregend, weil ich den Strassenverkehr buchstäblich aus einer anderen Perspektive wahrnehme. Es ist zuerst ungewohnt, aber man gewöhnt sich schnell daran. Das Defizit, dass man Abstände auf der linken Seite nicht mehr so gut einschätzen kann, kaschiert man damit, dass man dafür den rechten Rand stets perfekt im Bild hat. Auch die Autobahn klappt wunderbar, obwohl hauptsächlich der gegenüberliegende Spiegel beachtet wird. Ich dachte schon, es gibt nichts spezielleres zu vermelden, aber auf der Bergstrasse wird es dann plötzlich doch noch tricky. In den teilweise engen Kurven ist meine Sicht nun spürbar eingeschränkt, ausserdem wird auch das Kurven schneiden und fahren ganz anders wahrgenommen, wenn man nicht mehr innen, sondern aussen sitzt. Ebenfalls mühsam ist, dass man ohne Hilfe kaum überholen kann, da man nicht sieht, was auf der Gegenfahrbahn kommt. Ich musste mich jedenfalls ziemlich konzentrieren, obwohl die Strecke nicht speziell anspruchsvoll gewesen ist.

Jaguar XE AWD
Der XE fährt sich auch als Diesel sehr agil. Sound ist halt kein Thema. Kurven fahren ist auf der falschen Seite durchaus anspruchsvoll.

Noch ein paar Worte zum XE. Jaguar und Vierzylinder-Diesel, das will in meinen Augen nicht so recht passen. Warum? Ganz einfach. Für mich ist ein Jaguar ein schönes, sportliches und exklusives Auto. Und so ein schnöder Diesel in einem so schönen Auto, ich weiss nicht… Aber, Jaguar erhofft sich dadurch natürlich Volumen und ich muss zugeben, der Diesel fährt flott und agil. Aber das typische Nageln, welches kaum gedämmt ist, das… Ach, es muss schlussendlich jeder selber entscheiden. Man hat nun jedenfalls die Möglichkeit, Jaguar mit einem vernünftigen und sparsamen Motor zu fahren.

Deja-Vu

Zum XF möchte ich eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren, ich habe ihn schliesslich soeben ausführlich getestet und bewertet. 😉 Dennoch hatte der Testwagen bei der Präsentation ein paar Neuerungen im Vergleich zu meinem. Aber zuerst doch noch etwas zum Fahreindruck. Im direkten Vergleich zum XE ist mir aufgefallen, dass der kleinere XE agiler und verbindlicher fährt. Vor allem der kürzere Radstand und natürlich das tiefere Gewicht machen einiges aus. Wer eine wirklich sportliche Limousine will, sollte sich den XE S kaufen (den gibt es aber nur mit Heckantrieb). Der XF S wird trotz stärkerem Motor und optionalem Allradantrieb nicht an das aktive Fahrgefühl vom XE herankommen. Der XF ist eher die ruhige, solide und souveräne Limousine. Im Gegensatz zum XE gibt es den Allrad-XF mit verschiedenen Motoren, nämlich: 132 kW Diesel, 250 kW Benziner und 279 kW Benziner. Den 250 kW Benziner gibt es auch im XE (mit Heckantrieb), während der stärkste Benziner dem XF vorbehalten ist.

Jaguar XF AWD
Der XF ist ruhig und gemütlich. Puncto Technologie hinkt er etwas hinterher.

Bei der Präsentation ist mir das volldigitale Instrumenten-Panel aufgefallen, welches man auch von VW oder Audi kennt. Sieht auch bei Jaguar gut aus, ich kann es nur empfehlen. Die zweite Neuerung ist das neue Multimedia-System, welches ohne Knöpfe, dafür mit grösserem Touchscreen daherkommt. Die Reaktionszeit und die fliessenden Bewegungen sind auf jeden Fall deutlich schöner als im lahmen System, welches mein Testwagen hatte. Das neue System bietet volle Personalisierung und einen Wi-Fi Hotspot, aber Jaguar hat es versäumt, Apple Carplay oder Android Auto zu integrieren. Das ist schlecht, denn die Smartphone-Spiegelungen etablieren sich langsam und immer mehr Hersteller bieten diese Unterstützung an.

Kein Dickschiff: Der neue F-Pace

Jaguar gehört zu jenen wenigen Herstellern, die jetzt ihr erstes SUV auf die Strasse bringen. Davon kann man halten, was man will, aber ich kann versichern: Der F-Pace ist gut. Und er ist alles andere als träge. Ich möchte an dieser Stelle nicht schon mein ganzes Pulver verschiessen, denn Ende Juni wird er mit dem 221 kW V6-Diesel ausführlich in der Schweiz getestet. Bei der Präsentation hatte ich das Vergnügen mit dem 279 kW Benziner. In dieser Variante überzeugt der F-Pace natürlich mit herrlichem Sound, doch er überrascht auch mit einem agilen Handling, er kommt mir sogar flinker und direkter vor als der XF. Dies dürfte auch daran liegen, dass Jaguar betont hat, dass jedes Modell sportlich sein soll. Beim F-Pace bedeutet dies, dass er grundsätzlich mit Heckantrieb fährt und erst bei Bedarf die Kraft verteilt. Ein permanenter Allradantrieb käme Jaguar nicht ins Haus. Beim F-Pace sind alle Motorisierungen mit Allradantrieb erhältlich.

Jaguar XE AWD
Der Offroad-Tempomat. Das ist übrigens im XE, aber im F-Pace sieht es auch so aus.

Jaguar hat sich den Spass erlaubt, uns bei der Präsentation über einen Waldweg zu schicken. Natürlich kein Problem für den F-Pace, den man auch in eine Art Offroad-Modus schalten kann in welchem der Allradantrieb die Kraft passend je nach Untergrund und Traktion verteilt. Ausserdem kann man den Tempomat in einen anderen Modus schalten, dass er in einem Bereich zwischen 2 und 30 km/h arbeitet und auch als Bergabfahrhilfe agiert. Man muss sich also nur noch aufs Lenken konzentrieren. Wie bereits erwähnt, ist das in einem SUV wahrlich nichts besonderes, aber Jaguar hat auch die Limousinen, welche ebenfalls über den speziellen Tempomat verfügen, über den Waldweg gejagt. Ganz schön gewagt. Der F-Pace ist nämlich über den einen oder anderen Hocker oder über Unebenheiten gefahren, bei denen ich in einer Limousine ehrlich gesagt Angst um den Unterboden gehabt hätte. Jaguar möchte damit demonstrieren, dass auch die Allrad-Limousinen mit widrigen Bedingungen zu Recht kommen. Trotzdem finde ich, dass eine Limousine nicht auf einen Waldweg gehört, auch mit Allradantrieb nicht.

Jaguar XE AWD
Eine Limousine auf Abwegen.

Jaguar muss anders sein

Es wird Zeit, auf das Thema vom Anfang zurückzukommen. Jaguar und die Deutschen. Jaguar muss aufpassen. Es macht absolut keinen Sinn, zu versuchen, ein besseres Auto zu bauen. Puncto Modellvielfalt, Technologie und Qualität sind die Deutschen einfach Benchmark. Jaguar baut sehr gute Autos, aber den letzten Schritt zu dieser Perfektion packen die Briten nicht. Was also tun? Ein Jaguar sollte anders sein. Er sollte über kleine, aber feine Unterschiede verfügen, die schlussendlich grosses bewegen können. Der Ansatz mit dem sportlichen F-Pace und dem Heckantriebs-Charakter ist genau richtig. So unterscheidet man sich vom Mainstream und ist plötzlich in einer Liga mit Maserati Levante und Porsche Macan. Bei den kleineren Motoren steht Jaguar plötzlich ziemlich alleine da, da weder Maserati, noch Porsche schwächere Motorisierungen anbieten. Dass der Levante Jaguar den einen oder anderen Kunden abluchst könnte zwar sein, aber ich denke, da muss sich Jaguar keine grossen Sorgen machen, da der F-Pace als Gesamtpaket sehr überzeugend ist.

Jaguar F-Pace AWD
Der F-Pace fährt sich erstaunlich leichtfüssig und sportlich.

Ich glaube, es ist nicht nur in meinem Kopf so, dass Jaguar ziemlich anders wahrgenommen wird als die deutschen Premium-Marken. Jaguar sollte also nicht versuchen, ein deutsches Modell zu «kopieren» und es besser zu machen. Nein, Jaguar sollte durch Ausstattungsmerkmale versuchen, sich abzuheben. Das kann das Design sein. Das kann die Einrichtung des Innenraums sein. Das kann ein Kompressormotor sein. Es kann die Sportlichkeit sein. Ich bin sicher, die Briten finden ihren Weg. Der F-Pace macht es vor.

(Bilder: Jaguar)

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