Potenzpille: Jaguar F-Type SVR Coupé

Aller guten Dinge sind drei? Nun, bei mir dürfen die guten Dinge gerne auch vier sein. Nach dem F-Type S Convertible, dem V8 S Convertible und dem R Coupé darf ich nun auch noch den Test vom SVR Coupé abfeiern, offensichtlich die letzte Eskalationsstufe vom F-Type. Die nach wie vor formschöne Raubkatze verbinde bestimmt nicht nur ich mit Lärm, mehr Lärm und noch mehr Lärm. Was die V6- und vor allem die V8-Motoren für einen herrlichen, oder – die andere Sichtweise gibt es unverständlicherweise auch noch – grauenhaften Krawall verursachen, ist immer wieder eine Sensation. Doch die Rolle vom F-Type ist gesetzt, da ändert auch das Tuning durch die Special Vehicle Operations (SVO) von Jaguar Land Rover nicht mehr viel. So faszinierend der F-Type SVR auch ist, besonders nahe an der Perfektion ist er nicht. Seine Wirkung entfaltet er trotzdem…

Besonders sportliche Modellvarianten folgen in der Regel immer demselben Rezept: Aggressivere Optik, mehr Leistung und weniger Gewicht. Da macht auf den ersten Blick auch der F-Type SVR keine Ausnahme, ist doch von einer Gewichtsreduktion durch den Einsatz von Carbon und Keramikbremsen (optional) die Rede. Doch Zahlen lügen nicht und mit einem Leergewicht von 1937 Kilo ist das der buchstäblich fetteste F-Type, den ich je hatte. Nun, man sieht ihm sein Gewicht nicht an und wäre der F-Type SVR ein Mensch, würde man wohl sagen, das seien alles Muskeln…

Jaguar F-Type SVR
Wunderschöne Kurven wohin das Auge auch blickt.

Vor der Schönheit des F-Type Coupés kann ich nur niederknien. Die lange Motorhaube, die schön geschwungenen Rundungen, die betonten Kotflügel und dieses Heck… ich meine, ernsthaft, dieses Heck! Ich denke, der Vergleich mit Kim Kardashian ist nicht allzu weit hergeholt. Beim SVR wird der Abschluss noch um einen schönen, feststehenden Spoiler komplettiert. Der sieht um Welten besser aus, als die ausfahrbare Beule beim normalen Coupé. Normalerweise bin ich ein Fan von leuchtenden Farben bei Autos, insbesondere bei Sportwagen. Doch ich muss zugeben, der schwarze SVR mit seinen Carbon-Elementen hat es mir angetan. Dezent wäre das falsche Wort, aber er wirkt in Schwarz etwas… geheimnisvoller als beispielsweise in diesem schreienden Orange.

Jaguar F-Type SVR
Dat ass!

Beim ersten Einsteigen denke ich fast schon «home sweet home». Es ist so schön, wieder im F-Type Platz zu nehmen! Die tiefe Sitzposition passt perfekt, obwohl die Übersicht mies ist. Über drei Jahre sind seit dem ersten F-Type vergangen, doch es ist fast alles beim Alten, auch beim SVR. Ein paar SVR-Logos, gesteppte Lederausstattung, enges Raumgefühl und eine eher mittelmässige Verarbeitung. Der grosse Haltegriff, der sich über die Mittelkonsole zieht und den Beifahrer vom Fahrer abkapselt, ist immer noch einzigartig und unterstreicht, wer in diesem Auto das Sagen hat. Das Interieur ist okay, nicht mehr und nicht weniger.

Jaguar F-Type SVR
Flache Silhouette mit langer Haube und feststehendem Spoiler.

Ein immer wieder nettes Detail ist der unschuldig pulsierende Startknopf. Eigentlich sollte er Rot sein und gross mit «Danger!» angeschrieben sein, denn mit dem Radau, denn der V8-Kompressor beim Kaltstart verursacht, wird die ganze Strasse aufgeschreckt. Er brüllt auf, knallt ein-zweimal und verfällt in einen blubbernden Leerlauf, der unverkennbar nach V8 klingt. Allein für diese Showeinlage liebe ich dieses Auto. Er ist so furchtbar unvernünftig und ein Sportwagen soll das verdammt nochmal auch sein dürfen!

Jaguar F-Type SVR
Klare Separation der Besatzung.

Durchaus verdienen würde der F-Type die Bezeichnung GT. Für einen Sportwagen cruist es sich nämlich nicht nur irre lässig, sondern auch erstaunlich komfortabel. Die Sitze sind zwar straff, aber perfekt ausgeformt. Der Kofferraum ist für ein zweisitziges Coupé überraschend gross und immerhin ein paar Ablagen im Innenraum schaffen den nötigen Platz für Kleinkram. Man cruist im F-Type, hat die endlose Haube vor sich und den grummelnden V8 in den Ohren. Das Fahrwerk federt satt, aber doch komfortabel, auch lange Strecken sind überhaupt kein Problem. Einzig die Abrollgeräusche der breiten Reifen dringen ziemlich deutlich in den Innenraum. Aber ansonsten ist der F-Type SVR ein Cruiser durch und durch. Auf der Autobahn bei Tempo 130 rotiert der V8 bei gemütlichen 1700 Touren.

Jaguar F-Type SVR
Die straffen Sportsitze stützen perfekt und sehen chic aus.

Bevor es ans Eingemachte geht, möchte ich an dieser Stelle noch festhalten, dass ein Auto wie der F-Type SVR ein Tritt in die Eingeweide des Downsizings ist. Ein massiver 5-Liter V8 schiebt nahezu zwei Tonnen über die Autobahn und verbraucht dabei etwa 8,5 l/100 km. Ein aufgeblasenes Turbomotörchen muss in einem Kompaktwagen alleine mit mir an Bord vielleicht rund eineinhalb Tonnen über die Autobahn schieben und verbraucht dabei ca. 7 l/100 km. Angenommen, es kommen aber noch drei robuste Personen und Gepäck dazu, sodass wir bei knapp 1,9 Tonnen Gewicht sind. Das Motörchen würde sich bei über 3000 Umdrehungen abmühen, schleppen und schuften und wahrscheinlich über 8 l/100 km verbrauchen, während der V8 im F-Type bei derselben Arbeit gelassen vor sich hin schnurrt und kaum mehr verbraucht. Ist das der viel gelobte Fortschritt in der Autoindustrie? Traurig.

Jaguar F-Type SVR
Gute Bedienbarkeit, aber lahme Reaktionszeit.

Auf dem Papier steht der F-Type grottenschlecht da, aber es sei gesagt, dass er sich mit einem Mix-Verbrauch von 8,3 l/100 km fahren lässt. Das sind drei (!) Liter unter dem Normverbrauch. Das ist vielleicht nicht ganz repräsentativ, weil dafür schon extrem defensiv gefahren werden muss, aber mein Testverbrauch von 14,2 l/100 km ist genauso wenig repräsentativ, denn ich habe bei jeder Fahrt Opern, Konzerte und Orchester veranstaltet und das kostet halt Sprit. Aber das ist der Punkt, wofür ich den F-Type ebenfalls liebe. Egal, wie langsam man fährt, er macht soviel Freude, weil sein Motor röhrt, brüllt, schreit, rotzt, spuckt und knallt. Und man kann die ganze Bandbreite davon haben, ohne auch nur ein Tempolimit zu brechen. Man muss nur den Dreh mit den Schaltpaddels und feinen Gasstössen raus haben und der F-Type veranstaltet ein Strassenfest.

Jaguar F-Type SVR
Fett wie Kanonenrohre. Besonders cool ist der bläuliche Schimmer.

Der F-Type kann also gut dastehen. Er kann cruisen. Er ist gemütlich. Er klingt fantastisch. Er ist der reinste Freudenspender. Und jetzt kommen wir zur Paradedisziplin: Kann er es auf der Strasse richtig krachen lassen? Fährt er sich so obszön geil, wie er aussieht? Die Antwort lautet: Jein.

Jaguar F-Type SVR
Auf der Geraden kommt dem F-Type kaum einer hinterher.

Das Problem ist der fette V8, so toll er beim Beschleunigen auch ist. Er schlägt zu wie eine Abrissbirne und prügelt den F-Type auch bergauf innert wenigsten Sekunden auf Tempo 100 und mehr. Dieser Kraft kann man nicht mehr genügend sagen, es ist einfach nur noch übertrieben viel. Dieses Auto ist rohe Gewalt und dank Kompressoraufladung steht diese Gewalt auf Kommando bereit. Keine Verzögerung, nicht mal einen Wimpernschlag lang. Du gibst Gas und du fliegst. Das Sound-Inferno, das die Titan-Abgasanlage produziert, wenn man einfach voll auf dem Gas bleibt, wird sich für alle Ewigkeit ins Langzeitgedächnis jener einbrennen, die das einmal hautnah mitbekommen haben. Im Schubbetrieb bergab rattert der F-Type so derb wie ein Maschinengewehr. Jedes Reh im Umfeld von zwei Kilometern sucht bestimmt das Weite, weil es denkt, die Jagd sei eröffnet.

Jaguar F-Type SVR
Diese Rücklichter sind mittlerweile charakteristisch für Jaguar geworden.

Das Problem vom F-Type ist aber, dass er auf engen Kurven mit seiner Kraft schlicht nicht klar kommt.
Ich habe ein etwas böses Erwachen gehabt mit dem SVR. Es ist für mich der erste F-Type mit Allradantrieb und insbesondere der F-Type R mit Heckantrieb ist mir bleibend in Erinnerung geblieben. Da ging beim Kurvenausgang fast gar nichts ohne Traktionskontrolle. Jaja, jetzt hast du ja Allradantrieb, dachte ich mir. Bin also rasant auf die Kurve zugefahren, beim Scheitelpunkt aufs Gas und dachte, der Allradantrieb wird’s schon richten. Haha, guter Witz, denke ich mir im Nachhinein.

Jaguar F-Type SVR
Der Spoiler lässt sich manuell aufstellen. Sieht besser aus, von daher war der Spoiler stets oben.

Einerseits spürt man das Gewicht, auch wenn er es allgemein recht gut kaschiert. Es braucht jedoch nicht viel und er untersteuert in die Kurve hinein, weil das Gewicht auf der Vorderachse nach aussen drückt. Beim starken Rausbeschleunigen kommt das Heck so krass, dass sogar das ESP Mühe hat, das Auto wieder auf Kurs zu bringen. Er kommt hinten einfach, ohne Vorwarnung, auch bei mässigerem Beschleunigen. Wer zu voreilig aufs Gas geht, kassiert einen Heckschwenker, dass einem das Lachen vergeht.

Jaguar F-Type SVR
Vom Grinsen darf man sich nicht täuschen lassen. Der F-Type SVR walzt mit seinem V8 alles platt.

Es geht blitzschnell und der Sport-Modus vom ESP lässt dermassen abenteuerliche Winkel zu, dass ich ganz ehrlich den Schwanz eingezogen und das ESP nicht mehr angerührt habe. Zu riskant auf einer engen Passstrasse. Besonders böse: Im Sport-Modus vom ESP neigt das Heck zum Konter, sodass man doppelt Gegenlenken muss. Ich würde das Fahrverhalten vom SVR deshalb fast schon als heimtückisch bezeichnen und rate ernsthaft davon ab, auf der Strasse am ESP rumzufingern. Der ESP-Knopf sollte nicht nur mit einer «Danger»-Warnung versehen sein, sondern am besten gleich mit einem Totenkopf bebildert werden.

Jaguar F-Type SVR
Rechts: Der Knopf ins Glück. Links: Der Knopf ins Verderben.

Auch wenn der SVR mit seinem Spoiler ziemlich brachial aussieht, ein Hardcore-Sportler ist er nicht – was nicht heisst, dass man nicht schnell ist. Man darf in den Kurven einfach nicht übermütig werden. Kurven, die nicht so eng sind und Geraden frisst der Stärkste aller F-Type nur so auf. Wer sein Verhalten gut genug kennt, entwickelt ein gutes Gespür für die wild gewordene Grosskatze, denn die angenehm schwergängige Lenkung arbeitet direkt und präzise. Die totale Verschmelzung wie in einem Porsche fehlt zwar, aber dafür berührt der F-Type SVR etwas, was nur ganz wenige Autos zu berühren vermögen.

Jaguar F-Type SVR
Ob cruisen oder rasen, die Automatik weiss stets, was sie zu tun hat.

Er bringt mein bestes Stück zwar nicht in Wallung, aber die Hirnbereiche, die bei den Lautäusserungen vom F-Type SVR aktiviert, respektive stimuliert werden, sind garantiert nicht allzu weit weg von jenen, die bei sexueller Erregung berührt werden. Mit diesem Auto wird jede Fahrt zu einem Erlebnis, auch wenn etwas Überarbeitung nicht schlecht wäre. Das Facelift vom F-Type steht bestimmt bald an und ein neues Infotainmentsystem, das schell auf Eingaben reagiert, hat er dringend nötig. Doch auch die Verarbeitung muss verbessert werden. Ein Boden, der auf der Beifahrerseite nachgibt und ein extrem billiger, scheppernder Klang beim Schliessen des Faches in der Mittelkonsole gehören definitiv nicht in einen Jaguar, schon gar nicht in einen, der mit «Special Vehicle Operations» angeschrieben ist.

Jaguar F-Type SVR
Gelbe Bremszangen für die Keramik-Bremsanlage. Packt genauso gewaltig zu wie der V8, nur umgekehrt.

Auch als SVR bleibt der F-Type im Wesentlichen ganz der Alte. Er wird es nie ernsthaft mit einem Porsche aufnehmen können, für Rundenzeiten ist er nicht ausgelegt. Aber seine Ausstrahlung ist viel leuchtender. Er ist das britische Muscle Car, das es bisher noch nicht gegeben hat. Seine Wirkung auf autogeile Männer ist ähnlich wie die einer Potenzpille. Jedoch ist er im Gegensatz zu den originalen Muscle Cars alles andere als erschwinglich. Mit 188’000 Franken ist der Testwagen ziemlich teuer. Zwar günstiger als ein vergleichbarer Porsche, aber dessen Perfektion hat er schliesslich auch nicht. So ist der F-Type eher ein Auto für Geniesser, die den abartigen Sound und die brachiale Kraftentfaltung geniessen. Meiner Meinung nach verdient der F-Type SVR den Titel «die schönste Abrissbirne, die je gebaut wurde.» Und er ist der beste Beweis dafür, dass ein paar zusätzliche Pfunde (oder doch eher Zentner?) durchaus attraktiv sein können…

Jaguar F-Type SVR
Eigentlich ist der SVR zu viel des Guten. Ein Spinner, aber… leider geil.

Alltag 3 out of 5 stars

Für zwei Personen reicht das Platzangebot allemal. Auch lange Strecken sind dank hohem Fahrkomfort und bequemen Sitzen kein Problem. Eher mühsam im Alltag sind der grosse Wendekreis, die schlechte Übersicht sowie die Rückfahrkamera, die extrem schnell dreckig wird.

Fahrdynamik 4.5 out of 5 stars

Kraft ohne Ende, ein perfektes Automatikgetriebe und ein straffes, direktes Handling machen viel Freude und ermöglichen extrem schnelles Fahren. Die Keramik-Bremsen packen genauso brutal zu wie der Motor. Auf engen Strecken fehlt es dafür an Agilität, dann wird das Gewicht spürbar. Ohne ESP wird sein Fahrverhalten durch sein blitzartig auskeilendes Heck tückisch.

Umwelt 2.5 out of 5 stars

Von nichts kommt nicht und mein Fahrstil ist alles andere als normal gewesen, weshalb der Testverbrauch gar nicht so schlecht ist. Wer in der Regel gemütlich und nur gelegentlich schnell fährt, dürfte um den Normverbrauch herum sein. Wer ausschliesslich cruist, wird weniger als zehn Liter verbrauchen. Angesichts des fetten Motors und des hohen Gewichts ganz passabel.

Ausstrahlung 5 out of 5 stars

Muss ich dazu noch etwas sagen? Dieses Auto ist die Aluminium gewordene Geilheit, die erst noch absolut hinreissend aussieht. Angesichts des verwegenen Fahrverhaltens ohne ESP eine richtige Femme fatale. Mit Vorsicht zu geniessen. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt…

Fazit 4.5 out of 5 stars

+ Design zum Niederknien
+ Motorsound ist nicht von dieser Welt. Wie das legal sein kann, ist mir heute noch ein Rätsel…
+ Brachiale Kraftentfaltung
+ Brutale Keramik-Bremsanlage (optional)
+ Perfektes Automatikgetriebe
+ Präzises, direktes Handling
+ Straffes, aber komfortables Fahrwerk
+ Perfekte Sitzposition
+ Edle Materialien
+ Grosser Kofferraum
+ Beim Cruisen verhältnismässig tiefer Verbrauch

– Hoher Preis
– Hohes Gewicht
– Langsames Infotainmentsystem
– Teils lasche Verarbeitung
– Gefährliches Fahrverhalten ohne ESP

Mängel am Testwagen

– Keine Mängel

Steckbrief

Marke / ModellJaguar F-Type SVR Coupé
Preis Basismodell / Testwagen153 900 CHF / 188 020 CHF
AntriebBenzin, Allradantrieb
Hubraum / Zylinder5000 ccm / V8
Motoranordnung / Motorkonzept Frontmotor / Kompressormotor
Getriebe8-Gang Automatikgetriebe
Max. Leistung423 kW bei 6250 r/min
Max. Drehmoment700 Nm bei 3500 - 5250 r/min
Beschleu­nigung 0–100 km/h3,7 s
Vmax322 km/h
NEFZ-Verbrauch / CO2 Emissionen / Energieeffizienz11,3 l/100 km / 269 g/km / G
Test-Verbrauch / CO2 Emissionen / Differenz14,2 l/100 km / 338 g/km / +26 %
Länge / Breite / Höhe4,47 m / 1,92 m / 1,31 m
Leergewicht1937 kg
Koffer­raum­volumen408 l

Bilder: Koray Adigüzel

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