Es heisst, Geschichten bewegen. Aber was, wenn der Jaguar F-Type selber die Geschichte ist? Im Jahr 2013 wurde er lanciert, vorerst nur als Roadster, ein knappes Jahr später auch als Coupé. Mit atemberaubendem Design und unverschämt lautem und bombastischem Motorsound überraschte und entzückte er die Autowelt. Damals war der Zeitgeist noch ein anderer. Euro 6 Abgasnorm und grossflächige Elektrifizierung standen erst ganz am Anfang. Heute weht der Automobilindustrie ein anderer Wind entgegen, doch der Jaguar F-Type stemmt sich mit seiner neuen Schnauze vehement dagegen. Eine Ausfahrt in einer kleinen Zeitkapsel.
Mit sieben Jahren auf dem Buckel ist der britische Sportler nicht mehr der Jüngste, andere Hersteller bieten zu diesem Zeitpunkt bereits die nächste Generation an. Aber das muss nicht nur positiv sein, denn neue Modelle leiden eventuell an Kinderkrankheiten, verfügen über einen Laubbläser sowie einen Spielzeugmotor als Antrieb und teilen sich die technischen Komponenten aus wirtschaftlichen Gründen mit 20 bauähnlichen Fahrzeugen.
Grimmigere Schnauze
Der F-Type dagegen will nichts von dem ganzen neumodischen Zeugs wissen, er ist immer noch einzigartig in seiner Art und setzt auf Benzin als einzigen Treibstoff. Darüber hinaus ist er im Laufe der Jahre gereift und immer besser geworden, ohne dass sein Charakter getrübt geworden wäre. Auf den ersten Blick wirkt er beinahe komplett neu, da die Schnauze gar nichts mit dem Vorgänger gemeinsam hat.
Das leicht verschmitzte Grinsen ist weg, stattdessen blickt der neue F-Type aus schmalen Voll-LED-Scheinwerfern in die veränderte Welt. Die Front wirkt breit und optisch tief, ein F-Type Schriftzug zeugt von gewisser Eigenliebe. Doch damit sind die grossen Änderungen bereits durch. Am Heck tragen die Rücklichter ein neue Grafik und that’s it. Die vierflutige Auspuffanlage ragt immer noch wie Kanonenrohre aus dem Heck, die Türgriffe sind bündig und die Motorhaube öffnet sich verkehrt herum.
Verbesserte Qualität
Noch marginaler sind die Neuerungen im Innenraum. Als kleiner Tribut ans neue Jahrzehnt verfügt der Sportler nun über ein volldigitales Cockpit. Das Infotainmentsystem mit Online-Anbindung ist bereits seit drei Jahren an Bord. Jaguar-Schriftzüge an den Sitzen sowie am Armaturenbrett sind die letzte Neuerung. Nein, nicht ganz. Während die Materialanmutung schon immer sehr weit oben war, stimmt jetzt endlich auch die Verarbeitungsqualität mit dem gehobenen Preisschild überein. Wie ich schon sagte, im Laufe der Jahre gereift.
Lifehack erforderlich
Doch genug der schönen Worte, Zeit für die harten Fakten. Beim Motorstart folgt jedoch der erste Schock. Vom V8-Gezetere der Vorjahres-Modelle ist gar nichts mehr übrig! Stattdessen schnurrt der Jaguar wie ein Stubentiger. Doch Entwarnung folgt, das ist nur der standardmässige Silent Start. Ein kleiner Umweg umgeht diesen aber: Erst die Zündung einschalten, dann das Knöpfchen der Abgasanlage drücken und zum Schluss den Startknopf und voilà, die V8-Fanfare ist wieder da! Schliesslich den altbekannten Joystick-Wählhebel nach D und los geht der Ritt.
Straffer und alltagstauglich
Der F-Type war bislang etwas hin und her gerissen zwischen Sportwagen und Gran Turismo. Ein Hardcore-Sportler war er nur schon aufgrund des nach wie vor zu hohen Gewichts nicht, ein Porsche 911 würde, wenn es hart auf hart käme, Donuts um den Briten drehen. Doch im Zuge des Facelifts wurden Lenkung und Fahrwerk umkalibriert und vor allem die zum Teil tückische Hinterachse entschärft.
Im Alltag spürt man das am deutlichsten anhand des besseren Gefühls für die Vorderachse, da das Lenkfeedback verbessert wurde. Das adaptive Fahrwerk ist nun bereits im «Comfort»-Modus straff genug für Land- und Bergstrassen, die Härte des Dynamic-Modes ist nur für sehr ebene Strecken zu empfehlen. Nichtsdestotrotz ist der Jaguar durchaus auch ein Reiseauto, er ist ruhig auf der Autobahn, federt verbindlich, aber nicht zu hart. Die Sitze umschmiegen einen fest, zwicken aber nicht. Ein adaptiver Tempomat ist leider nicht an Bord, das würde den F-Type meiner Meinung nach noch etwas mehr aufwerten.
Ein echter Haudegen
Doch das Tier im F-Type kommt im Dynamic-Modus mit manueller Schaltung zum Vorschein. Am besten wird über den Individual-Dynamic-Mode das Fahrwerk auf Standard belassen, der Rest wird scharf gestellt. Der V8-Kompressor spricht bei sämtlichen Drehzahlen blitzschnell und aggressiv an, der Sound ist bis 3500 Umdrehungen natürlich und präsent.
Darüber wird es richtig wild, die Klappe wird aufgerissen und der V8-Beat rockt das Trommelfell und die Umwelt, während das V8-Triebwerk bis auf knapp 7000 Umdrehungen giert! Von der Wilde und der Lautstärke her ist der F-Type im OPF-Zeitalter immer noch eines der emotionalsten und lautesten Autos, obwohl das Maschinengewehr-Gehämmere der Vorgänger-Modelle nun leiser und seltener vorkommt. Dafür wirkt der Sound insgesamt stimmiger und weniger auf Krawall gebürstet.
Ein lebendiges Heck
Trotz des hohen Gewichts von deutlich über 1800 Kilo bleibt der Brite beim scharfen Anbremsen sehr stabil, lässt sich williger und präziser um Kurven schmeissen und lässt dank des stark heckbetonten Allradantriebs gerne mal einen sanften Slide zu, auch mit ESP. Dass der Jaguar schwer ist, merkt man erst in sehr engen Kurven oder stark gewundenen Bergstrassen, da drückt ab und zu die Vorderachse. Trotzdem ist das Kurvenräubern ein echtes Gaudi!
Selbst mit dem ESP im Sport-Programm ist der F-Type jetzt nahbarer, drückt weniger brutal mit dem Heck und lässt sich besser kontrollieren. Das heimtückische und gefährliche Konter-Verhalten der Hinterachse beim Gegenlenken wurde ihm zum Glück abtrainiert, sodass man jetzt auch als Nicht-Profifahrer ohne Schweiss-Ausbrücke Spass haben kann, wenn die Strecke frei ist.
Der Geheimtipp
Der sogenannte P450-V8-Antrieb, wie er getestet wurde, ist eine neue Leistungsvariante, da der V6-Kompressor als Bindeglied zwischen Vierzylinder und V8 leider nur noch in den USA angeboten wird. Den P450 gibt es auch mit Heckantrieb, wodurch das Auto nicht nur 6500 Franken günstiger und rund 60 Kilo leichter ist, sondern den Fahrspass für Enthusiasten nochmal erweitert. Die R-Version mit deutlich mehr Punch mag zwar faszinierender sein, aber der Aufpreis von 29’000 Franken ist nicht nötig, da bereits der schwächere V8 mit Ansprechverhalten, Durchzug und Sound begeistert.
Der Jaguar F-Type ist nicht der perfekteste Sportwagen. Aber was heute mehr und mehr Autos abhanden kommt, sind Einzigartigkeit und Charakter. Hier schlägt die Stunde des F-Type. Er betört mit emotionalem Sound, lebendigem Heck sowie fesselndem und auch leicht forderndem Handling. Letzten Endes sind für mich genau das die Eigenschaften, die einen Sportwagen begehreswert machen. Den Spass sollte man sich allerdings von zwei Zahlen nicht verderben lassen: Der Testwagen im Wert von rund 129’000 Franken verbrauchte im Test im Schnitt 12,5 l/100 km.
Alltag
Als Coupé steht ein flacher, aber dennoch recht geräumiger Kofferraum zur Verfügung und für einen Sportwagen sind auch die Ablageflächen ausreichend. Dennoch ist der Brite klar kein Arbeitstier und der Alltag wird durch die mässige Übersicht sowie den sperrigen Wendekreis erschwert.
Fahrdynamik
Der Kompressormotor ist mit seinem aggressiven Ansprechverhalten ein Traum von Triebwerk. Das Getriebe schaltet im Sport-Modus zackig, das geschärfte und präzisierte Fahrwerk hat das Handling verbessert und vor allem stabilisiert. Die Lenkung arbeitet nun ebenfalls mit einer erfreulichen Rückmeldung, man spürt genau, was das Auto macht. Was man aber in engen Kurven ebenfalls spürt, ist die letzte verbliebenen Schwäche: sein zu hohes Gewicht.
Umwelt
Wer brav vor sich hin tuckert, schafft locker Verbrauchswerte um die 9 Liter. Aber wer dem Wagen die verdienten Sporen gibt, landet zwangsläufig im zweistelligen Bereich. Testmittel waren 12,5 l/100 km.
Ausstrahlung
Der Jaguar F-Type strotzt vor Charakter und kommt optisch dem Sportwagen-Ideal verdammt nahe. Eine automobile Augenweide.
Fazit
+ Zeitloses Design mit perfekten Proportionen
+ Straffe Sportsitze mit exzellentem Seitenhalt und sehr tiefer Sitzposition
+ Hochwertige Matarialien und top Verarbeitungsqualität
+ Für einen Sportwagen grosser Kofferraum
+ Druckvolle Soundanlage mit grosser Brillianz
+ Röhrender, lauter und charakteristischer Motorsound mit Kompressor-Heulen
+ Präzises Handling, Lenkung mit hoher Rückmeldung
+ Sehr hecklastiger Allradantrieb
+ Tolerantes, dreistufiges ESP
+ Standfeste Bremse
+ Aggressiver und drehfreudiger Achtzylinder
+ Sauber abgestimmtes Getriebe, harter Begrenzer im Sport-Modus
+ Grosser Raum für die Individualisierung beim Aussen- und Innendesign
+ Last but not Least: Ein Auto mit Charakter, stärker als sein Motor
– Hoher Verbrauch
– Hohes Gewicht
– Grosser Wendekreis
– Schlechte Übersicht
– Unbrauchbarer Fernlicht-Assistent
Mängel am Testwagen
– Keine Mängel
Steckbrief
Marke / Modell | Jaguar F-Type P450 |
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Preis Basismodell / Testwagen | 111 900 CHF / 129 420 CHF |
Antrieb | Benzin, Allradantrieb |
Hubraum / Zylinder | 5000 ccm / V8 |
Motoranordnung / Motorkonzept | Frontmotor / Kompressormotor |
Getriebe | 8-Gang Automatikgetriebe |
Max. Leistung | 331 kW bei 6000 r/min |
Max. Drehmoment | 580 Nm bei 2500 - 5000 r/min |
Beschleunigung 0–100 km/h | 4,6 s |
Vmax | 285 km/h |
WLTP-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz | 11,1 l/100 km / 252 g/km / G |
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz | 12,5 l/100 km / 284 g/km / +13 % |
Länge / Breite / Höhe | 4,47 m / 1,92 m / 1,31 m |
Leergewicht | 1890 kg |
Kofferraumvolumen | 408 l |
Bilder: Onemorelap, Vesa Eskola