Es ist die grösste Frage, aber gleichzeitig auch die falsche Frage: Kann der F-Type mit dem Vierzylinder so viel Spass machen wie seine grösseren Brüder? Das ist fast schon eine rhetorische Frage, denn die einzig mögliche und richtige Antwort ist «nein». Aber das will er gar nicht. Mit dem Basismodell möchten die Briten das F-Type Erlebnis einer breiteren Klientel zugänglich machen. Der Preis sinkt durch den Verzicht auf Hubraum und Zylinder erheblich und es soll schliesslich nicht nur Sound- und Leistungsfetischisten geben da draussen. Allerdings ist der Preisvorteil beinahe der einzige Vorteil, weshalb sich der Basis F-Type – zumindest bei mir – nicht ins Langzeitgedächnis einbrennen wird.
Der F-Type hat dasselbe Problem wie die Muscle Cars Camaro und Mustang. Sie alle sind sowohl mit grossvolumigen V8-Motoren, als auch mit einem Vierzylinder erhältlich. Weitere Gemeinsamkeit: Der V8 war vor dem Vierzylinder da. So wirkt der Vierzylinder wie ein unerwünschter Eindringling ins Portfolio. Ein Vierzylinder schmeckt Autofans am wenigsten und einem Kind serviert man auch nicht Pizza, um anschliessend noch Broccoli anzubieten. Das funktioniert nur umgekehrt. Wäre der Vierzylinder von Anfang an dabei gewesen, wäre er vielleicht eher akzeptiert.
Um den F-Type als Einstiegsvariante zu entlarven, bedarf es eines Blicks auf das Heck. Der grosse, mittige Auspuff ist das einzige optische Unterscheidungsmerkmal zu seinen grossen Brüdern. Insbesondere mit dem R-Dynamic Optikpaket ist die optische Täuschung beinahe Perfekt. Im Gespräch mit neugierigen Passanten fragten gleich mehrere mit Blick aufs R-Dynamic Logo, ob das jetzt die böse V8-Variante sei.
Die Antwort, dass dies der Basis-Vierzylinder sei, beeindruckte jedoch niemanden gross. Stattdessen wurde das phänomenale Design rundum bewundert. Schon seit fünf Jahren wildert der Sportwagen auf den Strassen und er wirkt immer noch, als wäre er eben erst enthüllt worden. Viele Komplimente habe ich auch für die Farbe «Ultra Blue» bekommen, womit der Sportler gleich noch mehr Aufmerksamkeit erregt.
Stichwort Aufmerksamkeit. Spätestens wenn die Kompressor-Motoren der stärkeren Modelle angeworfen werden und Vögel aufgescheucht davonflattern, ist man im Mittelpunkt des Geschehens. Der brünstige, abartig laute Motorsound ist eines der grössten Charaktermerkmale des F-Type. Mit dem Vierzylinder distanziert man sich aber davon. Der Turbomotor startet überraschend zahm, ohne Brüllen oder Fauchen.
Eine kurze Rückblende zu den stärkeren Motoren. Der grollende Sound sowie die direkte Gasannahme hatten zur Folge, dass das Auto einen ständig forderte. Hier und da einen überflüssigen Gasstoss, da und dort bewusst einen Gang zu tief. Wer nur ein bisschen Benzin im Blut hat, konnte dem Auto gar nicht widerstehen. Doch man wurde auch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Ein zu schwerer Gasfuss in Kurven führte zu zickigen Heckausbrüchen, denen auch das ESP nicht immer souverän Herr werden konnte.
Und nun sitzt man im Vierzylinder. Der Motor grollt nicht, er schnurrt. Vor allem unter 2500 Touren wirkt das Aggregat sogar ziemlich zugeschnürt, von einem fordernden Charakter kann hier keine Rede mehr sein. Stattdessen cruise ich durchs Land, vermisse etwas Rückmeldung von der Lenkung und finde, dass das ganze irgendwie nicht so recht zusammenpasst. Da sitzt man perfekt integriert in diesem umwerfenden Sportwagen, der mit dem straffen Fahrwerk auch stets daran erinnert, dass er mehr Sportler als GT ist. Nur: Davon spürt man im Normal-Modus reichlich wenig.
Allerhöchste Zeit, den Dynamic-Modus auszuwählen, der sich sogleich als der einzig richtige Modus für den «kleinen» F-Type entpuppt. Die lethargische Gasannahme ist spürbar schärfer, die versteifte Lenkung vermittelt ein verbindlicheres Gefühl. Attacke! Der Vierzylinder schmeisst sich ins Zeug, 221 kW sind für den 1780 Kilo schweren F-Type zwar mehr als ausreichend, aber nicht umwerfend. Zudem schwingt im sonoren Sound eine künstliche Note mit und die zaghaften Fehlzündungen wirken komplett fehl am Platz. Da haben selbst Focus RS und i30 N einen deutlich wilderen Vierzylinder-Sound als der Jaguar.
Schon immer wild gewesen ist die Hinterachse des F-Type. Herumfummeln am ESP war stets eine riskante Aktion – bis jetzt. Mit der Basismotorisierung kann man endlich auch mit dem F-Type beherzt aus den Kurven rausbeschleunigen und sich allenfalls über einen kleinen Powerslide freuen. Für die bösen, weil blitzartig auftretenden Heckausbrüche der stärkeren Motoren, fehlt dem Vierzylinder schlicht die Kraft.
Überhaupt blüht der Baby F-Type erstaunlich auf, wenn man ihn prügelt. Die Trac-Einstellung des ESP lässt die Zügel nämlich locker genug, dass sich die überschaubare Kraft des Turbomotors dennoch so entfalten kann, das grosse Fahrfreude aufkommt. Vor allem kann man nun endlich auch hart in die Kurve rein bremsen, ohne dass es nur noch gerade aus geht. Während ich über den erstaunlich mageren Sound des Vierzylinders klage, freut sich die durchs geringere Gewicht entlastete Vorderachse, die nun in Kurven weniger schnell kapituliert.
Durch meine F-Type-Erfahrung (V6 S, V8 S, V8 R, SVR und nun eben Vierzylinder) kann ich schon fast eine Kaufberatung abgeben. Deshalb gebe ich zum Schluss ganz allgemein meinen Senf dazu, rein subjektiv. Beginnen wir mit dem Vierzylinder. Kurioserweise hat mich sein Handling am meisten begeistert, obwohl er das Basismodell ist und ohne Adaptivfahrwerk, Sperrdifferential oder Keramikbremsen auskommen muss.
Das geringere Gewicht, insbesondere auf der Vorderachse, fördern die Agilität und das Einlenkverhalten. Ausserdem sorgt das zahmere Heck dafür, dass man sich eher an die persönlichen Grenzen traut. Fahrspass ist definitiv vorhanden, sogar mit einem groben Preisnachlass von 12’800 Franken im Vergleich zum nächststärkeren Modell mit Automatikgetriebe. Doch ein Sportwagen lebt eben auch von Emotionen und Unvernunft und das kommt beim Vierzylinder leider beides zu kurz.
Die V8-Varianten leben vom Klang, von der Faszination, von der rohen Gewalt, die sie entfesseln. Das heisseste Eisen war der heckgetriebene R, der selbst auf trockener Strasse Traktionsprobleme hatte. Es hat wohl seinen Grund, dass der SVR von Anfang an mit Allrad auf die Strasse gelassen worden ist und der R mittlerweile ebenfalls nur noch mit vier angetriebenen Rädern erhältlich ist. Doch davon darf man sich nicht täuschen lassen. Wer sich mit den starken F-Type anlegt, sollte stets 120% seiner Aufmerksamkeit der Hinterachse widmen. Kann sehr viel Spass machen, aber auch sehr schnell gar keinen mehr.
Mein Favorit wäre deshalb der stärkere V6, heckgetrieben. Er ist die perfekte Mitte, böse, aber nicht so böse, dass einem Angst und Bange werden muss. Obwohl die nominellen Leistungsdaten des Vierzylinders gar nicht so weit unterhalb des stärkeren V6 liegen, ist die Kraftentfaltung eine andere Welt, der Sound sowieso. Der V6 ist der richtige Sportwagen, während der zahmere Vierzylinder aufgrund des Preises jene ansprechen kann, die den F-Type auch ohne Leistungsüberschuss und Soundorgien geniessen wollen – und können.
Alltag
Der F-Type verzichtet auf zwei Notsitze und bietet dafür einen brauchbaren Kofferraum, mit dem man sowohl verreisen, als auch Einkäufe verstauen kann. Die Übersicht ist aber schlecht, selbst nach vorne.
Fahrdynamik
Um den Turbomotor aus der Reserve zu locken, ist der Dynamic-Modus Pflicht. Zwar reicht die Leistung aus, um schnell unterwegs zu sein und Spass zu haben. Doch punkto Gasannahme und Drehfreude ist er weit von den Kompressor-Motoren entfernt. Positiv sind dafür das leichter zu kontrollierende Heck und die geringere Untersteuertendenz, da die Vorderachse durch den kleineren Motor entlastet wird.
Umwelt
Die angegebenen 7,2 l/100 km kann man gleich vergessen. Selbst bei moderater Fahrweise bewegt man sich zwischen 8,5 und 9 Liter, im sportlich gefahrenen Test waren es schlussendlich 10,1 l/100 km. Zum Vergleich: Die stärkere V6-Variante verbrauchte damals bei mir 10,7 l/100 km. Ein Ausbund an Effizienz ist der neue Vierzylinder also nicht.
Ausstrahlung
Das wunderschöne Design wirkt immer noch brandaktuell und verdreht reihenweise Köpfe. Der Wagen hat aus optischer Sicht das Zeug zum Klassiker.
Fazit
+ Atemberaubend schönes Design
+ Exzellente Sportsitze, perfekte Ergonomie
+ Hochwertige Materialien, gute Verarbeitung
+ Geräumiger Kofferraum
+ Knackiges Handling, sehr geringe Wankbewegungen
+ Sehr schnelles, perfekt reagierendes Automatikgetriebe
+ Agiles Einlenkverhalten
+ ESP dreistufig deaktivierbar
+ Akzeptabler Preis
– Motorsound bleibt hinter den Erwartungen zurück
– Unsportliches und unmotiviertes Verhalten im Normal-Modus
– Hoher Verbrauch
– Schlechte Übersicht
– Teilweise zögerlich reagierendes Infotainmentsystem
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Jaguar F-Type i4 |
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Preis Basismodell / Motorisierung / Testwagen | 67 300 CHF / 67 300 CHF / 89 980 CHF |
Antrieb | Benzin, Heckantrieb |
Hubraum / Zylinder | 1997 ccm / R4 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Turbomotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 221 kW bei 5500 r/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1500 - 4500 r/min |
Beschleunigung 0 - 100 km/h | 5,7 s |
Vmax | 249 km/h |
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 7,2 l/100 km / 163 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 10,1 l/100 km / 228 g/km / +40% |
Länge / Breite / Höhe | 4,48 m / 1,92 m / 1,31 m |
Leergewicht | 1779 kg |
Kofferraumvolumen | 408 l |
Bilder: Koray Adigüzel
Deshalb habe ich mir den V8 gekauft 😉
Damit man den Mister Gentleman von weitem zu hören bekommt. 😉